Der Stuttgarter Gemeinderat hat über Aufsichtsratsposten beim Hafen und der SSB entschieden. Dabei ist etwas passiert, was offenbar seit Jahrzehnten im Gemeinderat nicht mehr vorkam.
Der Stuttgarter Gemeinderat hat am Donnerstagabend in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause in neuer Zusammensetzung nach der Kommunalwahl über die Besetzung der Aufsichtsräte der Hafen GmbH und der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) entschieden. Von Interesse war insbesondere die Frage, ob die AfD je einen Sitz in den beiden Gremien erhält. Das hatte sich zuletzt so abgezeichnet.
Doch die Abstimmung hatte das überraschende Ergebnis: Bei der SSB bekommt die AfD zwar einen Sitz, beim Hafen allerdings keinen. Stattdessen wird im Aufsichtsrat des Hafens mit Ina Schumann künftig eine Gemeinderätin von Puls vertreten sein. Die Wahl war geheim.
- Warum ist die Abstimmung von Bedeutung?
- Wie läuft die Wahl der Aufsichtsräte normalerweise ab?
- Warum gab es jetzt ausgerechnet um Hafen und SSB Streit?
- Was ist am Donnerstagabend im Stuttgarter Gemeinderat passiert?
- Wie war die Stimmung im Gemeinderat?
- Gibt es in anderen Aufsichtsräten Abgeordnete der AfD?
- Warum ist diese Abstimmung über Stuttgart hinaus interessant?
Warum ist die Abstimmung von Bedeutung?
Zunächst einmal klingt das Thema ziemlich bürokratisch und langweilig. Aber zu der Abstimmung in dieser Form kam es nur, weil Stadtrat Christoph Ozasek von der Gruppe Klimaliste/Puls/Die Stadtisten/Die Partei den AfD-Gemeinderat Thomas Rosspacher für unwählbar hielt und deshalb das bisherige Prozedere für die Wahl der Aufsichtsräte nicht mehr mittragen wollte. Grundsätzlich stellt sich damit auch die große Frage, wie in der Kommunalpolitik mit der AfD umgegangen werden sollte.
Vorwurf der Volksverhetzung Kommunalwahl in Stuttgart: Anzeige wegen Wahlplakat der AfD
Ein AfD-Kandidat wirbt mit dem Slogan "Schnelle Remigration schafft Wohnraum". Ein Stadtrat hat ihn wegen Volksverhetzung angezeigt. Die AfD beruft sich auf Kanzler Scholz.
Wie läuft die Wahl der Aufsichtsräte normalerweise ab?
Es geht bei der ganzen Geschichte um die Aufsichtsräte der sogenannten Beteiligungsunternehmen und Eigenbetriebe der Stadt Stuttgart. Das sind Unternehmen, die teilweise oder ganz der Stadt Stuttgart gehören. Davon gibt es viele, ein paar Beispiele sind die Eventgesellschaft in.Stuttgart, die das Volksfest auf dem Cannstatter Wasen veranstaltet, die Stadtwerke oder eben der Hafen und die SSB.
Normalerweise ist die Wahl der Aufsichtsräte reine Formsache. Wenn sich der Gemeinderat neu formiert, wie dieses Jahr nach der Kommunalwahl, werden auch die Aufsichtsräte der Eigenbetriebe neu gewählt. In den Aufsichtsräten sitzen neben anderen Menschen auch Mitglieder des Gemeinderats. Bislang war es so, dass diese Posten entsprechend der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat vergeben wurden. Als Beispiel: Wenn eine Partei ein Viertel der Stimmen im Gemeinderat hat, bekam sie auch ein Viertel der von Stadträten besetzten Aufsichtsratsposten in den Eigenbetrieben. Das Konzept nennt sich "Spiegelbildlichkeit". Darauf einigten sich die Fraktionen bislang vorab in Gesprächen, die Abstimmung an sich war dann stets reine Formsache.
Warum gab es jetzt ausgerechnet um Hafen und SSB Streit?
Für diesen beiden Aufsichtsräte hatte die AfD ihren Gemeinderat Thomas Rosspacher vorgeschlagen. Doch diesen Volksvertreter hält Stadtrat Christoph Ozasek wiederum für unwählbar. "Die AfD hat einen Wahlvorschlag unterbreitet, der inakzeptabel ist", sagte Ozasek dem SWR. Innerhalb der AfD hält er Thomas Rosspacher für die "schwierigste Personalie". Rosspacher habe mit dem Slogan "Schnelle Remigration schafft Wohnraum" auf Wahlplakaten für die Kommunalwahl eine aggressive Kampagne gefahren. "Die Zwangsdeportation von Menschen wurde in den Vordergrund gestellt", sagt Ozasek.
Gleichzeitig arbeiteten bei der SSB und im Hafen besonders viele Menschen mit Migrationsgeschichte. "Diese Leute halten den öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart aufrecht." Die Wahl von Rosspacher würde laut Ozasek ein fatales Signal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SSB und Hafen senden und sei eine "Kriegserklärung an die weltoffene Gesellschaft". Deshalb habe er sich dafür entschieden, zu intervenieren und das bisherige Prozedere zur Wahl der Aufsichtsräte speziell für die für Rosspacher vorgesehenen Sitze nicht mitzutragen.
Die AfD hält dagegen: Natürlich sei Rosspacher für den Posten geeignet. Das sagte AfD-Fraktionsvorsitzender Michael Mayer dem SWR. Mayer wiederum kritisiert: Ozasek sei "wortbrüchig, denn vorher gab es Einigungsgespräche, und denen hat auch seine Gruppe zugestimmt". Stadtrat Ozasek sei außerdem von Eigeninteresse getrieben, weil er laut Mayer selbst in den SSB-Aufsichtsrat gewollt hätte.
Was ist am Donnerstagabend im Stuttgarter Gemeinderat passiert?
Die Abstimmung hatte das Ergebnis: Bei der SSB erhält Thomas Rosspacher von der AfD einen Sitz im Aufsichtsrat. Beim Hafen hingegen erzielte Ozasek einen symbolischen Sieg. Seine Gruppe hat zwar nur drei Sitze im Gemeinderat, deren Wahlvorschlag erhielt aber sechs Stimmen, sprich: Drei Stimmen müssen von einer anderen Partei gekommen sein. Somit wird die AfD künftig nicht im Aufsichtsrat des Stuttgarter Hafens vertreten sein, dafür aber Ina Schumann als Vertreterin für die Gruppe.
Wie war die Stimmung im Gemeinderat?
Vor der Abstimmung gab es eine längere Debatte. Es war die erste Sitzung des neuen Stuttgarter Gemeinderats nach der Sommerpause. Die Diskussion machte deutlich: Der neue Stuttgarter Gemeinderat ringt intensiv mit der Frage, wie das Stadtparlament künftig mit der AfD in den eigenen Reihen umgehen will. Bei der AfD sind bis auf den Fraktionsvorsitzenden Michael Mayer alle Stadträte neu im Stuttgarter Gemeinderat. Auch das verändert die Dynamik im neuen Gemeinderat. AfD-Stadtrat Steffen Degler beispielsweise ist offenkundig auch in der "Jungen Alternative" aktiv, die vom Verfassungsschutz auf Bundesebene als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Auf der Webseite der "Jungen Alternative Baden-Württemberg" wird sein Name beim Kreisvorstand Stuttgart aufgeführt.
Einige Stadträte warnten am Mittwoch davor, das Prinzip der "Spiegelbildlichkeit" bei der Besetzung der Aufsichtsratsposten aufzugeben und die AfD anders zu behandeln als die anderen Parteien. "Wir machen die AfD damit zu Opfern", sagte zum Beispiel Rose von Stein von den Freien Wählern. CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Kotz betonte: Solch einen Vorgang habe es seit 25 Jahren nicht gegeben. So lange habe der Rat es immer hinbekommen, eine Einigung bei der Postenbesetzung zu erzielen. Andere Stadträte hielten dagegen. "Wir wollen die AfD in keinem Aufsichtsrat sehen", sagte etwa Stefan Conzelmann von der SPD. Die Stadträte seien frei in ihrer Entscheidung, wen sie in die Aufsichtsräte entsenden.
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Gibt es in anderen Aufsichtsräten Abgeordnete der AfD?
Ja, denn über den Großteil der Aufsichtsratsposten war laut eines Stadt-Sprechers schon bei der letzten Gemeinderatssitzung Ende Juli entschieden worden. So werden zum Beispiel in den Aufsichtsräten von in.Stuttgart, bei den Stadtwerken, im Aufsichtsrat des Kunstmuseums und in weiteren Aufsichtsräten AfD-Gemeinderäte vertreten sein, so der Sprecher.
Warum ist diese Abstimmung über Stuttgart hinaus interessant?
Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD Baden-Württemberg als rechtsextremistischen Verdachtsfall. In einigen anderen Bundesländern gilt die AfD nach der Einstufung der jeweiligen Verfassungsschutzämter als gesichert rechtsextrem. In ganz Deutschland ringen Politikerinnen und Politiker um einen guten Umgang mit der AfD. Auf Bundesebene schließen alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD klar aus. Gerade auf kommunaler Ebene ist es aber häufig komplizierter, wie etwa das Beispiel Backnang aus der Vergangenheit zeigt.
Ozasek sieht das Ergebnis der Abstimmung in Stuttgart als "wichtiges Signal an andere Kommunen", die jetzt nach der Sommerpause einen ähnlichen Prozess durchlaufen. "Wir konnten zeigen, dass es gelingen kann, die AfD zu verhindern", sagte Ozasek nach der Abstimmung. Andere Stadträte dürften mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein, denn es wurde häufig die Sorge geäußert, dass die AfD sich dadurch als Opfer einer Ungleichbehandlung darstellen könnte.
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