In ihrem jährlichen Bericht gibt die OECD einen Überblick über die Bildung in den Mitgliedsländern. Für Deutschland gibt es 2024 einige positive, aber auch negative Ergebnisse.
Die OECD - die internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - besteht aus knapp 40 Ländern weltweit. Industrieländer wie Neuseeland, Kolumbien, Finnland, Südkorea oder zum Beispiel auch Deutschland sind OECD-Mitglieder. Jährlich gibt die OECD einen Bericht heraus mit einem Überblick über den Zustand der Bildung in den Mitgliedsländern.
Am 10. September 2024 ist der aktuelle Bericht vorgestellt worden. Dieses Jahr im Vordergrund: das Thema Chancengerechtigkeit im Bildungssystem. Anja Braun, Bildungsexpertin aus der SWR-Wissenschaftsredaktion, beantwortet einige Fragen zum Bericht.
Was sind die wichtigsten Punkte im diesjährigen OECD-Bericht?
Deutschland ist leider wieder Schlusslicht in der OECD. Wenn man auf den Anteil junger Erwachsener im Alter von 25 bis 34 Jahren schaut, die keinen Schulabschluss haben - also die weiterführende Schule nicht abgeschlossen haben - liegen wir zwei Punkte über dem OECD-Schnitt von 14 Prozent. Das ist leider so, obwohl Deutschland mehr Finanzmittel als der OECD-Durchschnitt in die Bildung investiert.
Und es sind vor allem junge Männer, die keinen weiterführenden Schulabschluss schaffen. Trotzdem ist es auch so, dass die Frauen, die keinen Schulabschluss haben, noch stärker benachteiligt sind als Männer. Denn in Deutschland ist nur jede zweite junge Frau ohne Schulabschluss erwerbstätig. Bei den jungen Männern haben immerhin drei von vier eine Arbeitsstelle bekommen.
Wie steht es um die Bildungsgerechtigkeit bei jungen Erwachsenen mit Hochschulabschluss?
Da haben die jungen Frauen immens aufgeholt. Der Anteil junger Frauen mit mindestens einem Bachelor-Abschluss hat sich innerhalb von einer Generation fast verdoppelt. Also heute machen unter jungen Frauen schon etwa 40 Prozent mindestens den Bachelor-Abschluss.
Aber damit liegt Deutschland immer noch unter dem OECD-Durchschnitt, bei welchem mit 47 Prozent fast gleich viele Frauen wie Männer einen Hochschulabschluss nachweisen können. Und den jungen Frauen nutzen Hochschulabschlüsse weniger als gleichaltrigen Männern. Das ist leider in der ganzen OECD so. Das heißt, sie werden seltener eingestellt und haben sie einmal Fuß gefasst, dann verdienen sie in der Regel in gleicher Position wie ihre männlichen Kollegen deutlich schlechter.
Wie werden diese Probleme angegangen?
Die Schere geht schon sehr früh auseinander. Junge Erwachsene in Deutschland haben in der Regel entweder ein sehr niedriges oder ein sehr hohes Bildungsniveau. Um da gegenzusteuern, muss früh angesetzt werden. damit alle Kinder die gleichen Chancen haben.
Dass Deutschland im OECD-Vergleich bereits überdurchschnittlich viel Geld in die Schulbildung investiert hat, hat offenbar nicht dazu geführt, die Chancengleichheit spürbar zu verbessern.
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Viele OECD-Länder gehen noch weiter: sie haben das Eintrittsalter für die Schulpflicht gesenkt. Auch Deutschland hat viel Geld in den frühkindlichen Bereich gesteckt. Aber die Zahl der Kinder unter drei ist bei uns in den letzten Jahren eben auch stark gestiegen.
Es zeigt sich außerdem gerade in Familien mit schwächerem Einkommen, dass diese die frühen Angebote in Deutschland seltener warnehmen. Das mag auch daran liegen, dass Kita und frühkindliche Angebote nur in einigen Bundesländern beziehungsweise Städten und Kommunen kostenfrei sind. Eine wirklich kostenfreie Bildung gibt es bei uns erst ab sechs Jahren. Und das ist vielleicht deutlich zu spät.
Wo sind also die größten Baustellen?
Ein großes Problem in Deutschland, aber auch in der OECD, ist der Lehrermangel im nicht-gymnasialen Bereich. Obwohl die Lehrkräfte in Deutschland wirklich überdurchschnittlich gut bezahlt werden, zieht es viel zu wenige und vielleicht auch nicht immer die Richtigen in den Beruf. Und das Problem zeigt sich auch daran, dass die in Pisa gemessenen Schülerleistungen immer weiter sinken.
Es sieht also wirklich so aus, als ob das deutsche Bildungssystem eine Runderneuerung braucht. Bei der Vorstellung und Kommentierung des Berichts heute Morgen hat der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg sinngemäß gesagt, man müsse sich jetzt einfach klarmachen, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. Und das brauche ich jetzt auch ein Bildungssystem für ein Einwanderungsland.
Welche Schlüsse sollte Deutschland aus diesem Bericht ziehen?
Wir sind schon auf einem richtigen Weg. Aber es ist eben immer nur punktuell. Zum Beispiel werden mit dem Startchancen Programm von Bund und Ländern bereits besonders benachteiligten Schulen in allen Bundesländern Unterstützung gewährt. Aber es braucht mehr als das.
Es wird etwa immer wieder diskutiert das letzte Kindergartenjahr kostenlos, aber verpflichtend zu machen - das wäre bestimmt ein richtiger Schritt. Aber dafür haben wir dann auch nicht das qualifizierte Personal im Moment. Das braucht es ja aber auch, damit es sich um die soziale und Sprachentwicklung der Kinder kümmern kann.
Es braucht doch mehr als Finanzspritzen in einzelne Bereiche oder auch Quereinsteiger Initiativen im Bildungsbereich. Heute Morgen wurde die jährliche IFH-Umfrage zu den deutschen Schulen veröffentlicht. Da ist rausgekommen, dass sich die Mehrheit der Befragten wünscht, dass die Staatsausgaben für Schulen steigen. Das heißt die Bevölkerung hält die Bildungsreformen für sinnvoll und notwendig. Das könnte die Politik jetzt eigentlich als Rückenwind nutzen.
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Der OECD Bildungsbericht hat in diesem Jahr den Fokus auf die 18 Monate in der Corona-Pandemie gelegt. Die Länder haben sehr unterschiedlich auf diese Herausforderung reagiert.