Die Kundgebung gegen Rechtsextremismus auf dem Münsterplatz in Ulm hat alle Erwartungen übertroffen. Ursprünglich meldeten die Organisatoren 250 Teilnehmende an - es kamen 40 Mal so viele.
Rund 10.000 Menschen haben am Samstagnachmittag in Ulm an einer Demonstration gegen Rechtsextremismus teilgenommen. Das Motto lautete: "Gemeinsam gegen Hass und Hetze der AfD. Für unsere Demokratie!" Bis vor wenigen Tagen waren die Organisatoren, der Ring politischer Jugend Ulm (RPJ), von gerade einmal von 250 Menschen ausgegangen.
Ella Oswald, eine der Verantwortlichen, weiß selbst nicht so recht, wie ihr geschieht. Als sich der Münsterplatz gegen 16:45 Uhr nach 75 Minuten Kundgebung leert, steht der jungen Frau mit den dunklen Locken die Freude ins Gesicht geschrieben. Und während das Ulmer Münster von der Abendsonne rot leuchtet, strahlt auch Ella Oswald. "Der Wahnsinn" sei das. Mit 1.000 Teilnehmenden hätten sie und die anderen Organisatoren am Ende schon gerechnet, aber zehnmal so viele?
Menschen jeden Alters bei der Demo in Ulm
Doch was bewegte tausende Menschen, darunter Familien mit kleinen Kindern, junge Menschen und Seniorinnen mit selbstgemachten Schildern, auf denen "Omas gegen Rechts" stand, ihren Samstagnachmittag auf dem Münsterplatz zu verbringen? Offenbar, dass viele Menschen "das Bedürfnis hatten, zu zeigen, dass sie Demokratinnen und Demokraten sind und dass die AfD hier keinen Platz hat", vermutete Oswald.
Sie engagiert sich im Ring politischer Jugend Ulm. Der Zusammenschluss der Jugendverbände von CDU, SPD, FDP und den Grünen, übrigens kaum ein Dreivierteljahr alt, hatte zu der Kundgebung aufgerufen, nachdem das Medienhaus "CORRECTIV" über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen berichtet hatte. Daran sollen auch AfD-Politikerinnen und Politiker teilgenommen haben. Unter anderem soll es dabei um die Vertreibung von Millionen deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund aus Deutschland gegangen sein.
Zehn Rednerinnen und Redner auf Ulmer Münsterplatz
Dagegen stellten sich die Rednerinnen und Redner auf der kleinen Bühne direkt am Eingangsportal des Ulmer Münsters. Darunter die Bundestagsabgeordneten Ronja Kemmer (CDU) und Marcel Emmerich (Grüne), der Landtagsabgeordnete Martin Rivoir (SPD) und Ulms früherer Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD).
Gönner rief die Rechtsextremisten nach dem Geheimtreffen dazu auf, Gesicht zu zeigen und ihre wahren Pläne darzulegen. Den Menschen auf dem Münsterplatz rief er zu, "die Rassisten zu entlarven" und nicht "nur empört zu sein, sondern engagiert".
Grünen-Politiker Emmerich forderte auch die Wirtschaft zu einem Engagement gegen rechts auf, weil ohne Menschen mit Migrationshintergrund der Betrieb in Unternehmen nicht funktionieren würde. Redner von nicht parteilichen Organisationen kritisierten aber auch die Politik für soziale Kürzungen in den vergangenen Jahren, diese seien ein "Nährboden für Rechte".
Appell vom SSV Ulm 1846 Fußball
Auch der SSV Ulm 1846 Fußball hatte angekündigt, an der Kundgebung teilnehmen zu wollen. In einer Mitteilung am Samstag rief er "alle seine Fans, Mitglieder und Partner sowie alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich für unsere Demokratie einzusetzen und gegen Rechtsextremismus aufzustehen".
Das haben unter anderem drei junge Frauen getan: "Wir können was dafür, wenn wir nichts dagegen tun", das stand auf einem der vielen Pappschilder, die an diesem Samstag in den blauen Nachmittagshimmel gehalten wurden. Laura, Jana und Annika aus Ulm sahen in dem großen Zuspruch "ein wichtiges Zeichen, dass sich die Mehrheit gegen Rechtsextremismus positioniert". Die wichtigste Botschaft für sie: "Wir müssen zusammenhalten".
Organisatoren überwältigt von Zuspruch
Sie mache sich "wegen des Rechtsrucks ernsthafte Sorgen um die Demokratie", hatte Ella Oswald vor der Kundgebung gesagt. Jetzt sei sie "überwältigt, stolz und unfassbar froh" über den großen Andrang. Doch auf dem inzwischen fast leeren Münsterplatz sagte sie auch: "Das Problem ist da und die AfD verschwindet ja nicht."
Ähnliche Demonstrationen haben am Wochenende bundesweit stattgefunden, in Baden-Württemberg gingen Menschen unter anderem in Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg und Stuttgart auf die Straße.
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