Nach Taten von Solingen und Mannheim

Meinung: Gerade in der Migrationspolitik ist es erforderlich, genau hinzusehen

Stand
Autor/in
Sebastian Deliga

Die Ereignisse in Solingen und Mannheim haben die Debatte um die Migrationspolitik in Deutschland noch einmal befeuert. Allerdings sollten in der Sache Lösungen diskutiert werden, die sich am Machbaren orientieren, findet SWR-Hauptstadtkorrespondent Sebastian Deliga.

Was in Solingen und Mannheim passiert ist, hat mich geschockt. Geht es Ihnen auch so, dass Sie bei solchen Nachrichten Wut und Ohnmacht verspüren, den Kopf schütteln über die Debatten, die dann folgen, und sich sagen: Man muss doch etwas machen können, um so etwas zu verhindern?

Friedrich Merz reicht es jetzt, sagt er. Mit dem Bundeskanzler hat er sich am Dienstag getroffen und ihm ein Angebot gemacht, ohne Grüne und FDP die Migration zu begrenzen. Ein Angebot, das der Kanzler offenbar nicht ganz so unwiderstehlich findet wie der CDU-Chef. Zur Not müsse man europäisches Recht in Deutschland aussetzen, schlägt Merz vor. Er will Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien gar nicht mehr aufnehmen, schrieb er schon jüngst in seiner sogenannten MerzMail, einer Art literarischer Rückzugsraum des CDU-Chefs, in dem er seine politischen Nachtgedanken verfasst und nun ganz groß Tabula rasa machen will. Passend dazu forderte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) im SWR sogar eine Änderung des Grundgesetzes und einen wörtlich "totalen Neuanfang" beim Asylrecht.

Abschiebungen: Das Problem sind die Kriminellen

Dabei ist es gerade in der Migrationspolitik erforderlich, genau hinzusehen: Es hilft ja nicht, ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht zu stellen, sondern das Problem ist doch, dass nur die abgeschoben werden, die die Behörden an einem festen Wohnsitz oder am Arbeitsplatz auffinden, während der mutmaßliche Täter von Solingen schon längst nicht mehr im Land hätte sein dürfen. Es kann nicht sein, dass Menschen nicht abgeschoben werden, nur weil sie rechtzeitig einen Spaziergang machen, wenn die Behörden an die Tür klopfen. Hingegen sind Menschen wie Ryyan Alshebl etwa, der erste Bürgermeister mit syrischen Wurzeln in der Gemeinde Ostelsheim im Kreis Calw, doch nicht das Problem - im Gegenteil.

Das Problem sind die Kriminellen. Die meist jungen Männer, die im Flüchtlingsheim ihr Sinnvakuum mit Internetfilmchen voller IS-Propaganda füllen, ähnlich wie manche deutschen Altersgenossen, die sich mit rechtsextremen Tiktok-Videos aufpeitschen. Wo sind unter all den schrillen Tönen, die ich derzeit höre, die Konzepte, die dem etwas entgegensetzen? Das ist nicht leicht, da sind Rufe nach Änderungen des Grundgesetzes einfacher. Das Problem liegt aber vor allem in der Umsetzung.

Abschiebungen im großen Stil? Es hapert an der Umsetzung

Nein, nicht im grellen Licht des Populären sollten Lösungen diskutiert werden. Es braucht einen klaren Kurs des Machbaren. Und da lässt die Bundesregierung, die Ampel insgesamt, doch sehr zu wünschen übrig. Die Ampel will vor allem lange Messer verbieten. Das ist nicht verkehrt, aber wird Terroristen nicht von ihren Taten abhalten. Das Problem ist, dass der Bundeskanzler zwar schärfere Maßnahmen ankündigt, sogar Abschiebungen im großen Stil und auch wieder nach Syrien und Afghanistan, es in der Praxis aber bei der Migrationspolitik insgesamt zu lange dauert und an Konsequenz fehlt: Die von der Ampel eher widerwillig aufgenommenen Grenzkontrollen müssten, wenn es nach der Polizei geht, verbessert werden, indem man 30 mobile Kontrolleinheiten beschafft - das scheitert bislang am Geld. Das Ampel-Gesetz zur Verschärfung der Abschiebungsregeln erfordert es, dem Betreffenden einen Anwalt beizustellen, bevor er in Abschiebehaft genommen werden kann. Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) bezeichnet das nicht zu Unrecht als Frühwarnsystem für Personen, die abgeschoben werden sollen.

Was nun? Mehr Konsequenz und weniger Versprechungen. Strafen und schützen, Grenzen schützen und Grenzen kennen, abschieben und integrieren, es gehört zusammen. Und vor allem: Was rechtlich möglich ist, umsetzen. Auch das lehrt der Fall in Solingen.

 

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