Umstrittenes AfD-Plakat zur Kommunalwahl

Volksverhetzung oder nicht? Umgang mit dem Begriff "Remigration" im Wahlkampf

Stand
Autor/in
Susanna Ott
Onlinefassung
Kerstin Rudat
Kerstin Rudat

Auf einem Plakat der AfD in Stuttgart zur Kommunalwahl steht "Schnelle Remigration schafft Wohnraum". Das gab eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Aber ist das auch Volksverhetzung?

Zur Kommunalwahl in Stuttgart wirbt ein AfD-Kandidat mit dem Slogan "Schnelle Remigration schafft Wohnraum". Ein Stadtrat hat deshalb Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet. Aber nicht jede Äußerung, die unangebracht und geschmacklos erscheint, stellt ein strafbares Verhalten dar. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Äußerung als volksverhetzend eingestuft wird? Und wie problematisch findet das im Wahlkampf der baden-württembergische Verfassungsschutz, der die AfD im Land als Verdachtsfall einstuft?

Was ist Volksverhetzung?

Der Straftatbestand der Volksverhetzung stellt bestimmte Äußerungen unter Strafe, weil sie gefährlich sind. Damit sollen bestimmte Gruppen vor rhetorischen Angriffen geschützt werden. Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, dass bestimmte Äußerungen zu einem feindseligen Klima gegenüber bestimmten Gruppen führen können. Um den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen, müsste die Aussage "Schnelle Remigration schafft Wohnraum" als ein "Aufstacheln zum Hass" gegen in Deutschland lebende Zugewanderte verstanden werden.

Bei der Beurteilung, ob eine Äußerung volksverhetzenden Charakter hat, kommt es nicht darauf an, welche Absicht die Partei, die die Parole veröffentlicht, mit der Äußerung verfolgt. Vielmehr ist auf das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums abzustellen. Aus diesem Grund ist es wichtig zu verstehen, wie der Begriff der "Remigration" von der breiten Öffentlichkeit verstanden wird.

Was bedeutet der Begriff "Remigration"?

Seit das Recherchekollektiv "CORRECTIV" über ein geheimes Treffen von Rechtsextremisten im November letzten Jahres berichtete, an dem auch einige AfD-Politiker und ein Unternehmer aus Stuttgart teilnahmen, ist der Begriff "Remigration" auch über Fachkreise hinaus bekannt. Ursprünglich stammt er aus der Sozialforschung und beschreibt die freiwillige Rückkehr einer Person in ihr Heimatland. Spätestens seit dem Treffen in Potsdam wird der ursprünglich neutrale Begriff als eindeutig ideologisch behaftet gesehen. Denn an dem Treffen in Potsdam nahm auch der österreichische Rechte Martin Sellner teil, der ein Buch über "Remigration" geschrieben hat und dessen Thesen zur massenhaften Abschiebung vor Ort diskutiert wurden.

"Remigration" wurde sogar zum "Unwort des Jahres" 2023 gewählt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz definiert "Remigration" in seinem Glossar als einen Begriff der Neuen Rechten, mit dem eine Ausweisung aller zugewanderten Deutschen gefordert wird. Teil der Neuen Rechten ist beispielsweise die "Identitäre Bewegung" (IB), die den Begriff schon seit mindestens 2015 verwendet. Er war im vergangenen Sommer auch Gegenstand einer Aktion der IB-Gruppierung "Wackere Schwaben", jetzt "Reconquista 21", am Untertürkheimer Freibad. Die IB wird in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz beobachtet.

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Experten für Rechtsextremismus gehen sogar einen Schritt weiter und sagen, dass in rechten Kreisen "Remigration" als massenhafte nicht freiwillige Ausreise, die auch den Entzug von Staatsbürgerschaften umfassen kann, definiert wird. So ist es unter anderem auch in Sellners Buch beschrieben. Es geht also bei dieser engen Definition auch um "Rückführung" von Migrantinnen und Migranten mit deutschem Pass, die sich in Deutschland "nicht assimiliert" haben.

Wie verwendet die AfD den Begriff?

Die AfD verwendet den Begriff "Remigration" aktuell massiv im Wahlkampf zu den Kommunalwahlen und hat dazu eine Broschüre mit dem Titel "7 Punkte zur Remigration - Wie die AfD den Begriff definiert" erstellt. Darin definiert sie "Remigration" als "alle Maßnahmen und Anreize, die auf eine rechtsstaatliche und gesetzeskonforme Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in ihre Heimatländer abzielen". Deutsche mit Migrationshintergrund seien damit aber nicht gemeint, erklärte der AfD-Bundestagsabgeordnete und Sprecher des AfD-Kreisverbandes Stuttgart, Dirk Spaniel. Sie gehörten natürlich zu Deutschland.

Was sagen Gerichte?

Wichtig ist: Bei den Slogans auf Wahlplakaten handelt es sich um Werturteile, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sein könnten. Schon in der Vergangenheit hatten Gerichte entschieden, dass im politischen Meinungskampf Aussagen auch mal scharf und übersteigert formuliert werden dürfen. Das habe aber dann Grenzen, wenn gegen gewichtige Straftatbestände verstoßen wird.

Gerichte sind verpflichtet, bei mehrdeutigen Äußerungen immer diejenige Variante zugrunde zu legen, die noch am ehesten von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt werden kann. Für den Slogan des AfD-Wahlplakats bedeutet das: Sofern ein Strafgericht sich mit der Äußerung auseinandersetzen muss, muss es alle Auslegungsmöglichkeiten in Betracht ziehen.

Wie haben Gerichte in der Vergangenheit entschieden?

Wahlplakate haben schon in der Vergangenheit für viel Aufregung gesorgt. Dabei waren sich die Gerichte im Umgang mit den Wahlplakaten nicht immer einig. Zur Europawahl 2019 warb die NPD mit dem Slogan "Stoppt die Invasion: Migration tötet!". Die Wahlplakate wurden von verschiedenen Gerichten verboten und als volksverhetzend und als Angriff auf die Menschenwürde eingestuft. Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Verbot im Nachhinein aber für rechtswidrig erklärt. Auch bei Wahlplakaten mit der Aufschrift "Hängt die Grünen" haben mehrere Gerichte Volksverhetzung angenommen und das Abhängen der Plakate angeordnet. Es gab aber auch Gerichte, die gegenteilig entschieden haben, eine Volksverhetzung ablehnten und die Wahlplakate hängen ließen.

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Was sagt der Verfassungsschutz?

Nachgefragt beim Landesverfassungsschutz erklärt ein Sprecher, dass der Begriff "Remigration" in unterschiedlichen rechtsextremistischen Zusammenhängen genutzt werde. Die AfD in Baden-Württemberg äußere sich in Teilen migrationskritisch bis hin zur Forderung nach millionenfacher Abschiebung aller illegalen Migranten aus Deutschland. Das sei nicht neu. Der Sprecher verwies etwa auf den im vergangenen Jahr mehrfach verwendeten Slogan "Abschieben schafft Wohnraum".

Und: "Mit Bezug zur Migrationspolitik wurde die AfD-Forderung nach Abschiebung beispielsweise auch mit Bildern von Flugzeugen und zugespitzten Slogans illustriert, die unter anderem auch die Forderung nach 'Remigration' beinhalteten", so der Sprecher.

Wichtig sind offenbar die Feinheiten und dass dadurch bestimmte Konnotierungen mitschwingen. Denn, so der Verfassungsschutz weiter, in rechtsextremistischen Zusammenhängen bedeute "Remigration" unter Umständen eine erzwungene Rückführung von Migrantinnen und Migranten.

Wie geht es nun weiter?

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart muss nun in einem Ermittlungsverfahren prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht der Volksverhetzung vorliegt. Sollte dies der Fall sein, wird sich ein Gericht mit dem Wahlplakat befassen.

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