Könnte die AfD in Thüringen und Sachsen bei den kommenden Wahlen vom Messerangriff in Solingen profitieren? Politikwissenschaftler Hans Vorländer schätzt die Lage für uns ein.
SWR1: Könnte sich Solingen auf die Wahlergebnisse auswirken?
Prof. Dr. Hans Vorländer: Es kann, es ist aber natürlich nicht sicher, denn das Thema Migration hat früher schon eine große Rolle gespielt. Die AfD ist nicht die einzige Partei, die in den letzten Jahren und auch jetzt vor allem im Wahlkampf gegen die unkontrollierte, ungesteuerte, irreguläre Migration polemisierte. Es ist auch eine Ablehnung der ungesteuerten Migration vom BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht). Und auch der Ministerpräsident Kretschmer in Sachsen hat sich ja deutlich für Kontrollen ausgesprochen.
SWR1: Sie sagen es, das Thema Migration war im Wahlkampf schon vorher eines der wichtigsten. Das ist insofern interessant, weil gerade in Thüringen und Sachsen der Ausländeranteil deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt.
Vorländer: Ja, aber tatsächlich ist es ja so, dass viele über die Grenzen, beispielsweise von Polen oder Tschechien nach Sachsen kommen, genauso wie nach Bayern und, dass das Thema hier natürlich sehr stark beachtet wird und wo viele Menschen sich gegen eine weitere Zuwanderung aussprechen.
SWR1: CDU-Chef Merz hat gestern nach dem Treffen mit Bundeskanzler Scholz auch noch einmal nachgelegt. Wer profitiert davon außer der AfD, offensichtlich das BSW von Sahra Wagenknecht?
Vorländer: Es könnte sein, dass das BSW davon profitiert. Aber es kann auch sein, dass die CDU und Ministerpräsident Kretschmer davon profitieren. Das bleibt abzuwarten. Weil sich aber eben mindestens drei Parteien diesem Thema seit langem angenommen haben, kann sich das sozusagen zu einem Nullsummenspiel auswachsen.
SWR1: Jetzt haben einige auch in beiden Bundesländern schon per Briefwahl abgestimmt. Wie sehr fallen da aktuelle Ereignisse, wie jetzt das Messerattentat von Solingen, überhaupt noch ins Gewicht?
Vorländer: Bei denen, die am Sonntag zur Wahl gehen, und das sind vielleicht in diesem Jahr etwas mehr. Wir wissen immer, dass bei Wahlen, gerade bei diesen, wo es auf jede Stimme ankommt und wo die Verhältnisse vorher in den Umfragen doch sehr unklar sind, sich viele erst in letzter Minute entscheiden und das Kreuz dann dort machen, wo sie glauben, dass sie damit die meiste Wirksamkeit erzielen.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.
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Bei den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat die AfD gute Chancen, stärkste Kraft zu werden. Bereits bei der Europawahl im Mai hat die AfD viel Zuspruch in Ostdeutschland bekommen. Ähnlich das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Forscher des IFO-Wirtschaftsinstituts in Dresden haben Daten der Europawahl ausgewertet und sagen: AfD und BSW haben deswegen so viel Erfolg, weil viele Menschen im Osten sich benachteiligt fühlen.
"Die Menschen haben vor allem viele Zukunftssorgen und die Befürchtung, dass ihre Region auf dem absteigenden Ast ist und dass sie selbst und ihre Familien in Zukunft schlechter dastehen werden", sagt Prof. Marcel Thum, er ist Geschäftsführer vom ifo-Wirtschaftsforschungsinstitut in Dresden.
Allerdings zeigten Studien, dass die Regionen, in denen der AfD-Anteil bei der Europawahl besonders hoch war, nicht zwangsläufig die schwächsten sind. Internationale Untersuchungen belegen laut Thum, dass rechtspopulistische Wähler leicht über dem Durchschnitt leben. "Es ist nicht die Lage, sondern vielmehr ein Gefühl und vielleicht auch eine verzerrte Wahrnehmung." Inwieweit sich diese auch beim Thema Migration bemerkbar macht, erklärt der Geschäftsführer von ifo Dresden im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich.
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