Frank Neuendorf hat in der Flut 2021 im Kreis Vulkaneifel geholfen und wollte dafür keine Belohnung erhalten. (Foto: SWR, Anna-Carina Blessmann)

Selbstlose Hilfe

Fluthelfer aus Steffeln verliert Auto - Entschädigung lehnt er ab

Stand
AUTOR/IN
Anna-Carina Blessmann
Anna-Carina Blessmann am Mikrofon (Foto: SWR)

Frank Neuendorf hat in der Flut 2021 geholfen. Dabei verlor er sein Auto. Dafür wollte er keine Entschädigung haben, die ihm zugestanden hätte. Für ihn eine Selbstverständlichkeit.

"Ich hab nicht lange überlegt. Ich hab mich einfach in den Lkw reingesetzt und bin gefahren", so erinnert sich Frank Neuendorf aus Steffeln an seinen Einsatz am 14. Juli 2021, als die Jahrhundertflut auch den Kreis Vulkaneifel schwer traf.

Neuendorf ist Lkw-Fahrer bei einer Hoch- und Tiefbaufirma in Jünkerath. Sein Chef Harald Schmitz, der gleichzeitig der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises ist, ruft ihn am Nachmittag des 14. Juli an und bittet ihn, Sandsäcke im Kreis zu verteilen.

Schneller Aufbruch, um zu helfen

Neuendorf fährt mit seinem Auto nach Jünkerath, stellt es dort ab und nimmt den Lkw, um damit von Gerolstein aus die Sandsäcke zu transportieren. Unterwegs sieht er unter anderem, wie Gullydeckel das Wasser nicht mehr halten können und hochgedrückt werden.

Zu seiner Frau zu Hause hält Neuendorf Kontakt. Und zu seinen Schwiegereltern. Weil er dort Bauarbeiten am Haus durchgeführt hatte, hat er Angst, dass das Haus gefährdet ist. Wie er später erfährt, geht hier alles gut.

"Man hilft da, wo man helfen kann."

Mit dem Lkw kommt er noch durch überschwemmte Straßen, die für Autos längst nicht mehr passierbar sind. Die Flut hält Neuendorf nicht zurück: "Man hilft ja da, wo man helfen kann. Wie ernst die Lage war, wusste ich bis da noch nicht. Das wurde einem nachher immer bewusster, dass es kritisch war."

Während Fluthilfe säuft Auto ab

Kritisch wird es vor allem in Jünkerath, einem der ersten Orte, die überschwemmt wurden. Das merkt Neuendorf, als er um vier Uhr nachts den Lkw zurückbringen will: "Zu meinem Auto kam ich nicht mehr."

Rheinland-Pfalz

Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz Hochwasser 2021: Auf einer Karte die aktuelle Lage in allen Orten

Unvorstellbare Regenmengen haben am 14. und 15. Juli 2021 zur größten Naturkatastrophe in der Geschichte von Rheinland-Pfalz geführt. Auf unserer Karte zeigen wir die betroffenen Orte.

Während er im Kreis hilft, wird in Jünkerath sein Privatauto von den Wassermassen überschwemmt. "Aber das war nicht so dramatisch. Ich habe Bilder aus anderen Orten gesehen. Die Menschen da hat es ja viel schlimmer getroffen."

"Es tut gut, zu helfen. Für mich ist das normal."

Käme heute noch mal eine Flut, würde Frank Neuendorf alles genau so wieder machen: "Auf jeden Fall. Weil es gut tut, zu helfen. Für mich ist das normal." Der Kreis bietet ihm mehrfach an, die Differenz, die die Versicherung für das zerstörte Auto nicht zahlt, zu übernehmen.

Aber eine Entschädigung oder gar Belohnung für seine ehrenamtliche Arbeit will Neuendorf nicht: "Das hätte sich falsch angefühlt, da noch Geld rauszuziehen. Das wäre nicht meine Art. Und auch viele Leute haben eine Flutmedaille mehr verdient als ich."

Seine Hilfe ist große Unterstützung für den Kreis

Dabei ist Neuendorf für den Kreis Vulkaneifel eine große Unterstützung, sagt Katastrophenschutzinspekteur Schmitz: "Wir konnten ihn einfach anrufen und ihn bitten, Sandsäcke im ganzen Kreis zu verteilen. Da gab es kein Nein, sondern er war direkt da. Immer wenn er seine Aufträge abgearbeitet hat, stand er wieder startklar in Hillesheim."

"Es ist super, dass wir Leute finden, die bereit sind, der Bevölkerung derart zu helfen."

Der Vorteil für die Technische Einsatzleitung in der Flutnacht: Um die Sandsäcke zu verteilen, muss Schmitz keine Einsatzkräfte und Fahrzeuge abstellen. Das entlastet das Team. Das steht dann weiter für andere Notfälle zur Verfügung, sagt Schmitz: "Das ist super, dass wir Frank da immer wieder ansprechen können. Und wir Leute finden, die bereit sind, der Bevölkerung derart zu helfen."

Daun

Was wäre wenn? Erneute Flut in der Vulkaneifel - Ein Szenario

Was würde zwei Jahre nach der Flutkatastrophe 2021 bei einer erneuten Flut im Kreis Vulkaneifel ablaufen? SWR Aktuell geht mit den Verantwortlichen ein realistisches Szenario durch.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Fluthelfer auch an der Ahr

Aber das ist noch nicht alles: Neuendorf hat nach der Flutnacht auch an der Ahr geholfen, berichtet Tobias Lussi, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr in Schuld. Das Haus eines seiner Feuerwehrkameraden ist von der Ahr weggespült worden. Das Haus von dessen Lebensgefährtin, in dem er unterkommt, steht ebenfalls nahezu im Fluss und droht einzustürzen.

Das THW gibt die Anweisung, das Haus mit Wasserbausteinen abzusichern, um es zu retten. Lussi fordert diese offiziell an, berichtet er, aber sie kommen und kommen nicht: "Das war eine emotionale Sache, den Kameraden hat es schwer getroffen. Wir wollten und mussten ihm helfen, hatten aber nicht die Mittel, weil wir die blöden Wasserbausteine nicht bekommen haben."

Lussi telefoniert mit Schmitz im Kreis Vulkaneifel, der ihm Hilfe anbietet. Lussi hatte bis dahin schon viel versprochen bekommen, was dann nicht kam. Aber plötzlich steht Frank Neuendorf vor seiner Tür.

"Er fragte mich: 'Bist du der Tobi? Ich hab' Steine dabei.' Das hat mir die Sprache verschlagen und ich habe gesagt: 'Dich schickt der Himmel'", erinnert sich Lussi. Es bleibt aber nicht bei diesem einen Einsatz. Neuendorf liefert so lange Steine, bis das Haus abgesichert ist.

Sie wollen lieber „Flutbetroffene“ anstatt „Flutopfer“ genannt werden. Denn Familie Reinartz gibt nach der Flutkatastrophe im Ahrtal nicht auf – obwohl sie ihr Café in Bad Münstereifel und zwei Häuser verloren hat. Wie geht es Ihnen heute? (Foto: SWR)

Dossier: Leben nach der Flutkatastrophe

Die Flutkatastrophe an der Ahr und in der Region Trier liegt fast drei Jahre zurück. Manches ist repariert oder wiederaufgebaut, doch vieles noch lange nicht geheilt. Das ist der aktuelle Stand.

Erinnerungen an die Jahrhundertflut bleiben

Wenn Frank Neuendorf von den Tagen nach der Flut erzählt, geht er dabei nicht derart ins Detail. Er habe einfach geholfen: "Man funktioniert einfach nur. Die Situation wird einem erst viel später bewusst." In seinem Job bei der Baufirma ist er auch heute noch am Wiederaufbau in den Flutgebieten, vor allem in Nordrhein-Westfalen, beteiligt: "Dadurch kommt die Erinnerung jeden Tag."

Frank Neuendorf macht es dann traurig, die Geschichten der Flutbetroffenen zu hören. Mit der Flut hat der Helfer aus dem Kreis Vulkaneifel auch zwei Jahre danach noch nicht abgeschlossen.

Irrel

Zwei Jahre nach der Flut Irrel: Ein Haus auf Stelzen soll vor Hochwasser schützen

Rund 120 Häuser sind bei der Juli-Flut 2021 in Irrel beschädigt oder zerstört worden. Fast alle konnten wieder saniert oder neu aufgebaut werden, wenn auch anders als zuvor.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz

Zweiter Jahrestag der Flutkatastrophe Katastrophenschutz in RLP: Das hat sich seit der Flut im Ahrtal getan

Als Folge der verheerenden Flut im Ahrtal soll der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz neu und besser aufgestellt werden. Das hat sich seitdem bisher verändert.

SWR Aktuell am Morgen SWR Aktuell