Kunst und Musik, Gedichte und Gesichter, Gebäude und Landschaften, Jacken und Hosen, Mikroskopaufnahmen und der Sternenhimmel – all das kann schön sein. Doch wovon hängt das ab und was passiert im Körper, wenn wir etwas schön finden?
Verglichen mit Gefühlen wie Angst oder Freude ist Schönheitserleben viel schwerer zu ergründen. Erst langsam gelingt es Psychologie und Hirnforschung, anhand von Experimenten das Phänomen zu begreifen. Sie gehen in ihrer Forschung u.a. folgenden Fragen nach:
- Was zeichnet "schöne Stellen" in der Musik aus?
- Wann bekommen Menschen bei Gedichten oder Musik Gänsehaut – und warum?
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und den Vorlieben für bestimmte Filme oder Musik?
- Ist Musik wirklich die "Weltsprache", die alle verstehen?
- Was passiert beim Schönheitserleben im Gehirn?
Die Sendung stellt Antworten auf diese Fragen vor.
Forschungsgebiet "empirische Ästhetik"
Seit zwanzig Jahren wird dazu wieder intensiver geforscht. Ein typisches Experiment sieht so aus: Menschen bekommen Filme, Gedichte, Musik oder Fotos von Gesichtern oder Landschaften gezeigt. Gleichzeitig werden ihre Körperreaktionen gemessen, zum Beispiel:
- Atmung
- Herzfrequenz
- Hautleitfähigkeit
- Aktivität bestimmter Gesichtsmuskeln ("Stirnrunzel-" und "Lächelmuskel")
- Gehirnaktivität
- Gänsehaut
Ja, die Forscher beobachten, ob man Gänsehaut bekommt! Manchmal filmen sie die Mimik oder verfolgen die Aktivität im Gehirn der Versuchspersonen. Diese werden außerdem gefragt, was sie beim Betrachten der jeweiligen Objekte empfinden.
Auch SWR2 Wissen-Autor Gábor Paál hat sich für diese Sendung verkabeln lassen und an einem "Gänsehaut-Experiment" teilgenommen.
Pionier der Ästhetik-Forschung: Gustav Theodor Fechner
Die Ästhetik-Forschung erlebt seit 20 Jahren eine Renaissance. Denn eigentlich ist es nicht neu. Es geht zurück auf den sächsischen Physiker und Psychologen Gustav Theodor Fechner. Fechner schrieb 1876 sein berühmtes Buch "Vorschule der Ästhetik". Es war eine Provokation. Bis dahin galt Ästhetik als eine im wahrsten Sinne schöngeistige Angelegenheit von Philosophen und Literaten. Es war eine, wie Fechner es nannte, "Ästhetik von oben". Ihr hat er seine "Ästhetik von unten" entgegengesetzt.
Ästhetik "von oben" und "von unten"
"Er hat gesagt, bislang wird Ästhetik von Philosophen und Kunstkritikern immer nur von oben gemacht. Die schreiben den anderen vor, was sie jetzt als gut und schlecht, schön und hässlich zu empfinden haben", erklärt Melanie Wald-Fuhrmann vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main. "Fechner fand es aber spannend, auch mal von unten zu gucken: Was findet denn eine Mehrheit? Was finden Menschen wirklich schön?"
Nach Gustav Theodor Fechner war die "empirische Ästhetik" jedoch lange eingeschlafen. Erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts nutzen Forscher moderne Methoden der Psychologie und Hirnforschung. Sie hoffen, die uralten Frage nach dem Wesen der Schönheit anhand von Experimenten beantworten zu können.
Viele neue Studien
Für SWR2 Wissen-Autor Gábor Paál hat das Thema eine besondere Bedeutung:
"Mit dieser Sendung knüpfe ich an ein Thema an, das mich vor zwanzig Jahren schon einmal intensiv beschäftigt hat und über das ich 2003 mein erstes Buch ‚Was ist schön? Ästhetik und Erkenntnis‘ geschrieben habe. Seitdem hat das Forschungsgebiet wieder richtig Schwung bekommen. Diese Entwicklung war für mich Anlass, nach so vielen Jahren noch einmal in das Thema einzutauchen. "