Die Landesregierung will in Baden-Württemberg Bürokratie abbauen. Dabei soll Freiburgs ehemaliger Oberbürgermeister Salomon (Grüne) helfen. Doch schon jetzt gibt es Kritik.
Der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) soll als neuer Vorsitzender des Normenkontrollrats für weniger Bürokratie in Baden-Württemberg sorgen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete den 63-Jährigen am Dienstag als "Idealbesetzung". "Er weiß, wo Wirtschaft, Verwaltung und Privatpersonen durch Bürokratie belastet sind", sagte der Grünen-Politiker.
Und der Abbau von Bürokratie wird immer mehr zur drängenden Aufgabe. So sieht der baden-württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) in der Bürokratie "schlicht ein Geschäftsrisiko für unsere Betriebe". Die Unternehmen litten über alle Branchen hinweg tagtäglich unter einer Flut an bürokratischen Auflagen. "So arbeitet beispielsweise ein typisches mittelständisches Unternehmen im Gastgewerbe 14 Stunden wöchentlich, nur um Bürokratiepflichten zu erfüllen", sagte der BWIHK-Vizepräsident Thomas Conrady.
Langes Verfahren, Irritationen bei Besetzung
Salomon, Parteifreund Kretschmanns, ist seit 2019 Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK). Mit seiner Ernennung zum Vorsitzenden endet eine Hängepartie. Die anstehende Wahl Salomons war bereits im vergangenen März bekannt geworden, zuletzt hatte er es sogar in einem Gespräch mit den "Stuttgarter Nachrichten" selbst als "irritierend" bezeichnet, dass er seine Aufgabe bislang noch nicht habe antreten können. Das hingezogene Verfahren könnte darauf hindeuten, dass sich Grüne und CDU nur mit Mühe über die Aufgaben und die Vorgehensweise des Beratungsgremiums einigen konnten.
Normenkontrollrat: Unabhängiges Gremium zum Bürokratieabbau
Der Normenkontrollrat war 2018 von der Landesregierung eingesetzt worden, um die Politik als unabhängiges Expertengremium beim Abbau von Bürokratie zu unterstützen. Er soll als Beratungsgremium Hinweise an die Landesregierung geben, wo und wie Vorschriften abgebaut und Prozesse vereinfacht werden können. Bis Ende des vergangenen Jahres leitete die frühere CDU-Landtagsabgeordnete Gisela Meister-Scheufelen das Gremium. Deren Amtszeit war nicht verlängert worden. Das hatte große Kritik ausgelöst.
Salomon, der sich mit Meister-Scheufelen bereits ausgetauscht hat, drängt vor allem zur Eile: "Ich glaube bei allen Unkenrufen von Leuten, die sagen, da kommt nichts bei raus, dass da etwas rauskommen muss. Das geht nicht anders, weil sonst können wir uns abmelden", sagte der frühere Landes- und Kommunalpolitiker, der trotz des neuen Ehrenamtes nicht in die Politik zurückkehren will. Dennoch warnte Salomon vor zu hohen Erwartungen:
Kretschmann will weniger Kontrolle, mehr Vertrauen
Die überbordende Bürokratie und die Masse an Vorgaben und Vorschriften ist Regierungschef Kretschmann ein besonderer Dorn im Auge. Aus seiner Sicht braucht es einen Kulturwandel weg von der Kontrolle und hin zu mehr Vertrauen. Man könne an der Kontrolle vieler Regelungen auch gar nicht mehr festhalten, weil schlicht das Personal dafür fehle.
"Diese Landesregierung geht den Abbau von unnötiger und überflüssiger Bürokratie wirklich sehr kraftvoll an", sagte Kretschmann, der das Thema in der laufenden Legislaturperiode noch einmal als Schwerpunkt setzen will. Allerdings gab er in diesem Zusammenhang auch zu:
Doch sei der Abbau von Bürokratie eine "Pflichtaufgabe", bei der man erfolgreich sein müsse. Dabei sieht Kretschmann nicht nur die Politik und den Normenkontrollrat in der Pflicht. Auch die Bürgerinnen und Bürger seien gefordert: "Es geht nicht nur durch die Politik. Es geht nur mit der Bürgerschaft."
Kritik am Normenkontrollrat von AfD und FDP
Die Opposition wirft der grün-schwarzen Regierung hingegen vor, zu lange gewartet und die neue Besetzung hinausgezögert zu haben. "Bürokratieabbau ist für sie nur ein Lippenbekenntnis, aber kein Handlungsauftrag", kritisierte der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Für die AfD bezeichnete deren Fraktionschef Anton Baron den Normenkontrollrat als "zahnlosen Tiger", weil letztlich die Regierung entscheide.
Landesregierung, Kommunen und Wirtschaftsverbände hatten sich erst vor kurzem auf eine Allianz zum Bürokratieabbau geeinigt sowie auf Eckpunkte zur Entschlackung von Vorschriften und Regulierungen. Ministerien sollen Vorschläge dazu erarbeiten, wo bürokratische Hürden abgebaut werden können. Der Normenkontrollrat soll dabei eng eingebunden werden.
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