In der südpfälzischen Gemeinde Freisbach sind sowohl der Ortsbürgermeister Peter Gauweiler als auch der Gemeinderat aus Protest gegen die Finanzpolitik im Land zurückgetreten.
Seit dem 15. August 2023 führt Peter Gauweiler nicht mehr die Amtsgeschäfte in der Gemeinde. Im SWR1 Interview spricht er über die Hintergründe und wie es jetzt weitergeht.
SWR1: Das Interesse an der Situation war enorm, oder?
Peter Gauweiler: Es war enorm. Ich wurde sowohl auf der Straße, per Telefon, per Mail, eigentlich über alle möglichen Kanäle auf unseren Rücktritt angesprochen. Nachbarn, Freunde, bekannte und unbekannte Personen haben sich gemeldet, ziehen den Hut und sagen: Respekt!
SWR1: Hat sich der rheinland-pfälzische Innenminister, Michael Ebling, auch bei Ihnen gemeldet?
Gauweiler: Noch nicht. Wahrscheinlich, weil ich nicht mehr im Amt bin. Wir hatten zwar informell mal Besuch von einem Landtagsabgeordneten, der sich die Lage angeschaut hat. Ansonsten keine Rückmeldung, außer entsprechende Interviews dann vom Minister in der Presse oder auch im Rundfunk.
SWR1: In solchen Interviews hat der Minister zum Beispiel gesagt: Brocken hinwerfen löst auch keine Probleme. Was antworten Sie ihm, wenn er Ihnen das direkt ins Gesicht sagen würde?
Gauweiler: Also ich würde ihm sagen, dass ich mich geärgert habe. Es ist nicht meine Art, ein Amt, das ich über 20 Jahre lang mit vollem Herzen ausgeübt habe, einfach hinzuschmeißen oder wie er sagt, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Ich habe es geordnet und so weit geregelt, dass bis zu einer Neuwahl keine Entscheidungen anstehen, die für die Ortsgemeinde wichtig sind.
Wahl im November Überraschung in Freisbach: Gemeinderat will nach Rücktritt wieder antreten
Anfang August ist der Gemeinderat in Freisbach (Kreis Germersheim) aus Protest zurückgetreten. Das hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Aber jetzt will er bei den Neuwahlen wieder antreten.
SWR1: Sie haben es gesagt, Sie waren jahrelang Ortsbürgermeister von Freisbach. Machen Sie sich denn in einem gewissen Punkt Vorwürfe, dass die Gemeinde seit Jahren mehr Geld ausgibt, als sie einnimmt?
Gauweiler: Nein. (...). Wir haben einen Haushalt, der relativ sparsame Ausgaben hat. Ich habe immer versucht, den Haushalt so schlank wie möglich zu halten. Und dann kommt das Land und sagt, Du machst jetzt eine Ganztags-Kita, Du machst jetzt Mittagessen und, und, und. Aber dafür brauche ich Geld.
SWR1: Sie wollten ja auch mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat zusammen etwas bewegen. Sie wollten auf ein Problem aufmerksam machen, oder?
Gauweiler: Wir wollten auf das Problem aufmerksam machen, dass wir, wie alle Kommunen Aufträge des Landes übernehmen. Aufgaben, wie Kita. Und wir sind hier deutlich unterfinanziert. Meine Kita macht ohne Kindergartenneubau 380.000 Euro Minus im Haushalt. Die fehlen mir dann für Aufgaben, die ich eigentlich in der Kommunalverwaltung sehe.
SWR1: 14 der 16 zurückgetretenen Gemeinderatsmitglieder wollen sich ja durchaus wieder zur Wahl stellen. Aber Sie sagen auch, wenn sich nichts ändert, dann werden die gewählten Mitglieder ihr Mandat nicht antreten. Was muss auf die Schnelle passieren?
Gauweiler: Ich kann nicht für alle sprechen. Der Rücktritt, den wir gemacht haben, war nicht aus dem Bauch heraus. Die finanziellen Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Das heißt konkret, dass das Land mehr Geld in den Topf des Finanzausgleichs fließen lassen muss. (...)
Wenn es so bleibt, gibt es für uns keinen Spielraum mehr. Warum sollen sich Ehrenamtliche für etwas einsetzen, wenn sie gar nichts bewegen können? Wir verwalten im Moment Schulden, für die wir nichts können.
SWR1: Im nächsten Jahr ist Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz. Wie schauen Sie darauf?
Gauweiler: Das ist genau das gleiche Problem. Das Problem, was wir haben, das haben im Landkreis bei uns glaube ich schon 38 Kommunen. Der Ehrenamtliche, der sich in seiner Freizeit einbringt, will ja auch irgendwas bewegen. Aktuell kann man aber nur Sachen abnicken, die vorgegeben sind. Eigene Initiativen oder sonstige Maßnahmen finden ja mangels finanzieller Mittel gar nicht mehr statt.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.
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