Nach Messerangriff in Solingen

Verfassungsschutz in BW warnt vor Radikalisierung junger Islamisten "im Eiltempo"

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Barbara Reeder
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Nach dem Messerangriff in Solingen steht das Thema Sicherheit wieder im Fokus. Der Verfassungsschutz in BW sieht eine reale Bedrohung durch islamistische Anschläge.

Drei Tage nach der Messerattacke in Solingen (NRW) mit drei Toten warnt der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg vor einer zunehmenden Radikalisierung junger Islamisten: Es gebe ein reales Bedrohungsszenario durch die Gefahr eines islamistisch motivierten Anschlags, teilte die Behörde auf SWR-Anfrage mit. Hintergrund ist, dass der Tatverdächtige von Solingen mutmaßlich ein Anhänger des sogenannten Islamischen Staates ist.

Die Radikalisierung erfolge insbesondere über die sozialen Netzwerke und zum Teil im Eiltempo, so die Verfassungsschützer. Schon im Kinderzimmer würde manchmal die Radikalisierung beginnen. Das bedeute aber nicht, dass dies zwangsläufig zu Anschlägen führe. Aktuell gibt es laut den Verfassungsschützern für Baden-Württemberg auch keine konkreten Hinweise auf islamistisch motivierte Anschlagspläne.

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Salafistische Szene besonders gewaltbereit

Mehr als 4.000 Personen rechnen die Ermittler in Baden-Württemberg dem Islamismus zu - ein Drittel davon in der besonders gewaltbereiten salafistischen Szene. Diese zentrale islamistische Strömung ist in Baden-Württemberg zuletzt um 100 Personen auf etwa 1.300 Anhänger angewachsen.

Die Gefahr eines islamistischen Anschlags gehe vor allem von dschihadistischen Einzelakteuren oder Kleinstgruppen aus, die zu einfachen Tatmitteln greifen - wie eben Messer, Pkw oder Kleinlaster. Als moralische Rechtfertigung für schwere Straftaten dienen ihnen die Entwicklungen im Nahen Osten im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg, so ein Verfassungsschutzsprecher im SWR. Diese Einzeltäter sind vorher unter Umständen gar nicht aufgefallen, wie im Fall des tödlichen Messerangriffs auf den Polizisten Rouven Laur Ende Mai in Mannheim.

BW-Innenminister Strobl will Sicherheitsbehörden stärken

Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) wies im SWR auf eine "große Bedrohung durch den islamistischen Terror" hin, "auch in Baden-Württemberg". Zwar könne man aufgrund der Arbeit der Polizei auf Feste und Veranstaltungen gehen, allerdings müsse es für die Sicherheitsbehörden "mehr Möglichkeiten" geben, sagte er am Abend. Auch "Sympathiewerbungen für Terrororganisationen" müssten unter Strafe gestellt werden. Strobl sprach sich auch dafür aus, IP-Adressen zu speichern, um Anschläge verhindern und schwere Straftaten aufklären zu können.

Darüber hinaus forderte Strobl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan umgehend zu ermöglichen. Scholz habe dies im Juni nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim im Deutschen Bundestag angekündigt. "Wenn ein Bundeskanzler so etwas ankündigt, dann müssen solchen Worten Taten folgen", sagte Strobl am Montagabend im SWR. Es gebe in Baden-Württemberg "dutzende Straftäter und Gefährder, die wir morgen nach Afghanistan und Syrien abschieben würden, wenn die Bundesregierung den Weg freimachen würde". Strobl forderte zudem einen "totalen Neuanfang in der Flüchtlings- und Migrationspolitik". Dafür sei eine Grundgesetzänderung nötig, zu der die CDU im Bundestag bereit sei.

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In Baden-Württemberg hätten im vergangenen Jahr 5.700 Menschen abgeschoben werden sollen. In 2.100 Fällen ist das gelungen. Darunter waren auch 818 schwere Straftäter.

Mehr Überwachung für mehr Sicherheit gefordert

Um die Sicherheitslage zu verbessern, fordert der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Baden-Württemberg, Ralf Kusterer, eine schärfere Überwachung. Mit Blick auf demnächst beginnende Stadt- und Volksfeste sagte er im SWR, man müsse über Zugangskontrollen nachdenken. Außerdem sei Videoüberwachung notwendig.

Das Solinger Attentat zeige, wie wenig abstrakt die Terrorgefahr sei und wie sehr sich die Sicherheit in Deutschland verschlechtert habe, sagte Kusterer. Die Politik müsse jetzt schnell handeln. "Ich erwarte vom Innenminister in Baden-Württemberg jetzt ganz konkret, dass er eine Änderung des Polizeigesetzes vorlegt, in dem vereinfachte Möglichkeiten der Durchsuchungen von Personen geregelt werden."

"Wir müssen die Rechtsgrundlage haben, auch außerhalb von Messerverbotszonen Menschen darauf zu durchsuchen, ob sie Messer oder andere Gegenstände bei sich haben."

Waffenverbotszone in Heilbronn soll ausgeweitet werden

Der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) hat bereits angekündigt, die Waffenverbotszone auf die Innenstadt auszuweiten. "Spätestens bis zum Weindorf", das am 5. September beginnt, soll in der Heilbronner Innenstadt eine Waffenverbotszone gelten, so Mergel.

Rita Haverkamp, Honorarprofessorin für Kriminalprävention an der Universität Tübingen, ist eher skeptisch, was den Nutzen von Waffenverbotszonen angeht. "Wenn jemand den Vorsatz hat, jemanden zu töten, wird eine Waffenverbotszone auch nicht helfen", sagt sie im Gespräch mit dem SWR.

Weindorf in Stuttgart: Nopper will extra Polizeiverordnung

In Stuttgart setzt die Stadt ebenfalls in erster Linie auf die Ausweitung der Waffenverbotszone. Dort beginnt am Mittwoch das Weindorf. Außerdem sollen während des Festes mehr Polizeikontrollen möglich sein. Dafür will Nopper extra eine Polizeiverordnung erlassen.

Bei einem Besuch in Solingen am Montag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. Wie das genau passieren soll, ist allerdings noch offen. Zunächst werde über ein Maßnahmenpaket beraten, so eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums.

Mehr Waffenverbotszonen und verstärkte Kontrollen bedeuten allerdings mehr Personal. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg, Kusterer, wies im SWR erneut auf den Personalmangel hin. Man habe in den vergangenen Jahren Polizeikräfte verloren und Plätze nicht mehr richtig besetzen können. Eine Umschichtung von Kräften könnte seiner Meinung nach helfen.

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