Die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 wackelt. Am Mittwoch tagte der Aufsichtsrat der Bahn - ohne Entscheidung. Jetzt sollen die Projektpartner gemeinsam über den Starttermin beraten.
Nachdem der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn am Mittwoch in Berlin keine Entscheidung zu Stuttgart 21 getroffen hat, sollen nun die Projektpartner gemeinsam über mögliche Eröffnungszenarien von Stuttgart 21 beraten. Eine erste Beratungsrunde soll laut Bahn dem baden-württembergischen Verkehrsministerium bereits am Freitag stattfinden.
Der Infrastrukturvorstand der Bahn, Bertold Huber, erklärte bei der Bilanz-Pressekonferenz am Donnerstag: "Wir streben weiter die Eröffnung von Stuttgart 21 Ende 2025 an. Wie die konkrete Ausgestaltung dessen aussieht, das besprechen wir erst mit den Projektpartnern." Die Bahn wolle die Entscheidung, wie das Bahnprojekt Stuttgart 21 in Betrieb gehen soll, gemeinsam mit den Projektpartnern fällen.
Am Mittwoch hatte der SWR aus Kreisen des Bahn-Aufsichtsrats erfahren, dass das Gremium nicht entschieden hat, ob und wie der geplante Eröffnungstermin von Stuttgart 21 im Dezember 2025 gehalten werden kann. Es hieß, der Aufsichtsrat solle im Juni erneut darüber beraten und dann einen Beschluss fassen.
S21: Diskussion um Eröffnungstermin dauert an
Seit Monaten wird über den Starttermin von Stuttgart 21 spekuliert. Die Deutsche Bahn hatte bisher stets auf ihre Planungen verwiesen. Doch Recherchen des SWR und anderer Medien haben ergeben, dass dieser Termin für die Bahn nicht zu halten sein wird. Ein Grund: Probleme mit der digitalen Sicherungstechnik ETCS (European Train Control System).
Im Gespräch ist eine Teilinbetriebnahme des Tiefbahnhofs, der alte Kopfbahnhof müsste dann weiter in Betrieb bleiben. Alternativ könnte der Start ganz verschoben werden, auf 2026 oder 2027. Am Mittwoch wurde der Aufsichtsrat in Berlin durch den Bahnvorstand über den aktuellen Stand des Projekts informiert. Am Freitag sollen die Projektpartner von Stuttgart 21 in Kenntnis gesetzt werden. Das sind die Stadt Stuttgart, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart und der Flughafen.
Der Druck auf die Bahn steigt
Vergangene Woche äußerte sich der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann zur Eröffnung des neuen Tiefbahnhofs. Er plädierte für eine spätere Inbetriebnahme, um genügend Zeit für Testläufe zu haben. "Es wäre eine Möglichkeit, dass man Ende 2025 mit dem Erproben und Üben anfängt - und wenn es dann sitzt, macht man erst den Wechsel und nicht vorher", schlug der Verkehrsminister vor. Im Dezember bereits sagte Hermann im SWR:
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rechnet allerdings genau damit. Ohne Holpern werde der Bahnhof wohl kaum eröffnet, sagte er in der Landespressekonferenz am Dienstag vergangene Woche. "Die Frage ist nur, wer holpert wie lange und wie stark." Hinsichtlich des Starts zeigte er sich skeptisch.
Spekulationen am Rande der Montagsdemo in Stuttgart
Bei der 700. Montagsdemo gegen S21 in Stuttgart wurde ebenfalls über den Start des Bahnprojekts spekuliert. Der Betrieb von Kopfbahnhof und Tiefbahnhof parallel sei jahrelang ein großes Tabu gewesen, inzwischen werde genau das aber als mögliche Lösung diskutiert, erklärte Thomas Adler, Organisator der wöchentlichen Montagsdemos. Viele Stuttgart 21-Gegnerinnen und Gegner fordern seit Jahren einen so genannten "Kombi-Bahnhof", also einen dauerhaften Parallelbetrieb von Kopf- und Tiefbahnhof, wie etwa in Zürich.
Kombi-Betrieb als Lösung für die Gäubahn?
Ein Kombi-Bahnhof könnte auch ein weiteres Problem lösen: Nach bisheriger Planung würde die Gäubahn von Stuttgart nach Singen und weiter nach Zürich über Jahre vom Hauptbahnhof Stuttgart abgekoppelt. Dagegen klagt die Deutsche Umwelthilfe vor dem Bundesverwaltungsgericht in Mannheim. Bliebe der Kopfbahnhof in Betrieb, könne die Gäubahn weiterhin direkt bis zum Hauptbahnhof durchfahren, so deren Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. An den Aufsichtsrat richtete er eine konkrete Forderung:
Spätere Inbetriebnahme würde Wohnungsbau in Stuttgart verzögern
Dass es soweit kommt, gilt als sehr unwahrscheinlich. Denn die Stadt Stuttgart plant auf dem Gleisvorfeld, wo jetzt noch Züge fahren, einen ganz neuen Stadtteil, das Rosensteinquartier. Je länger der Kopfbahnhof in Betrieb bleibt, umso später können die Arbeiten für die Wohnungen und Geschäftshäuser beginnen. Mieterverein und Stadt Stuttgart drängen auf eine schnelle Umsetzung der Pläne. Die Stadt Stuttgart wollte sich im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung nicht zu möglichen Folgen für die Stadtplanung äußern.
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