Fünf Spiele der EURO 2024 wurden in Stuttgart angepfiffen. Trotz des Viertelfinal-Aus der DFB-Elf waren die Schwaben tolle Gastgeber - wie schon vor 50 Jahren bei der WM 1974.
Wer sie schon mal gehört hat, der vergisst sie nicht mehr. Die mitreißende Radioreportage von Heribert Faßbender am 7. Juli 1974: "Müller dreht sich um die eigene Achse, schießt. Und Tor, Tor durch Gerd Müller". Genau 50 Jahre ist das jetzt her, das Tor von "Bomber" Gerd Müller zum 2:1-Siegtreffer im Münchner WM-Endspiel gegen die Niederlande. Es war der zweite von bislang vier WM-Titeln für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft und er ging selbstverständlich in die Historie ein.
Vier WM-Spiele 1974 in Stuttgart
Einen Platz in der Erinnerung vieler schwäbischer Fußballfans hat aber auch der damalige WM-Spielort Stuttgart. Immerhin vier Spiele fanden 1974 bei der deutschen WM-Premiere im renovierten Neckarstadion statt. Dreimal Vorrunde, einmal Zwischenrunde. Zwar ohne einen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft um Maier, Müller, Beckenbauer, aber immerhin von anderen renommierten Mannschaften aus der großen Welt des Fußballs: Die Ex-Weltmeister Italien und Argentinien und die Überraschungsmannschaft aus Polen zeigten am Neckar ihr Können, faszinierten die Fans. Mehr als 200.000 Zuschauer kamen zu den vier Partien in die Cannstatter Arena.
Polnische Unterkunft in Murrhardt im Schwäbischen Wald
Das polnische Team genoss dabei nicht nur am Neckar die schwäbische Gastfreundschaft, sondern drei Wochen lang im Juni 1974 auch an der idyllischen Murr. Die Mannschaft um den WM-Torschützenkönig Grzegorz Lato war während der WM in Murrhardt, etwa 30 Kilometer östlich von Stuttgart im Hotel Sonne-Post bei Familie Bofinger untergebracht. WM-Stars hautnah auf dem Land im Schwäbischen Wald - das war natürlich ein Riesen-Ereignis für die Einwohner des kleinen Städtchens. Und damals vor 50 Jahren wurden die Weltklasse-Kicker nicht annähernd so abgeschirmt untergebracht wie die EM-Stars von heute.
Erfrischungen im Freibad
Die polnischen WM-Spieler zeigten viel Nähe zur einheimischen Bevölkerung, schrieben Autogramme, schlenderten in der Freizeit gerne durch die Fachwerk-Gassen Murrhardts oder erfrischten sich im örtlichen Freischwimmbad. Die Trainingseinheiten fanden im Murrhardter Fußballstadion zwischen Feldern und Wiesen statt. Nicht wie heute auf eigens verlegtem Rollrasen, sondern auf dem Geläuf der Amateurkicker. Was eine Normalität, heute undenkbar. Allein schon aus Sicherheitsgründen.
Internationale WM-Nächte in der Stuttgarter City
Im Spielort Stuttgart wiederum gab es zwar längst noch kein modernes Public Viewing, aber immerhin ein großes WM-Rahmenprogramm. Beispielsweise wurde zwischen Schillerplatz und Marktplatz jeweils an den Spieltagen eine argentinische, eine italienische, eine polnische und in der Zwischenrunde auch eine deutsche Nacht organisiert. Die Sperrstunde war von der Polizei aufgehoben worden, es durfte jeweils bis 2.00 Uhr in der Nacht gefeiert werden. Für die musikalischen Highlights sorgten beispielsweise Heino und die Fischerchöre. Tausende kamen zum Feiern. Das WM-Fieber war ausgebrochen 1974 in der Schwaben-Metropole.
Polens "Heimstärke" im Neckarstadion
Zum Sportlichen: Das polnische Team, Olympiasieger zwei Jahre zuvor in München, wuchs im Verlaufe des WM-Turniers in Deutschland über sich hinaus, gewann im Neckarstadion sowohl gegen die in Sindelfingen untergebrachten Argentinier (3:2) als auch gegen die Italiener (2:1). In der Zwischenrunde siegte das polnische Team in seiner "Wahlheimat Stuttgart" noch gegen die Schweden mit 1:0. Erst im Halbfinale scheiterten die Osteuropäer in der legendären "Wasserschlacht von Frankfurt" gegen Deutschland mit 0:1, wurden am Ende aber immerhin WM-Dritter.
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Italiens WM-Untergang in Stuttgart
Eine Schmach erlebte dagegen die stolze Fußballnation Italien in Stuttgart. Die Squadra Azurra, immerhin amtierender Vizeweltmeister, kam mit ihren Stars wie Zoff, Riva und Rivera nicht über ein 1:1 gegen Argentinien hinaus und war nach der Niederlage gegen die Polen im Neckarstadion schon nach der Vorrunde ausgeschieden. Immerhin aber sorgten die vielen Tausend "Tifosi", die italienischen Fans in der jeweils ausverkauften Arena am Neckar für emotionale und unvergessliche WM-Tage in Stuttgart und vor allem im Neckarstadion, wie es damals hieß.
Auch Polen scheiterte 1974 an Gerd Müller
Die Polen wiederum spielten ihre bis heute beste WM und pflegten noch viele Jahre nach 1974 und ihrem Abschied aus der Sonne-Post freundschaftliche Kontakte ins schwäbische Murrhardt. Letztlich waren auch sie, wie die favorisierten Niederlande im Endspiel von München, am phänomenalen deutschen Torjäger Gerd Müller gescheitert. Denn der hatte auch schon im Halbfinale in Frankfurt gegen die unglückliche polnische Mannschaft den entscheidenden Treffer erzielt...