Zweieinhalb Jahre ist die letzte Landtagswahl in Baden-Württemberg her. Zur Halbzeit ziehen die Fraktionen von Grünen und CDU Bilanz. Aus der Opposition kommt Kritik.
Knapp zweieinhalb Jahre nach der Landtagswahl haben sich die Fraktionsspitzen der grün-schwarzen Regierungskoalition selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt. "Wir haben in den letzten Jahren Baden-Württemberg erneuert, Baden-Württemberg vorangebracht", sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz am Montag in Stuttgart. Sein CDU-Kollege Manuel Hagel sagte: "Diese Koalition ist auf dem richtigen Weg. Wir haben viel geschafft, sind aber noch lange nicht fertig."
Neues Wahlrecht in Baden-Württemberg
Als Erfolge führten die Fraktionschefs die Förderung von Forschung und Entwicklung, das neue Kommunalwahlrecht und die Schaffung von mehr Leitungszeit an Schulen an. Mit dieser sollen Schulleitungen mehr Zeit für Ihre organisatorischen Aufgaben erhalten. Eine Änderung gibt es auch für befristet angestellte Lehrkräfte: Sie werden seit diesem Jahr über die Sommerferien bezahlt und nicht mehr in die Arbeitslosigkeit entlassen. Seit Mai 2022 gilt in Baden-Württemberg außerdem die Photovoltaik-Pflicht für Neubauten. So will die Landesregierung Treibhausgase reduzieren.
Neben der Änderung im Kommunalwahlrecht wurde in den vergangenen zweieinhalb Jahren auch das Landtagswahlrecht überarbeitet. Bei der nächsten Landtagswahl 2026 darf schon mit 16 Jahren gewählt werden. Zudem gibt es zwei Stimmen wie bei der Bundestagswahl.
Abgeschlagen beim Klimaschutz - Nachholbedarf bei Mobilität
Beim Thema Klimaschutz bleibt die grün-schwarze Regierungskoalition dagegen weit entfernt von ihren Zielen. 1.000 neue Windräder sollten bis zum Ende der Legislaturperiode entstehen - zur Halbzeit sind es gerade mal 50. Dennoch zeigten sich die Fraktionschefs mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zufrieden. Bei der Windkraft habe man eine Kehrtwende eingeleitet. "400 Anlagen befinden sich im Planungs- und Genehmigungsprozess. Da ist richtig viel passiert", sagte Schwarz.
Auch beim Thema Mobilität besteht zur Halbzeit der Wahlperiode noch Nachholbedarf. Bis 2030 sollen doppelt so viele Menschen Busse und Bahnen nutzen wie vor zehn Jahren. Das wurde als Leitbild im Koalitionsvertrag festgelegt. Tatsächlich ist die Zahl der ÖPNV-Nutzer in Baden-Württemberg seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor 12 Jahren jedoch um 12 Prozent zurückgegangen.
Heftige Kritik aus der Opposition
Die Opposition im baden-württembergischen Landtag hat mit scharfer Kritik auf die Halbzeitbilanz der Regierungsfraktionen reagiert. Unterlassene Regierungsleistung wirft SPD-Fraktionschef Andreas Stoch der grün-schwarzen Koalition vor. Die eigene Bilanz werde schöngeredet, tatsächlich sei die Landesregierung stark im Wollen und schlecht im Handeln, etwa bei der Bekämpfung von Wohnungsnot oder dem Ausbau der frühkindlichen Bildung.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte dem SWR, auf den wesentlichen Feldern der Landespolitik gebe es nicht viel zu loben. In der Bildungspolitik schaue die grün-schwarze Koalition dem Niedergang zu statt zu handeln. Er fordert die Rückkehr von G9 und der verbindlichen Grundschulempfehlung. Zudem passiere beim Bürokratieabbau nichts. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Anton Baron verweist auf den Absturz in Bildungs-Rankings. Es sei ihm schleierhaft, wie sich die grün-schwarze Koalition selbst feiern könne.
BUND: Es fehlt der nötige Biss
Kritik kam auch vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die Koalition habe sich viel vorgenommen, die Umsetzung lasse aber auf sich warten, hieß es. "Besonders in Sachen Verkehrswende und Flächenschutz fehlt der nötige Biss", sagte Landeschefin Sylvia Pilarsky-Grosch. Auch die Gewerkschaften nannten klare Aufgaben für die zweite Hälfte der Legislaturperiode: "Der Fachkräftemangel, die Defizite im Bildungswesen und die Wohnungsknappheit haben sich seit dem Start der Landesregierung verschärft", sagte der Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Kai Burmeister. Darauf müsse Grün-Schwarz reagieren.
CDU-Fraktionschef äußert sich zu Kretschmann
Unterdessen überschattet eine Aussage von Manuel Hagel den gemeinsamen Termin der beiden Fraktionschefs. In einem Interview mit der "Schwäbischen Zeitung" hatte er Ende vergangener Woche gesagt, die CDU wolle keinen anderen Grünen-Politiker zum Ministerpräsidenten wählen, sollte Winfried Kretschmann sein Amt vor Ende der laufenden Legislaturperiode niederlegen.
Eine Ministerpräsidentenwahl "aus Gründen des reinen grünen Machterhalts" sei für die CDU keine Option, sagte Hagel. "In einem solchen Fall sehe ich mit uns in dieser Legislatur keine Mehrheit für einen anderen grünen Ministerpräsidenten." Es sei kein Geheimnis, "dass grüne Parteistrategen in Berlin seit Monaten darüber nachdenken, wie sie die Macht für die Grünen in der Zeit nach Kretschmann sichern können", sagte Hagel. Für die CDU sei Kretschmann aber die Grundlage der Koalition. "Er hat den Menschen im Land vor der Wahl versprochen, fünf Jahre zur Verfügung zu stehen", sagte Hagel. Seiner Erfahrung zufolge sei auf Kretschmanns Wort auch Verlass.
Grüne: "Aktuelle Themen im Vordergrund"
Die Grünen pochten daraufhin auf Vertragstreue der CDU. "Der Koalitionsvertrag ist zwischen den Parteien für fünf Jahre geschlossen und regelt eindeutig, welche Seite den Ministerpräsidenten stellt", erklärte eine Sprecherin der Landtagsfraktion auf Anfrage. "Ministerpräsident Kretschmann hat stets betont, dass er für die gesamte Legislaturperiode zur Verfügung steht. Das gilt weiterhin." Für die Grünen stünden ohnehin die aktuellen Themen im Vordergrund.
Grüne und CDU stellen seit 2016 gemeinsam die Landesregierung in Baden-Württemberg. Nach der Landtagswahl im März 2021, bei der die Grünen mit 32,6 Prozent der Stimmen deutlich vor der CDU mit 24,1 Prozent gelandet waren, entschieden sich die Parteien für eine Neuauflage von Grün-Schwarz. Die aktuelle Landesregierung ist seit dem 12. Mai 2021 im Amt. Die reguläre Wahlperiode geht noch bis März 2026.