Bei der CDU BW endet am Samstag eine Ära. Thomas Strobl gibt den Vorsitz ab, bleibt aber Innenminister. Auf ihn folgt Manuel Hagel, der junge Fraktionschef im Landtag.
Der Kommunikationswissenschaftler und Politikexperte Frank Brettschneider traut dem jungen CDU-Spitzenmann Manuel Hagel zu, die Partei wieder ganz nach vorne zu führen. Im Interview mit dem SWR erklärt der Professor der Universität Stuttgart-Hohenheim, was der Machtwechsel bei der CDU BW bedeutet.
SWR: Thomas Strobl stand 12 Jahre an der Spitze der baden-württembergischen CDU. Was hat er in der Zeit bewirkt?
Brettschneider: Strobl hat die CDU in Baden-Württemberg in sehr schwierigen Zeiten übernommen. Verlust des Regierungsamtes nach langer Regierungszeit und dann die Partei zusammenzuhalten, auch die unterschiedlichen Flügel der Partei zusammenzuhalten, das war seine erste Leistung. 2016 hat er sie immerhin wieder zurückgeführt in die Regierung, zusammen mit den Grünen. Und er hat eine Modernisierung der Partei vorangetrieben, sie ist jünger geworden, die Landtagsfraktion ist auch weiblicher geworden. Strobl hat junge Leute installiert, die Generalsekretärin und auch den Fraktionsvorsitzenden Hagel. Er hat schon eher den internen Umbruch in der CDU bewerkstelligt.
SWR: Was ist ihm nicht gelungen?
Brettschneider: Nicht gelungen ist ihm vor allem ein stärkeres Gewicht für die Landespartei gegenüber den sehr, sehr starken Bezirken zu erreichen. Die haben in Baden-Württemberg immer noch das Sagen, da kann auch ein Landesvorsitzender nicht so richtig durchgreifen. Aber seine größte Niederlage ist sicherlich die Niederlage gegen Guido Wolf beim Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidatur für 2016. Das hat an ihm genagt. Da war er wohl sehr sicher davon ausgegangen, dass er dann auch der Spitzenkandidat wird, der die Partei in die Landtagswahl führt. Insofern ist immer so ein bisschen ein Fremdeln zwischen der Partei und ihm erkennbar gewesen. So richtig ist der große Funke nicht übergesprungen von den Mitgliedern zu ihm. Und dennoch hat er für die Partei sehr, sehr viel getan - eher als Arbeiter, als derjenige, der im Maschinenraum die Partei vorantreibt.
SWR: Aber die CDU wieder ganz nach vorne zu bringen, hat er nicht geschafft.
Brettschneider: Das stimmt. Der Weg zurück an die Spitze der Regierung, das ist ihm nicht gelungen. Aber nun war er beide Male nicht der Spitzenkandidat der Partei. Sowohl Guido Wolf als auch Susanne Eisenmann waren jetzt nicht die glücklichsten Spitzenkandidaten der CDU gegen den sehr, sehr, sehr starken Ministerpräsidenten. Und in dieser Situation beide Male die CDU in die Regierung zu bringen, wenn auch als Juniorpartner, ist schon auch sein Verdienst. Das ist vor allem auf das sehr enge Vertrauensverhältnis zu Ministerpräsident Kretschmann zurückzuführen. Ohne diesen guten Draht zwischen den beiden hätte es die Neuauflage von Grün-Schwarz sicher 2021 nicht gegeben.
SWR: Hat die CDU 2026 wieder eine echte Chance zurück in die Regierungszentrale zu kommen?
Brettschneider: Ja, das ist ein bisschen die Ironie der Geschichte. Er hat die Arbeit geleistet, die dazu beiträgt, dass die CDU bei der nächsten Landtagswahl tatsächlich wieder eine Chance hat. Die größere Chance haben sie allerdings dadurch, dass Winfried Kretschmann nicht mehr kandidieren wird. Und damit haben wir ein völlig neues Tableau. Da werden die Karten neu gemischt. Aber er hat die Grundlage für eine modernere und eine personell andere CDU in Baden-Württemberg geschaffen.
SWR: Ist die CDU tatsächlich moderner geworden?
Brettschneider: Das ist ein ganz schwieriger Spagat, der ihm über die Jahre hinweg immer wieder gelingen musste: Auf der einen Seite die konservativeren Stammwähler und Stammwählerinnen nicht zu verlieren und auf der anderen Seite vor allem in den städtischen Milieus, aber auch darüber hinaus, attraktiv zu werden. Zwischen diesen beiden Welten agieren und die nicht gegeneinander laufen lassen, sondern zusammenzuführen, das ist ihm schon gelungen. Das Vordringen vor allem in die städtische Wählerschaft hat eine ganze Weile auf sich warten lassen. Bei den letzten Oberbürgermeisterwahlen in größeren Städten ist der eine oder andere Erfolg dann erkennbar geworden. Insofern ja, da ist ihm schon was gelungen. Aber er ist jetzt nicht der große Modernisierer, der alles anders machen wollte, sondern ein konservativer Modernisierer.
SWR: Kommen wir zur Manuel Hagel, ist er konservativer als Strobl?
Brettschneider: Manuel Hagel ist es immerhin gelungen, diese Landtagsfraktion ganz gut aufzustellen und zusammenzuhalten und diszipliniert vorzugehen, auch nicht Opposition innerhalb der Regierung zu spielen, sondern hier eine konstruktive Politik zu machen. Ob er wirklich so viel konservativer ist, weiß ich noch gar nicht. Das wird ihm manchmal angedichtet auch im Zusammenhang mit der Migrationspolitik. Da ist er jetzt nicht so wahnsinnig viel anders als der Ministerpräsident. In gesellschaftspolitischen Fragen müssen wir mal gucken, wie genau seine Profilierung aussehen wird. Das ist noch zu früh zu sagen. Was er vor allem machen muss, ist bekannt werden. Es kennt ihn in Baden-Württemberg bislang kaum jemand. Er muss deutlich machen: Ich bin konstruktiv, ich bin zupackend, ich bin tatkräftig, und ich habe eine Vorstellung davon, wo die CDU hin soll.
SWR: Hagel ist erst 35 Jahre alt - ist das ein Problem im Land?
Brettschneider: Das Alter ist vor allem im Kontrast zu Winfried Kretschmann ein Problem. Wenn die beiden nebeneinanderstehen, ist ein deutlicher Altersunterschied erkennbar. Auf der anderen Seite werden die Karten neu gemischt, und wir wissen nicht, wer bei den Grünen antreten wird und wie alt da der Kandidat oder die Kandidatin sein wird. Ich glaube, es geht eher um Erfahrungen als um das Alter. Und was die Erfahrung betrifft: In der Landespolitik kann er ja schon ganz schön viel vorweisen für das Alter.
SWR: Ist Hagel eher ein Kandidat des ländlichen Raums?
Brettschneider: Ja, Manuel Hagel ist schon eher ein Kandidat des ländlichen Raums. Ein Problem ist das für die CDU allerdings nicht, weil es eher interpretiert werden kann als heimatverbunden, als nah an den Bürgerinnen und Bürgern und nicht als abgehoben, nicht als jemand, der jetzt sehr intellektuell ein städtisches Milieu anspricht. Insofern hat das schon auch was mit Grundwurzeln der CDU zu tun. Denken wir nur an Erwin Teufel beispielsweise, er ist nicht Günther Oettinger, und er ist nicht Lothar Späth, aber von seinen Positionen her zu Modernisierung und technologischem Fortschritt knüpft er auch an die an. Insofern kann das eine ganz erfolgreiche Mischung sein.
SWR: Wie würde denn ein Duell Hagel gegen Cem Özdemir, den grünen Bundeslandwirtschaftsminister, ausgehen?
Brettschneider: Promi gegen Nicht-Promi, Bundesimport gegen Landesgewächs, das ist eine spannende Kombination mit unklarem Ausgang, wer da die Nase vorne hat. Und dann kommt es ja nicht nur auf die Kandidaten an, sondern es kommt dann auch auf die Parteien an. Es kommt darauf an, wie die Bundestagswahl vorher ausgeht, die findet vor der Landtagswahl statt. Da spielen viele Faktoren noch rein: Welche Themen sind dann gerade wichtig? Der Kandidatenaspekt ist wahrscheinlich ein kleines bisschen unwichtiger als in den vergangenen Jahren. Wir haben keinen Amtsinhaber, der antreten wird, sondern da werden sich Menschen ein bisschen stärker an den Parteien orientieren und nicht nur an den Kandidaten.
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SWR: Sehen wir angesichts der Umfragen schon eine Trendwende weg von den Grünen, hin zu den Konservativen?
Brettschneider: Für die Grünen ist es doppelt schwer. Sie haben einerseits den Abgang von Kretschmann und sie haben andererseits ein thematisches Umfeld, das alles andere als günstig ist. Das Tief nach dem Gebäudeenergiegesetz auf Bundesebene und die Bedeutungszunahme des Migrationsthemas ist für die Grünen eher ungünstig. All das spielt ihnen im Augenblick nicht in die Karten, auch in Baden-Württemberg nicht. Da liegt Baden-Württemberg immer noch über dem Bundesdurchschnitt, aber weit entfernt von den großen Erfolgen bei den letzten Landtagswahlen. Das kann sich aber auch ganz schnell wieder ändern, wenn beispielsweise das Thema Erderwärmung und Klimawandel wieder eine größere Bedeutung gewinnt in der öffentlichen Wahrnehmung, dann profitieren davon wieder die Grünen. Da ist es noch viel zu früh zu sagen, wie das in zweieinhalb Jahren ausgehen wird.
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