Von der Genschere CRISPR haben wahrscheinlich viele schon gehört: 2020 erhielten die Entdeckerinnen den Nobelpreis für diese Technologie zum Verändern von Genen. Jetzt haben Forschende aus den USA und Japan ein neues Werkzeug für Genveränderungen vorgestellt - und das kann deutlich mehr als CRISPR.
Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für gezielte Genveränderungen
Ob Pflanzen, die besser mit Trockenheit klar kommen oder Erbkrankheiten, die schon im Kindesalter geheilt werden: Mögliche Anwendungen für gezielte Genveränderungen gibt es viele. Doch dafür braucht es Technologien, Werkzeuge, die solche Eingriffe effektiv und sicher machen.
Auf der Suche nach solchen Werkzeugen lohnt es sich, in der natürlichen Umgebung von Genen zu suchen.
Schon die Genschere CRISPR/Cas wurde so gefunden. Sie basiert auf einem Abwehrmechanismus von Bakterien, die damit heimlich eingebaute Viren-DNA wieder aus ihrem Erbgut schmeißen können.
Das Geniale für die Forschung: Man kann die Genschere relativ einfach programmieren, ihr sagen, wo sie schneiden soll. Damit wurde aus einer natürlichen Viren-Abwehr ein Werkzeug für die Gentechnik.
Das war 2012 – und jetzt?
Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam hat Patrick Hsu, Assistant Professor für Bioengineering an der University of California, dieses "neue System" in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. "BridgeRNA" nennt es sich.
Die Geschichte dieser Brücken-RNA ähnelt durchaus der Entdeckung von CRISPR. Denn auch die Brücken-RNA kommt natürlicherweise in Bakterien und anderen Einzellern vor. Sie gehört zu den sogenannten "springenden Genen". Die nennt man auch Transposonen, diese Gene können sich selbst aus dem DNA-Strang herausschneiden und wonaders wieder einfügen.
Bei der genaueren Untersuchung eines ganz bestimmten "springenden Gens" wurde den Forschenden klar: Dieses Gen hat eine sogenannte Brücken-RNA und zwei Abschnitte, die sagen, zum einen WAS und zusätzlich noch WO es im Erbgut eingebaut werden soll. Hsu und sein Team waren fasziniert, was die Evolution da für sie bereitet hatte.
Brücken-RNA kann mehr als CRISPR
Denn dieses System lässt sich – wie die Genschere CRISPR – im Labor programmieren. CRISPR kann man genau sagen, wo sie im Erbgut schneiden soll. Der neuen Bridge-RNA kann man nicht nur sagen, wo die Veränderung passieren soll, sondern auch direkt, was dort eingefügt oder rausgelöscht werden soll. Mit relativ wenigen Arbeitsschritten und im großen Stil!
Hsu ist überzeugt: Dieses neue Werkzeug würde die Möglichkeiten, die durch CRISPR gewonnen wurden, deutlich erweitern.
Denn der Werkzeugkasten für die gezielte Veränderung von Genen wurde zwar in den letzten Jahren und Jahrzehnten gut gefüllt. Doch noch ist es sehr umständlich, größere Veränderungen in Pflanzen- oder Tierzellen zu schaffen.
Einzelne Gene kann man gut mit CRISPR ausschalten. Aber zum Beispiel neue Gene und Eigenschaften einfügen - das klappt noch nicht so, wie man es bräuchte.
Dieses Problem könnte die neue Brücken-RNA lösen, sagen auch unabhängige Fachleute wie Holger Puchta, Professor für Molekularbiologie und Biochemie der Pflanzen am KIT in Karlsruhe gegenüber dem Science Media Center. Gerade für Gentherapien oder auch zur genetischen Veränderung von Pflanzen könnte diese Technologie sehr nützlich sein.
Es sind noch offene Fragen zu klären
Bis zur praktischen Anwendung der Brücken-RNA sei es jedoch noch weit, denn es gibt noch viele offene Fragen: Man weiß noch nicht, wie effizient diese Methode zum Beispiel in Menschenzellen funktionieren könnte. Dafür muss das System weiterentwickelt werden.
Auch wie sicher es ist, kann man aktuell noch nicht sagen. Bis zu einem Einsatz wie von CRISPR liegt noch eine Menge an Arbeit vor ihnen und dem ganzen Forschungsfeld, das weiß auch Patrick Hsu von der University of California.
Die Brücken-RNA steht also noch ganz am Anfang. Doch bisher spräche nichts dagegen, dass sie auch für den Einsatz in Tier- und Pflanzenzellen optimiert werden könnte, sagen Fachleute - das Potential sei auf jeden Fall herausragend.
Mehr über Gentechnik
Blutkrankheit Thalassämie Erste Therapie mit der Genschere CRISPR/Cas ist sehr wirksam
Seit Dezember 2023 ist die erste Therapie mit der Genschere CRISPR/Cas in Europa zugelassen. Eine Studie bestätigt nun die hohe Wirksamkeit gegen die Erbkrankheit Thalassämie.