Die Ankündigung hatte es in sich: Kanzler Scholz wollte abgelehnte Asylbewerber "im großen Stil" abschieben. Nun kommt das Gesetz dazu. Doch in BW gibt es große Zweifel daran.
Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) wirft der Ampel-Regierung vor, einen Gesetzentwurf zu schnelleren Abschiebungen kurz vor der heutigen Abstimmung im Bundestag abgeschwächt zu haben. Die CDU-Politikerin beschwert sich darüber in einem Brief, den sie an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geschrieben hat und der dem SWR vorliegt. Die Änderung könne weitreichende Folgen haben.
"Es ging darum, Abschiebungen effektiver zu machen. Aber jetzt bringt der Bund in letzter Sekunde eine gravierende Änderung in den Gesetzentwurf ein, der das Gegenteil bewirken würde", sagte Gentges dem SWR. Nach der Änderung müsse jedem Asylbewerber, der in Ausreisegewahrsam oder in Abschiebungshaft genommen werden soll, zwingend ein Anwalt zur Seite gestellt werden.
BW-Ministerin: "Untertauchen wird noch leichter"
Da dieser zu den Flüchtlingen Kontakt aufnehmen müsse, könnten sich Eilverfahren verzögern, auch weil die Personen untertauchen könnten. "Das wäre ein Frühwarnsystem für die Personen, die abgeschoben werden sollen", kritisierte die Ministerin für Justiz und Migration. "Untertauchen wird dann noch leichter."
Gentges warnt Faeser in dem Brief, auf diese Weise könnte die Zahl der Abschiebungen "ganz erheblich einbrechen". Das sei beim Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Anfang November mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anders vereinbart worden. Gentges fordert Faeser auf, die Änderung noch zurückzunehmen.
BW-SPD weist Kritik zurück
Die SPD wies die Kritik von Gentges zurück. SPD-Innenexperte Sascha Binder sagte dem SWR: "Die Abschiebehaft scheitert in Baden-Württemberg nicht an einem Rechtsbeistand sondern an Ministerin Gentges, die nicht ausreichend Haftplätze geschaffen hat. Es ist wie immer bei der Landesregierung: eigene Hausaufgaben nicht erledigen, aber Zeit für Briefe an die Bundesregierung."
Gesetzespaket sieht auch Verschärfungen vor
Der Bundestag will am Donnerstag über die Verschärfung der Abschieberegeln abstimmen. Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, den Ausreisegewahrsam von 10 auf 28 Tage zu verlängern. Zudem soll der Polizei erlaubt werden, beim Aufgreifen ausreisepflichtiger Ausländer, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, auch andere Räume als die des Betroffenen zu betreten. Abschiebungen sollen zudem nicht mehr angekündigt werden, wenn keine Kinder betroffen sind.
Angesichts hoher Flüchtlingszahlen und der Überlastung der Kommunen hatte Kanzler Scholz im Herbst gefordert, abgelehnte Asylbewerber "im großen Stil" abzuschieben. Faeser legte darauf einen Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Rückführung" vor.
Ende Dezember 2023 waren laut Bundesinnenministerium 242.642 Menschen ausreisepflichtig. Allerdings hatten davon 193.972 eine Duldung zum Verbleib in Deutschland. Damit war die Abschiebung in vier von fünf Fällen vorerst ausgesetzt. Gründe können die Sicherheitslage im Herkunftsland, Kinder mit Aufenthaltserlaubnis, eine begonnene Berufsausbildung, Krankheit oder das Fehlen von Pass- und Reisedokumenten sein.
Zuletzt scheiterten zwei Drittel der Abschiebungen
2023 wurden laut Bundesinnenministerium 16.430 Menschen abgeschoben. Es sind aber auch 31.770 geplante Abschiebungen gescheitert. Damit waren zwei Drittel der vorgesehenen Rückführungen nicht erfolgreich. Gründe waren unter anderem ausgefallene Abschiebeflüge, dass ausreisepflichtige Ausländer nicht auffindbar waren, der Zielstaat die Aufnahme verweigerte oder medizinische Probleme.
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