Wer in Pforzheim, Reutlingen oder Heilbronn den Wasserhahn öffnet, erhält oft Bodenseewasser. Seit 1954 liefert der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung das lebenswichtige Nass. Und rüstet sich gegen den Klimawandel.
Im Quellbecken des Wasserwerks auf dem Sipplinger Berg im Bodenseekreis sprudeln die Wassermassen aus dem Grund. Noch eine halbe Stunde zuvor befand sich das Wasser im Bodensee – knapp 300 Meter weiter unten. Von dem riesigen Quellbecken aus wird es in sogenannte Mikrosiebtrommeln geleitet. Diese Mikrosiebe sind so hauchdünn und fein, dass sie sich fast wie eine glatte, geschlossene Oberfläche anfühlen. In dem Wasserwerk oberhalb von Sipplingen durchläuft das Wasser verschiedene Filtrationsstufen, am Ende erhält man sauberes, klares Wasser.
Trinkwasser aus dem Bodensee für rund vier Millionen Menschen in BW
Das Wasserwerk in Sipplingen bei Überlingen am Bodensee ist Dreh- und Angelpunkt der Wasserversorgung für Baden-Württemberg. Bis zu eine Woche braucht das Wasser, das vom Bodensee durch mehr als 1.700 Kilometer Leitungen bis in den Norden Baden-Württembergs fließt. Etwa vier Millionen Menschen im Land werden so mit Trinkwasser versorgt.
Den Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung gründeten vor 70 Jahren 13 Städte mit der Absicht, den von Wassermangel gezeichneten Norden Baden-Württembergs mit Trinkwasser zu beliefern. In den vergangenen 70 Jahren ist das auch gut gegangen, doch in Zukunft stehen einige Veränderungen an.
Auch bei der Bodensee-Wasserversorgung macht sich der Klimawandel bemerkbar. In den letzten Jahren ist der Wasserbedarf der Verbandsmitglieder vor allem in den heißen und trockenen Sommermonaten gestiegen. Der Zweckverband geht davon aus, dass der Verbrauch in Zukunft weiter steigen wird.
Trinkwasser aus dem Bodensee soll auch in Zukunft sicher sein
Aus diesem Grund hat die Bodensee-Wasserversorgung das Projekt "Zukunftsquelle" ins Leben gerufen. Dieses Projekt soll eine ausreichende Wasserversorgung auch in Zukunft gewährleisten.
Geplant ist der Bau eines weiteren Pumpwerks zwischen Sipplingen und Ludwighafen, ein paar Kilometer vom Wasserwerk auf dem Sipplinger Berg entfernt. Durch diese zweite Wasserentnahmestelle hofft der Verband, seinen Mitgliedern – und nach einem optionalen Ausbau der bestehenden Pumpstation auch neuen Mitgliedern – künftig eine sichere Versorgung mit Bodenseewasser bieten zu können.
Invasive Quagga-Muschel macht der Trinkwasserversorgung Probleme
Die Investitionen des Projekts "Zukunftsquelle" sollen auch gegen die invasive Quagga-Muschel helfen. Die hatte sich vor gut zehn Jahren im Bodensee eingenistet. Welche Ausmaße die Population hier annehmen könnte, zeigt ein Blick auf die Great Lakes in Nordamerika. Dort ist die Quagga-Muschel etwa 15 Jahre früher aufgetaucht – mittlerweile macht sie im Michigansee gut 95 Prozent der Biomasse aus.
Quagga-Muschel im Bodensee: "Wenn man sie hat, wird man sie nicht mehr los"
Im Wasserwerk am Bodensee heften sich die Muscheln an die Rohrleitungen an, Milliarden von Larven finden ihren Weg in die Aufbereitungsanlagen. Dagegen will die Bodensee-Wasserversorgung mit einem neuen Filtrationsverfahren vorgehen. Durch diese sogenannte Ultrafiltration sollen die Muschellarven aus dem Wasserwerk herausgehalten werden.
Projekt "Zukunftsquelle" soll 2046 fertig sein
Die Planungen sind derzeit in vollem Gange. Im Jahr 2026 soll laut technischem Geschäftsführer Christoph Jeromin das Vorhaben umgesetzt werden. Die Kosten liegen bei ungefähr 4,6 Milliarden Euro, deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren geschätzt. Fertig sein soll das Projekt um das Jahr 2046, dann aber verspricht sich Jeromin eine positive Zukunft.
Die Gefahr, dass durch die zusätzliche Wasserentnahme der Bodensee auf lange Sicht leergetrunken werde, besteht aber nicht, denn allein die Entnahmemenge von etwa 135.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr macht gerade einmal ein Prozent der Menge aus, die aus dem Alpenrhein zufließt. Der Bodensee wird also auf lange Sicht nicht einfach so verschwinden. Und die Millionen Menschen, die auf ihn angewiesen sind, können sich weiterhin auf ihn verlassen.
Trinkwasser aus dem Bodensee: Insgesamt 16 Pumpwerke gibt es
Die Bodensee-Wasserversorgung in Sipplingen ist mit Abstand der größte Abnehmer von Trinkwasser aus dem Bodensee. Aber es gibt rund um den See 15 weitere Wasserwerke mit eigenen Pumpstationen.
Die Stadt Lindau beispielsweise verwendet Trinkwasser aus dem Bodensee, das im Seepumpwerk Nonnenhorn entnommen wird. Konstanz pumpt seit mehr als 110 Jahren Wasser aus dem Überlinger See und versorgt auch die Gemeinde Reichenau und die Insel Mainau damit. Auch die Menschen in Friedrichshafen trinken Wasser aus dem Bodensee, das nicht über Sipplingen kommt.
Andere seenahe Gemeinden kommen ohne Bodenseewasser aus. So verwendet Überlingen-Nußdorf - obwohl direkt am See gelegen - beispielsweise kühles Nass aus Tiefbrunnen. Auch die Gemeinde Gaienhofen am Untersee (Kreis Konstanz) setzt auf vier Quellen und fünf Tiefbrunnen für das Trinkwasser. Und in Vorarlberg wird gar kein Trinkwasser aus dem Bodensee entnommen. Hier verwenden die Kommunen ausschließlich Wasser aus Quellen und Flüssen.
"Südwest braucht Wasser": Die Entstehung der Bodensee-Wasserversorgung
Drei Personen waren laut Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BWV) wesentlich an dessen Planung beteiligt: der frühere Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett, der Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen, Oskar Kalbfell, und der Generaldirektor der Technischen Werke Stuttgart, Heinrich Kaun. Ihr Ziel war es, eine dauerhafte Lösung für den Wassermangel im damaligen Württemberg und Baden zu finden.
Der Vorschlag, den Bodensee zur Trinkwasserversorgung zu verwenden, kam im Jahr 1953 auf, am 25. Oktober 1954 gründete sich schließlich der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung mit 13 teilnehmenden Städten und Gemeinden. Ihr Motto: "Südwest braucht Wasser".
Der Verband benötigte aber noch die rechtliche Erlaubnis, Wasser aus dem Bodensee zu entnehmen. Im Juli 1970 erhielt er die wasserrechtliche Bewilligung für eine Entnahme von maximal 670.000 Kubikmeter Wasser am Tag. Diese Menge sei seither ausreichend für die sichere Trinkwasserversorgung der Menschen in Baden-Württemberg, so die BWV.
Der Südwestfunk (SWF) berichtete in der "Abendschau" aus dem Jahr 1969 im Zusammenhang mit dem Bodenseepfennig über die Bodensee-Wassserversorgung:
Giftanschlag auf die Wasserversorgung am Bodensee
Im Jahr November 2005 machte die Bodensee-Wasserversorgung nach einem Giftanschlag landesweit Schlagzeilen. Der Täter versenkte zwei Kanister mit Pflanzenschutzmitteln bei der Wasser-Entnahmestelle in Sipplingen. Wegen des enormen Verdünnungseffekts ließen sich aber nur unbedenkliche Spuren nachweisen. Für die Bevölkerung habe zu keiner Zeit Gefahr bestanden, teilten die Behörden damals mit. Im Dezember 2005 wurde erneut ein Giftkanister gefunden. Eine 50-köpfige Sonderkommission ermittelte – der Täter wurde aber nie gefunden.
Seitdem wird das Gebiet von Kameras und Radar überwacht und es werden ausgeklügelte Analysemethoden eingesetzt, um Verunreinigungen rechtzeitig aufzudecken.
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