Die ARD Doku "10 Jahre Krieg – Wie die Ukraine für ihre Freiheit kämpft" zeigt, dass der Krieg schon vor dem Einmarsch Russlands begonnen hat.
Wenn Ukrainer vom Krieg reden, meinen sie schon die Zeit vor der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim-Halbinsel 2014. Mit den Anfängen zu Zeiten der Maidan-Proteste und ihren schwerwiegenden Folgen beschäftigt sich die neue Doku im Ersten "10 Jahre Krieg – Wie die Ukraine für ihre Freiheit kämpft“. Wir haben darüber mit einem der Autoren gesprochen.
Vasilli Golod – Co-Autor der Doku – ist Leiter des ARD Studios Kiew und selbst in der Ukraine geboren. Als Sohn einer Russin und eines Ukrainers, ist er in Deutschland aufgewachsen.
SWR1: Bei Ihnen fängt der Krieg sogar noch vor dem Einmarsch auf der Krim an. Nämlich damals, als immer und immer wieder tausende Menschen auf dem Maidan – dem zentralen Platz in Kiew – gegen das damalige Regime demonstriert haben. War das wirklich schon Krieg?
Vassili Golod: Es waren Millionen Menschen, die gesagt haben, wir wollen keine Korruption in unserem Land. Wir wollen keine Regierung, die abhängig von Russland ist, sondern wir wollen Unabhängigkeit, wir wollen die europäische Perspektive. Und dafür wurden vor zehn Jahren Menschen auf dem Maidan getötet. Sie haben friedlich protestiert, sie wurden von der damaligen Regierung im Auftrag von Viktor Janukowitsch erschossen und haben ihr Leben für die Freiheit gegeben.
SWR1: Sie haben für Ihren Film unter anderem mit dem Leiter einer Klinik in Frontnähe gesprochen. Wie hat sich für ihn damals der Arbeitsalltag hin zum Krieg verändert?
Golod: Er hat es 2014 das erste Mal, so sagt er, gerochen und gesehen, was Krieg bedeutet. Damals kamen die ersten Soldaten von der Front im Osten der Ukraine in sein Krankenhaus in Nibrow, und er hatte schwerste Verletzungen gesehen.
Inzwischen sind Amputationen Alltag bei ihm im Krankenhaus. Dieses zivile Krankenhaus ist jetzt eine der wichtigsten Aufnahmestationen für Soldatinnen und Soldaten von der Front. Und er sagt, dass das bei ihm auch zu Depressionen geführt hat, weil er dieses viele Sterben einfach schwer ertragen konnte.
SWR1: Zehn Jahre Krieg – wie ist Ihr Eindruck: Sind die Menschen in der Ukraine einfach abgehärtet oder inzwischen auch am Ende ihrer Kräfte?
Golod: Die Menschen sind stark, sie sind resilient. Aber dieser Krieg ist zermürbend. Dieser Krieg macht die Menschen fertig. Sie wollten diesen Krieg nie, sie wollen ihn nicht. Sie verteidigen sich, weil eine imperialistische Diktatur ihre Freiheit, ihre Kultur angreift und ihr Land zerstören will.
Und Menschen, wie der Rapper Yarmak, der eigentlich Künstler ist, verteidigt jetzt sein Land an der Front, weil er sagt, ich möchte nicht, dass Raketen und Drohnen in das Kinderzimmer meiner Tochter fliegen. Ich möchte, dass sie in der Ukraine in einer friedlichen, freien Ukraine aufwachsen kann.
SWR1: Für die Dokumentation haben Sie mit vielen Menschen gesprochen. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Golod: Alle auf ihre Weise. Wenn ich an Michailo Pulichef, einen freiwilligen Helfer, denke, der hat sich nie für Politik interessiert. Der Maidan hat in seinem Leben keine Rolle gespielt. Aber dann wurde seine Heimatstadt Mariupol angegriffen, er war zu dem Zeitpunkt nicht da. Dann hat er sich einen Bulli geschnappt, ist dahin gefahren, wollte seine Mitarbeiter rausholen aus dem ehemaligen Nachtclub, den er geleitet hat.
Er hat dann gesehen, dass da Kinder und Frauen im Keller sind, hat die erst mal rausgefahren. Und seitdem macht er nichts anderes, als Menschen zu helfen. Er fährt an die Front, gräbt Brunnen, damit sich Menschen da duschen können, die unter widrigsten Bedingungen leben. Das ist extrem beeindruckend.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.
ARD Doku: "10 Jahre Krieg – Wie die Ukraine für ihre Freiheit kämpft"
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