Streit um unausgeglichenen Haushalt

Freisbach: Gemeindespitze tritt aus Protest zurück

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Ulrike Brandt
SWR Reporterin Ulrike Brandt

Im südpfälzischen Freisbach sind der Ortsbürgermeister und der Gemeinderat geschlossen zurückgetreten. Grund ist ein Streit um den noch nicht genehmigten Haushalt.

Das Interesse in der Gemeinde war groß am Dienstagabend. Nicht nur aus Freisbach, sondern auch aus umliegenden Gemeinden sind die Bürgerinnen und Bürger in die Sport- und Kulturhalle gekommen, um den Rücktritt des Gemeindevorstands zu verfolgen. Auch viele Medienvertreter waren vor Ort.

Der angekündigte Rücktritt des gesamten Gemeinderates hatte ein deutschlandweites Medienecho ausgelöst. Nacheinander erklärten die Ratsmitglieder sich und verkündeten ihren Rücktritt aus dem Gemeinderat. Jedes Mal reagierten die Menschen im Saal mit Beifall. Als letzter ergriff Ortsbürgermeister Peter Gauweiler (parteilos) das Wort.

"Auch als kleines Dorf kann man etwas machen."

Großes Verständnis unter den Besuchern der Gemeinderatssitzung

"Bürgermeister sein macht Spaß. Aber wir können unser Mandat nicht mehr zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger ausüben", sagte Gauweiler. "Über 1.000 Gemeinden im Land haben keinen ausgeglichenen Haushalt. Ich hoffe, dass mehr Kommunen diesen Schritt mitgehen." Dann bedankte sich Gauweiler für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, dankte allen Ratsmitgliedern, die ehrenamtlich tätig waren - und erklärte seinen Rücktritt zum 31. August. "Auch als kleines Dorf kann man etwas machen", sagte er, "ich hoffe, dass dieser Schritt in Mainz angekommen ist." Die Menschen aus Freisbach und Umgehung spendeten stehend Applaus.

Das Haushaltsproblem

Peter Gauweiler war mehr als 20 Jahre Ortsbürgermeister von der 1.200-Einwohner-Gemeinde Freisbach (Kreis Germersheim). Er und die 16 Ratsmitglieder sind frustriert. Für dieses und kommendes Jahr wurde der Finanzhaushalt der Gemeinde von der Kommunalaufsicht noch nicht genehmigt, weil die Ausgaben des Ortes die Einnahmen deutlich übersteigen. Freisbach soll die Steuern anheben, sagt die Kommunalaufsicht.

Doch auch, wenn Freisbach die Abgaben für Bürgerinnen und Bürger deutlich erhöhe, bleibe der Haushalt im Minus. "Ich kann den Bürgern, die dann doppelt zahlen, nicht erklären, warum ich die Kosten erhöhe, wenn sie keinerlei Vorteil davon haben", meinte der 66-jährige Ortsbürgermeister. Ein Großteil der Mehreinnahmen würde wieder an Kreis und Verbandsgemeinde wandern. Er bedauere, dass die Kritik auf taube Ohren stoße.

"Unser Rücktritt soll ein politisches Zeichen sein und ein Hilferuf - stellvertretend für alle Kommunen in Rheinland-Pfalz."

Teufelskreislauf: Pflichtausgaben übersteigen Einnahmen

"Unser Haushalt in Freisbach ist seit vielen Jahre nicht ausgeglichen", sagt Ortsbürgermeister Gauweiler. Das war für die Kommunalaufsicht, die beim Kreis Germersheim angesiedelt ist, kein Problem. Bis jetzt. Die Gemeinde Freisbach plant bislang ein Minus von 1,2 Millionen Euro für dieses und kommendes Jahr – doch die Kommunalaufsicht will einen Haushalt, bei dem sich Einnahmen und Ausgaben die Waage halten.

"Für unsere Pflichtausgaben haben wir eben mehr Kosten, als das, was wir einnehmen", erklärte der Ortsbürgermeister in den vergangenen Wochen unermüdlich. "Und von unseren 1,2 Millionen Euro an Einnahmen bleibt uns sehr wenig. Eine Million geben wir als Umlage weiter an unsere Verbandsgemeinde Lingenfeld und den Kreis Germersheim", so Gauweiler.

Innenministerium stellt Übernahme von Schulden in Aussicht

Vor dem Rücktritt hat das rheinland-pfälzische Innenministerium angekündigt, voraussichtlich eine Million Euro Schulden von Freisbach im Rahmen der Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen zu übernehmen. Das Verfahren dazu laufe noch. Gleichzeitig müsse die Gemeinde auch selbst dazu beitragen, ihren Haushalt zu sanieren.

Städte- und Gemeindebund: Freisbach wird kein Einzelfall bleiben

Viele Gemeinden in Rheinland-Pfalz sind hoch verschuldet. Die Gemeinde Freisbach in der Südpfalz ist die erste mit dieser ungewöhnliche Protest-Aktion. Aber es wird nicht dabei bleiben, schätzt der Städte- und Gemeindebund (GStB) Rheinland-Pfalz. Der GStB fordert: Gemeinde und Städte in Rheinland-Pfalz bräuchten eine deutlich bessere Finanzsituation. Die angekündigten Rücktritte in Freisbach könnten kein Einzelfall bleiben. "Bereits jetzt haben wir die Rückmeldung von immer mehr Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeistern, dass sie aufgrund dieser Umstände nicht mehr bereit sind, bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr für das Amt zur Verfügung zu stehen". 2.260 Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz werden laut Verband von ehrenamtlichen Ortsbürgermeistern geführt.

Unmut über Finanzen auch in anderen Ortsgemeinden

Der Unmut bei den Ortsgemeinden ist groß. So hat die Ortsgemeinde Kerzenheim, nachdem sie gezwungen war, den Hebesatz für die Grundsteuer auf 1.000 Prozent anzuheben und damit nahezu zu verdoppeln, rote Karten drucken lassen und an die Bürgerinnen und Bürger verteilt, damit diese an Innenminister Ebling geschickt werden könnten. Die Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein hat bereits im November 2022 zusammen mit fast allen Ortsgemeinden und Städten einen Brandbrief "Kommunale Selbstverwaltung in Gefahr" an Ministerpräsidentin Dreyer geschrieben.

Wie geht es nach dem Rücktritt weiter?

Noch ist offen, wie es nun nach dem Rücktritt in der Gemeinde weitergeht. Die Gemeinde selbst will nach Aussage einiger Ratsmitglieder, dass es zu Neuwahlen kommt. Zunächst wird allerdings geschaut, wer gegebenenfalls in den Rat nachrücken kann: Alle, die bei der letzten Kommunalwahl angetreten sind, aber nicht in den Rat eingezogen waren, könnten nachrücken, wenn sie das wollen. Auf der Nachrückerliste stehen 18 Namen. "Ich rechne aber nicht damit, dass jemand antritt", sagt der Noch-Bürgermeister Gauweiler.

Mindestens zwölf Nachrücker müsste es geben. Nur dann wäre der Gemeinderat beschlussfähig. Finden sich nicht genug neue Ratsmitglieder, dann müssen innerhalb von drei Monaten Neuwahlen im südpfälzischen Freisbach erfolgen. Für den Ortsbürgermeister muss ein Vertreter benannt werden. Gauweiler hat angekündigt, dass er bei einer Neuwahl nicht noch einmal antritt.

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