Harte Kritik vom Normenkontrollrat BW

Überflüssig und teuer? Gesetz gegen Diskriminierung fällt bei Bürokratie-TÜV durch

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Bürger sollen sich nach Plänen der Grünen in Baden-Württemberg künftig leichter gegen Diskriminierung durch Behörden wehren können. Der Normenkontrollrat rät allerdings dringend von dem Vorhaben ab.

Die politische Front gegen das geplante Gleichbehandlungsgesetz in Baden-Württemberg wird immer breiter. Der baden-württembergische Normenkontrollrat (NKR) hält das vor allem von den Grünen vorangetriebene Gesetz gegen Diskriminierung durch Behörden für überflüssig - zudem werde neue, teure Bürokratie aufgebaut. "Der NKR empfiehlt der Landesregierung dringend, vom Regelungsvorhaben Abstand zu nehmen", heißt es in der Stellungnahme des Expertengremiums, die dem SWR vorliegt.

Kritik des Normenkontrollrats bestärkt Kommunen und CDU

Angesichts der bestehenden Gesetze und Normen sehe der Rat "keinen Regelungsbedarf für ein Gleichbehandlungsgesetz". Vorsitzender des unabhängigen Gremiums, das die Landesregierung beim Abbau von Bürokratie beraten soll, ist der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). Die harte Kritik bestärkt auch die kommunalen Landesverbände und Teile der CDU-Fraktion, die das Vorhaben ablehnen.

Recht auf Gleichbehandlung bei Finanzamt und Ausländerbehörde

Nach den Plänen der grün-schwarzen Landesregierung sollen sich Bürgerinnen und Bürger künftig leichter gegen eine Benachteiligung durch Behörden wehren können. Mitte Dezember hatte der Ministerrat den ersten Entwurf aus dem CDU-geführten Innenministerium gebilligt. Das Vorhaben war auf Drängen des linken Flügels der Grünen im Koalitionsvertrag gelandet.

Danach soll das Recht auf Gleichbehandlung auch beim Finanzamt, in der Ausländerbehörde oder auf dem Polizeirevier gelten. Damit würde das Land das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ergänzen, das auf den privaten Bereich zielt - wie etwa die Gleichbehandlung bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz.

Es geht um ein zentrales Versprechen, das unser Grundgesetz allen Menschen in Deutschland gibt: Nämlich, dass niemand aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion, Sprache oder anderen Merkmalen benachteiligt werden darf.

Nach der Anhörung der Verbände wertet derzeit das Sozialministerium - welches das Gesetz nun betreut - die Stellungnahmen aus. Gewerkschaften und Sozialverbände stehen hinter dem Gesetzentwurf, der auf Initiative von Grünen-Fraktionsvize und Innenexperte Oliver Hildenbrand zurückgeht.

Expertengremium warnt vor "Generalverdacht" gegenüber Verwaltung

Der Normenkontrollrat, der quasi für den Bürokratie-TÜV im Land zuständig ist, rät dringend davon ab, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung "einem solchen Rechtsregime zu unterwerfen". Das Gremium schreibt in seiner Stellungnahme: "Nach Ansicht des NKR stellen die geplanten Regelungen die gesamte Verwaltungstätigkeit des öffentlichen Dienstes unter einen Generalverdacht der diskriminierenden Amtsausführung."

Sobald ein Sachverhalt anders behandelt werde als ein ähnlich gelagerter - aus welchem Grund auch immer - sei schon der "Anscheinsbeweis einer Diskriminierung erfüllt". Dann müssten Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes den "Gegenbeweis" antreten und ihre "Unschuld" beweisen. Der Rat sei der Überzeugung, "dass Verwaltungshandeln in Baden-Württemberg grundsätzlich rechtmäßig und nichtdiskriminierend erfolgt". Wo dies in Einzelfällen anders sei, griffen die schon ausreichenden rechtsstaatlichen Möglichkeiten.

Anspruch auf Schadenersatz bei Diskriminierung geplant

Durch das Gesetz bekämen die Betroffenen erstmals einen gesetzlich verankerten Schadens- und Schmerzensgeldanspruch, wenn sie durch eine Behörde oder öffentliche Stelle diskriminiert werden. Dabei soll es eine sogenannte Beweislast-Erleichterung geben. Das heißt, wenn es klare Indizien für eine Benachteiligung gibt, muss die Behörde nachweisen, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat. Anders als etwa im Land Berlin soll es aber kein Verbandsklagerecht und auch keine Beweislastumkehr geben.

Die Regelung [hat] das Potenzial, ganze Bereiche öffentlichen Wirkens zu schwächen, die bislang gut funktioniert haben.

Hildenbrand von den Grünen verteidigte das Vorhaben vehement. "Es geht um ein zentrales Versprechen, das unser Grundgesetz allen Menschen in Deutschland gibt: Nämlich, dass niemand aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion, Sprache oder anderen Merkmalen benachteiligt werden darf", sagte der Grünen-Politiker dem SWR.

Grünen-Politiker: Gesetz soll Vertrauen zwischen Bürger und staatlichen Stellen stärken

Man wolle eine Lücke beim Schutz vor Diskriminierung schließen. "Wir stärken damit eine Kultur des respektvollen Miteinanders und festigen das Vertrauen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und staatlichen Stellen."

Den Vorwurf, dadurch entstehe neue Bürokratie, wies er zurück: "Das neue Gesetz wird nur dann für Arbeit in den Kommunen sorgen, wenn es dort Verstöße gegen das Prinzip der Gleichbehandlung gibt. Wenn dort also alles in Ordnung ist, wird es auch keinen großen bürokratischen Aufwand geben."

Normenkontrollrat kritisiert: Gesetz geht über Verwaltung hinaus

Der Normenkontrollrat kritisiert, dass nicht nur die öffentliche Verwaltung von dem Gesetz betroffen wäre, sondern auch sogenannte "Beliehene". Damit gemeint sind zum Beispiel Schornsteinfeger, die im Auftrag des Staates hoheitliche Aufgaben übernehmen. "Hinzu kommt die ebenfalls geregelte Beweislasterleichterung zugunsten einer sich benachteiligt fühlenden Person. In dieser Verbindung hat die Regelung das Potenzial, ganze Bereiche öffentlichen Wirkens zu schwächen, die bislang gut funktioniert haben." Das Gremium schreibt weiter: "Jeder und jede beliehen Tätige muss die Sorge haben, der Ungleichbehandlung bezichtigt zu werden und sich dann proaktiv zur Wehr setzen zu müssen."

Der Expertenrat warnt zudem, mit der Einrichtung einer zusätzlichen Ombudsstelle bei der bestehenden Antidiskriminierungsstelle und der vorgesehenen jährlichen Berichtspflicht würden weitere Bürokratie aufgebaut, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sei.

Normenkontrollrat fordert Probezeit für Gesetz in der Landesverwaltung

Sollte die Landesregierung trotzdem an dem Gesetz festhalten wollen, empfiehlt das Gremium um Salomon, "das Gleichbehandlungsgesetz zunächst befristet auf zwei Jahre probeweise und ausschließlich für die Landesverwaltung einzuführen". Damit wären die Kommunen erst mal davon befreit. Nach den zwei Jahre könne man die Wirkung des Gesetzes überprüfen und überlegen, ob man es auf die Verwaltung von Städten, Gemeinden und Kreise ausweitet. 

Städte-, Gemeinde- und Landkreistag forderten die Landesregierung am Freitag auf, "den Gesetzentwurf vor der zweiten Beratung im Ministerrat zu korrigieren und die Vorschläge des Normenkontrollrats aufzugreifen". Es gelte, was der französische Staatsphilosoph Montesquieu schon im 18. Jahrhundert geschrieben habe: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen."

Kommunen warnen vor "Amerikanisierung" des deutschen Rechts

Die Kommunen selbst machen seit Monaten massiv Front gegen das geplante Gleichbehandlungsgesetz und fordern, dass sie von dem Gesetz ausgenommen werden. Städte-, Gemeinde- und Landkreistag warnen vor bürokratischem Mehraufwand für Behörden. Die Folge: "Entscheidungswege innerhalb der Verwaltungen würden nochmals verlängert und erschwert."

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Bürger sollen sich künftig leichter gegen eine Benachteiligung durch Behörden wehren können. Die Kommunen sind dagegen und warnen vor einer "Amerikanisierung" des deutschen Rechts.

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Das dürfe Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf keinen Fall zulassen, schließlich sei es das Ziel der Entlastungsallianz von Landesregierung, Kommunen und Wirtschaft, die Menschen von Bürokratie zu befreien. Wenn es nun erleichtert werde, gegen Behörden vorzugehen, leiste man einer "Amerikanisierung" des deutschen Rechts Vorschub.

Die Kommunen befürchten zudem, Gegnerinnen und Gegner der Demokratie könnten die neuen Regelungen missbrauchen, um Verwaltungen mit ihren Beschwerden verstärkt lahmzulegen. "Was früher als Querulanten bezeichnet wurde, sind heute immer häufiger und in immer größerer Zahl Reichsbürger und Verfassungsfeinde."

CDU-Minister warnt vor "Bürokratiemonster"

Auch beim Koalitionspartner CDU gab es von Anfang große Skepsis. Sie hatte nach der Wahlniederlage 2021 akzeptiert, dass solche Pläne im Koalitionsvertrag verankert werden. Doch auch in der CDU wird das geplante Gesetz offen infrage gestellt. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) warnte zum Beispiel vor einem "Bürokratiemonster". Auch Winfried Mack, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, meinte, noch mehr Bürokratie und Schwergang könne man sich nicht leisten.

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