Eine große Studie zeigt: Menschen in einer festen Beziehung haben seltener Depressionen. Diese Ergebnisse könnten für eine gezielte Prävention genutzt werden.
In Deutschland leben mehr Menschen allein als in den meisten anderen EU-Staaten, 2023 waren es über 20 Prozent. In den letzten Jahrzehnten ist diese Zahl stark gestiegen. Diese Tatsache ist nicht nur für den Wohnungsbau interessant, sondern auch mit Blick auf die mentale Gesundheit der Bevölkerung. Das zeigt eine große Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Human Behaviour veröffentlicht wurde.
Unterschiedliche Kulturen – ähnliches Ergebnis
Eine internationale Forschungsgruppe hat dabei untersucht, wer häufiger depressive Symptome zeigt: Menschen in einer festen Partnerschaft, getrennt Lebende oder Geschiedene, Verwitwete oder Singles.
Bisher gab es zu dieser Frage vor allem kleinere Studien, die die Bevölkerung von einzelnen Ländern untersucht hatten. Die Forschenden der aktuellen Studie legten daher Wert darauf, sich Bevölkerungen aus unterschiedlichen Kulturen anzuschauen. Dafür werteten sie die Gesundheitsdaten von über 100.000 Menschen aus sieben Ländern aus: Den USA, China, Indonesien, Großbritannien, Irland und Mexiko.
Singles – Braucht der Mensch einen Partner?
Das Ergebnis: In allen Kulturen hatten Alleinstehende ein größeres Risiko an Depressionen zu erkranken als Menschen in einer festen Partnerschaft. Darunter zählten sie verheiratete Paare und solche, die zusammenlebten.
Die Autoren vermuten, dass dieser positive Effekt einer festen Partnerschaft durch mehrere Mechanismen erklärt werden könnten: In einer Ehe oder einer entsprechenden Beziehung hätten die Menschen mehr finanzielle Sicherheit, außerdem würden sich die Partner und Partnerinnen sozial unterstützen.
Alleinstehend oder einsam?
„Vielleicht geht es dabei aber gar nicht so sehr um die Zweierbeziehung an sich.“, sagt Nicolas Rohleder. Er ist Professor für Gesundheitspsychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Es gebe zwar aus anderen Studien klare Hinweise darauf, dass eine positive Paarbeziehung gut für die Gesundheit bis ins hohe Alter sei, aber es sei ein anderer Faktor, der Menschen in Richtung Depressivität treibe, so Rohleder: „Das ist Einsamkeit. Wir wissen, dass sich Einsamkeit negativ auf die Gesundheit von Menschen auswirkt. Wenn man in einer Partnerschaft lebt, ist man zumindest meist nicht einsam.“ Regelmäßige Berührungen hätten beispielsweise einen positiven Effekt auf die Gesundheit von Menschen.
Um Einsamkeit mit seinen negativen Folgen vorzubeugen, müsse man aber nicht unbedingt in einer festen Beziehung sein. Darauf deuten auch die Ergebnisse der Nature-Studie hin. Denn obwohl das grundsätzliche Ergebnis in allen Kulturen gleich war, gab es Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern.
Einsamkeit erhöht Sterberisiko
So war der Effekt, dass Menschen in festen Beziehungen seltener an Depressionen erkrankten, in westlichen Kulturen stärker als in den untersuchten asiatischen Ländern. „Eine Möglichkeit wäre, dass es in östlicheren Kulturen ein stärkeres Community-Denken gibt, während wir in westlichen Kulturen eher individualistisch denken.“, so der Gesundheitspsychologe Rohleder. „Das könnte dazu führe, dass ich auch als alleinstehende Person in China sozial besser eingebunden bin und mich entsprechend weniger einsam fühle.“
Zusätzlich erklären die Studienautoren, dass der Umgang mit negativen Gefühlen in den unterschiedlichen Kulturen anders sei – auch das könne einen Effekt haben.
Geschlecht und Bildungsstand haben Einfluss auf Depressionen
Weitere Unterschiede fanden die Forschenden im Vergleich der Geschlechter: So war der Effekt bei Männern größer. Alleinstehende Männer tendierten stärker dazu, Depressionen zu entwickeln als alleinstehende Frauen. Eine mögliche Erklärung könne sein, dass Single-Frauen häufiger größere und stärker soziale Netzwerke pflegten als Single-Männer, so die Autorinnen und Autoren.
Auch der Bildungsstand hat laut der Studie einen Einfluss: Menschen mit höherer Bildung, die nicht in einer festen Beziehung waren, hatten häufiger Depressionen als Menschen mit einer niedrigeren Bildung.
Alkohol und Rauchen wichtige Faktoren
„In der Gesundheitspsychologie fragen wir uns: Was passiert mit dem Menschen? Was ist der Unterschied zwischen Menschen, die einsam sind oder nicht?“, so Nicolas Rohleder. In der jetzt vorgestellten Studie wurden dafür zwei Faktoren untersucht: Der Alkohol- und Tabakkonsum.
Dafür teilten sie etwa 20.000 Menschen ohne depressive Symptome entsprechend ihrer Lebensumstände in Gruppen ein und schauten, wieviel die Menschen rauchten, bzw. tranken, um schließlich auszuwerten, wie viele Personen jeweils eine Depression entwickelten.
Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?
Das Ergebnis: In Mexiko, China und Korea spielte der Alkohol- und Tabakkonsum eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Depressionen bei Alleinstehenden.
„Rauchen und Alkoholkonsum führt zu Veränderungen im Körper und die führen dazu, dass man früher krank wird.“, so der Gesundheitspsychologe Rohleder. Einsamkeit selbst führe zum einen auch zu solchen biologischen Veränderungen – zusätzlich führe das Alleinsein aber auch dazu, das Menschen häufiger trinken und rauchen. „Das gilt natürlich nicht für alle! Manche manchen auch viel mehr Sport in ihrer Freizeit, weil sie allein sind. Aber das gilt nicht für die Mehrheit.“
Gezielte Maßnahmen gegen Einsamkeit bei Singles nötig
Für Nicolas Rohleder sind die jetzt vorgestellten Ergebnisse zwar nicht überraschend, aber trotzdem sehr wichtig: „Diese Studie ist sehr gut gemacht, so hochwertige Daten haben wir selten.“ Auf dieser Grundlage könne man als fast gesichert ansehen, dass man als Person in einer festen Beziehung eine größere Wahrscheinlichkeit habe, mit einer guten mentalen Gesundheit dazustehen – und zwar kulturübergreifend.
Auf Basis dieser soliden Erkenntnis könne man Maßnahmen ableiten, so Rohleder. „Ab dem mittleren Alter nimmt das Alleinsein von Menschen zu. Das gilt besonders für das höhere Lebensalter. Wenn diese Menschen häufiger psychische Gesundheitsprobleme bekommen, dann verursacht das nicht nur ein immenses menschliches Leid, sondern auch hohe Kosten für das Gesundheitssystem.“ Hier müsse man gezielt gegenarbeiten – auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.
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