Nackt über Berlin (SWR  ARTE)

Serie in der ARD Mediathek

„Nackt über Berlin“ von Axel Ranisch: Liebenswerte und hochkreative Coming-of-Age Geschichte

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Karsten Umlauf

Im Spielfilm von Axel Ranisch sperren die Teenager Jannik und Tai ihren Direktor in seiner Wohnung ein und setzen ihn unter Totalüberwachung. Die sechsteilige Serie, die auf einem Roman Ranischs basiert, verknüpft die Geschichte einer Entführung hochkreativ und liebenswert mit der Erzählung von Liebe, Familie, Erwachsenwerden und Coming Out. Immer präsent: Die Musik.

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„Fetti“ und „Fidschi“ gegen den Rest der Schule

Jannik und Tai sind beste Freunde und Sonderlinge in ihrer Schule. Von den Schulhofschicksen werden sie wegen ihrer äußeren Merkmale als „Fetti“ und „Fidschi“ gemobbt, der eine mit Familie im vietnamesischen Gastrogewerbe und Hackertalent, der andere korpulenter Klassiknerd mit einer besonderen Vorliebe für Tschaikowski.

Aber die beiden haben es auch faustdick hinter den Ohren: eines Abends erwischen sie ihren von Frau und Sohn verlassenen Schuldirektor Lamprecht im Vollsuff, sie setzen ihn in seiner smarten Higthech-Wohnung fest, hacken sich in seinen Rechner und geben sich als „Gott“ aus.

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Jannik (Lorenzo Germeno) und Tai (Anh Khoa Trẩn) sind zwei Außenseiter, die in ihrer Schule nicht ernst genommen werden. Bild in Detailansicht öffnen
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Füreinander sind sie beste Freunde, hofft zumindest der gutmütige Klassik-Nerd Jannik, der heimlich in Tai verliebt ist. Bild in Detailansicht öffnen
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Jannik und Tai finden eines Nachts ihren sturzbetrunkenen Schuldirektor Jens Lamprecht (Thorsten Merten). Sie bringen ihn in seine Wohnung und sperren ihn dort ein. Bild in Detailansicht öffnen
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Aus Scherz wird Ernst: Tai lässt den Direktor nicht wieder raus. Stattdessen nutzt er seine Technikskills, um Lamprechts Hightech-Wohnung komplett unter seine Kontrolle zu bringen. Bild in Detailansicht öffnen
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Lamprecht muss feststellen, dass er zu einem Gefangenen geworden ist, totalüberwacht von einer anonymen Instanz, die sich Gott nennt und nach seinen Sünden forscht. Bild in Detailansicht öffnen
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Jannik wiederum erkennt, dass Tai dem Direktor Mitschuld am Tod einer Mitschülerin gibt. Bild in Detailansicht öffnen
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Tai hat alles dokumentiert und glaubt, dass Schuldirektor Lamprecht für den Suizid von Melanie Heise mitverantwortlich ist. Bild in Detailansicht öffnen
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Jannik macht sich Vorwürfe nach einem Abend mit Tai: waren die Zärtlichkeiten zu viel? Jannik nimmt all seinen Mut zusammen und steht zum ersten Mal zu seiner Homosexualität. Bild in Detailansicht öffnen

Zarte Annäherung der beiden Entführer

Lamprecht soll büßen. Was genau, weiß zu Anfang nur Tai allein. Aber während der ziemlich derangierte Direx noch hirnt, wer ihn da überhaupt vor eine Art jüngstes Gericht stellen will, und zwischen den letzten Kippen- und Alkoholresten immer verzweifelter und aggressiver wird, kommen sich die beiden Jungs näher.

Und wie die Serie diese vielschichtige Beziehung ausbreitet: zwischen fast kindlicher Jungsfreundschaft, zarten aber verschämten Anbandelungen, einem Durcheinander von Misstrauen, Hoffnung, Höhenflug und der Flucht in die Melancholie der Musik, das macht beim Zuschauen große Freude.

Nackt über Berlin (SWR  ARTE)
Für Regisseur Axel Ranisch, der auch die Romanvorlage der Serie schrieb, ist die Geschichte von Jannik ganz persönlich. Viele Erinnerungen an seine eigene Jugend flossen in die Figur mit ein.

Tschaikowski als „Role Model“ fürs Coming Out

„Nackt über Berlin“ ist eine liebenswerte, hochkreative Coming of Age und Coming Out Geschichte mit Tschaikowski als „Role Model“. Die klassische Musik - nicht nur von Tschaikowski - ist großartig in die Serie eingebunden und von Komponistin Martina Eisenreich mit modernen Mitteln ergänzt worden.

Noch vor dem Roman wollte Axel Ranisch aus der Geschichte einen Film oder eine Serie machen, das merkt man.

Einiges wirkt stringenter, das findet auch Ranisch selbst. Seine eigene Biographie kam ohnehin erst später in die Geschichte, am Anfang stand der Wunsch, mit dem Schauspieler Thorsten Merten zusammen zu arbeiten.

Filmstill
Direktor Lamprecht (Thomas Merten) findet sich bald einer anonymen Instanz ausgeliefert, die sich Gott nennt und ihn zum Seelenstriptease herausfordert.

Schuldirektor Lamprecht großartig verkörpert von Thorsten Merten

Thorsten Merten, der sonst fast nur für kleinere oder größere Nebenrollen besetzt wird, ist als Direktor Lamprecht tatsächlich eine Macht. Einer, dem erst langsam bewusst wird, wieviel Scherben er eigentlich hinterlassen hat, während das eigene Leben hinter bruchsicherem Glas buchstäblich verkümmert.

Neben den Jungschauspielern Lorenzo Germeno als Jannik und Anh Khoa Tran als Tai brilliert Merten in dramatisch und selbstverloren komischen Monologen. Musikalisch gesprochen ein charismatischer Solist, der das Ensmeble zu dem auch Christina Große, Devid Striesow oder Heiko Pinkowski gehören, zu einem wunderbaren, sehr eigenen Seriensound zusammenführt.

„Nackt über Berlin“ in der ARD Mediathek

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