Nach den Bauernprotesten mit Tausenden Teilnehmern wundert sich Ministerpräsident Kretschmann über die Schärfe der Proteste. Auch andere Politiker appellieren, Grenzen einzuhalten.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich erstaunt über die Schärfe der Bauernproteste gezeigt. Er sei verwundert darüber, dass die Landwirtinnen und Landwirte nicht auf die Zugeständnisse der Bundesregierung reagiert hätten, sagte er am Dienstag in Stuttgart. "Das ist ja ein ungewöhnlicher Schritt, dass die Bundesregierung in ganz erheblichem Ausmaß ihre Vorhaben zurückgenommen hat."
Kretschmann sprach von einer "deutlichen Abmilderung" der ursprünglichen Beschlüsse. Man habe Kompromisse machen müssen. Dass die Bundesregierung der Forderung der Bauern nach einer vollständigen Rücknahme der geplanten Einschnitte nachkommen wird, glaubt Kretschmann nicht. "Ich sehe nicht, dass die Bundesregierung da weitere Schritte gehen wird."
Rund 33.000 Fahrzeuge waren bei Bauern-Protesten in BW dabei
Die Proteste der Landwirte richten sich gegen die Pläne der Bundesregierung, die Steuervergünstigung für Agrar-Diesel auslaufen zu lassen. Die Subvention soll schrittweise wegfallen und ab 2026 gar nicht mehr gezahlt werden. Ein weiterer Vorschlag, die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen zu kippen, ist inzwischen vom Tisch.
Am Montag hatten nach Angaben des Innenministeriums Bäuerinnen und Bauern mit rund 33.000 Fahrzeugen bei 389 Aktionen demonstriert. Die Proteste seien weitgehend friedlich und störungsfrei verlaufen. Vereinzelt kam es zu Blockaden, bei denen neben landwirtschaftlichen Fahrzeugen auch Baucontainer, Strohballen und Misthaufen verwendet wurden. Es sei landesweit auf vielen Straßen zu starken Verkehrsbehinderungen gekommen.
Kretschmann besorgt über immer radikaler werdende Proteste
Ministerpräsident Kretschmann rief dazu auf, die Privatsphäre von Politikerinnen und Politikern zu achten. Man dürfe Politiker nicht in ihrem Privatleben attackieren, sagte er mit Blick auf Demonstranten, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Verlassen einer Fähre gehindert hatten. "Demonstrationen vor Privatwohnungen gehen überhaupt nicht. Minister in ihrem Urlaub zu beharken, geht überhaupt nicht", sagte er. Jeder müsse die Privatsphäre des anderen respektieren, sonst laufe "wirklich was aus dem Ruder".
Er zeigte sich zudem besorgt, dass Demonstrationen immer radikaler werden. "Ich mache mir persönlich Sorgen darum, dass die Militanz zunimmt", sagte Kretschmann in Stuttgart. "Wenn man mit schwerem Gerät demonstriert, stellt das schon Fragen an den Staat." Man müsse überlegen, wie man damit umgehe. Er habe auf diese Fragen noch keine Antworten.
Auch "Querdenker" und "Reichsbürger" Verfassungsschutz: Rechte nutzen Bauernproteste für ihre Zwecke
Bundesweit demonstrieren Landwirte gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung. Der Verfassungsschutz BW stellt bei solchen Demos auch ein Interesse von Extremisten fest.
Bauernprotest bei Özdemir-Besuch im Landkreis Heilbronn
Zu einem weiteren Protest kam es am Dienstagabend in Erlenbach bei Heilbronn. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Ministerpräsident Kretschmann wollten sich dort bei einem Bürgerdialog der Grünen-Landtagsfraktion den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellen. Auch zahlreiche Bäuerinnen und Bauern waren mit Traktoren gekommen, es bildete sich eine lange Kolonne. Ein SWR-Reporter vor Ort berichtete von einer anfänglich aufgeheizten Stimmung.
Vorab hatte ein Polizeisprecher in Heilbronn gesagt, es gebe keine konkreten Hinweise, dass Störungen geplant seien - man sei aber darauf vorbereitet und könnte reagieren.
Hagel kritisiert Kretschmann und Özdemir
Der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel zeigte Verständnis für die Proteste der Bauern und griff die Ampel-Koalition in Berlin an. "Solche für unsere bäuerlichen Familienbetriebe existenziellen Entscheidungen quasi über Nacht zu beschließen, ohne die Beteiligten auch nur zu hören - das geht einfach gar nicht", sagte Hagel dem SWR. Er appellierte jedoch ebenfalls, bei Protesten die Grenzen einzuhalten. Demonstrieren sei für jeden erlaubt, aber es gebe auch Regeln "Und an die muss man sich halten."
Hagel forderte Kretschmann auf, sich in Berlin gegen die Abschaffung der Steuervergünstigung für Agrar-Diesel zu stemmen. "Ich würde mir wünschen, dass sich der Ministerpräsident bei seinen grünen Parteifreunden in Berlin dafür einsetzt, dass die Ampel endlich umkehrt von dieser falschen Politik und endlich auch etwas für unsere Landwirte tut, damit sie sich im internationalen Wettbewerb auch durchsetzen können", so Hagel.
Auch andere Politiker mahnen, Grenzen einzuhalten
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) betonte, dass Landwirtinnen und Landwirte von weiteren Belastungen und Auflagen befreit werden müssten. Die Demonstrationen seien "richtig und angebracht". Allerdings sollten dabei Grenzen eingehalten werden. Gewalt, Bedrohung, illegale und nicht angemeldete Straßenblockaden hätten in einem demokratischen Protest nichts verloren, so Hauk.
Am Dienstag waren nach Angaben des Landesbauernverbands nur regionale Aktionen geplant. Am Morgen gab es nur begrenzt Einschränkungen auf den Straßen. Traktoren blockierten am Dienstagmorgen auf den Bundesstraßen bei Ulm und Biberach mehrere Anschlussstellen, wie die Polizei mitteilte. Im Alb-Donau-Kreis sorgten Aktionen auf der Landstraße 1079 bei Langenau für erhebliche Behinderungen. Weitere Verkehrseinschränkungen in Baden-Württemberg waren zunächst nicht bekannt.
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