Der Generalbundesanwalt hat nach dem Anschlag auf dem Mannheimer Marktplatz Ende Mai Anklage wegen Mordes erhoben. Dem mutmaßlichen Täter droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Knapp 40 Seiten umfasst die Anklage, die Generalbundesanwalt Jens Rommel gegen den mutmaßlichen Täter erhoben hat. Kern ist nach SWR-Informationen: Der 25-jährige Afghane Sulaiman A. aus dem südhessischen Heppenheim (Kreis Bergstraße) soll den Polizeibeamten Rouven Laur heimtückisch und aus niederen Beweggründen ermordet und die Ermordung von fünf anderen Menschen versucht haben.
Anklage nach Messerangriff auf Polizisten Rouven Laur in Mannheim
Auch wenn die Tat öffentlich als Terroranschlag bezeichnet wurde, sieht die Bundesanwaltschaft ihn nicht als "Terror-Tat" im Sinne des Strafgesetzbuches. Zwar habe A. eine radikal-islamistische Einstellung und sich in den Monaten vor der Tat weiter radikalisiert. Eine Bekennernachricht oder eine Aufforderung einer Organisation konnten die Ermittler aber nicht finden.
Der Prozess gegen A. soll vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart und nicht am Landgericht Mannheim stattfinden, da die Tat eine besondere Bedeutung hatte und weit über Mannheim hinaus geeignet sein könnte, die Innere Sicherheit zu beeinträchtigen.
Am Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim Mordprozess gegen den Angreifer von Mannheimer Polizist beginnt im Frühjahr
Der mutmaßliche Mörder des Mannheimer Polizisten Rouven Laur muss sich nach SWR-Informationen ab Februar 2025 in Stuttgart-Stammheim vor Gericht verantworten.
Keine Hinweise auf direkten Auftrag einer Terrororganisation
In den vergangenen Monaten haben Polizei und Bundesanwaltschaft umfangreich versucht, die Ereignisse des 31. Mai zu rekonstruieren. Unter anderem mit Hilfe von Videoaufnahmen. Demnach gibt es inzwischen ein relativ deutliches Bild vom Ablauf der Tat. Wesentliche Fragen bleiben aber noch offen: So gibt es bislang nach SWR-Informationen keinen Hinweis darauf, dass Sulaiman A. im direkten Auftrag einer Terrororganisation handelte. Auch sein Mobiltelefon haben die Ermittler bis heute nicht gefunden. Kurz vor der Tat hat er es offenbar ausgewechselt oder zerstört. Bei ihm gefunden wurde nur ein altes Telefon. Schon das ein Teil der Vorbereitung, vermuten die Ermittler.
Sulaiman A. habe aber große Sympathien für die Ideen der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) gehabt. Nach SWR-Recherchen hatte A. sich im Internet erkundigt, ob den die aktuell in Afghanistan herrschenden Taliban oder der IS aus religiöser Sicht zu bevorzugen seien. "Der IS!" lautete die Antwort, die A. von einem Prediger bekam. Doch für Mitgliedschaft oder Unterstützung des IS reicht das den Ermittlern offenbar nicht aus.
Generalbundesanwalt wertet Taten in Mannheim als Mordversuche
Mit Bahn und Straßenbahn soll A. am Tattag von seinem Wohnort in Heppenheim über den Mannheimer Hauptbahnhof zum Marktplatz gefahren sein. Eine Fahrt von einer guten halben Stunde, Wohn- und Tatort liegen nicht weit auseinander. Mit dabei hatte er die Tatwaffe, ein Jagdmesser "Python" mit einer 18cm langen Klinge. Außerdem ein Klappmesser und eine Zwille mit Geschossen. Alle diese Dinge hatte er sich einige Tage zuvor im Internet bestellt. Auf Videoaufnahmen ist zu erkennen, dass A. zunächst die Lage sondierte und den Aufbau der Kundgebung beobachtete.
Das eigentlich Tatgeschehen dauerte nur 25 Sekunden, so haben es Ermittler festgestellt. Zunächst soll A. den Hauptredner der Kundgebung, Michael Stürzenberger, angegriffen und schwer verletzt haben. Diese Tat wertet der Generalbundesanwalt sowohl als Mordversuch, als auch als gefährliche Körperverletzung. Auf vier weitere Personen habe A. eingestochen, so die Anklage, bis er schließlich von hinten auf den Polizeibeamten Rouven Laur zustürmte und ihn gezielt so angriff, dass er ihn trotz dessen Schutzweste in Hals und Kopf stechen konnte. Heimtückisch sei das gewesen, weil der erfahrene Beamte Laur keinesfalls mit einem solchen Angriff gerechnet habe.
Terror-Frage für Strafmaß nebensächlich
Für das Strafmaß ist die Terror-Frage eher ein Randaspekt. Gleich zwei Mordmerkmale hat der Generalbundesanwalt in seiner Anklage wegen Mordes festgestellt: Heimtücke und "niedrige Beweggründe". Folgt der Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart dieser Anklage und beiden Mordmerkmalen, dürfte es zu einer lebenslangen Haftstrafe und auch zur Feststellung der "besonderen Schwere der Schuld" kommen.
A. würde für sehr lange Zeit ins Gefängnis kommen. Im Anschluss daran hätte er wohl nur noch eines zu erwarten: Eine Abschiebung in sein Heimatland Afghanistan. Zunächst muss sich der 5. Senat des OLG Stuttgart mit der Anklage beschäftigen und über die Eröffnung der Hauptverhandlung entscheiden. Der Verteidiger von Sulaiman A. wollte sich auf SWR-Anfrage nicht äußern.
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