Gerade wer bei der Arbeit viel auf Bildschirme schaut, kann unter Kopfschmerzen leiden. Aber auch falsche oder schlecht angepasste Sehhilfen können Ursachen sein.
Kopfschmerzen können von den Augen ausgehen. Darauf weist die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) hin. Sie können damit zusammenhängen, dass wir bei der Arbeit zunehmend auf den Computerbildschirm starren. Kopfschmerzen können aber auch durch unzureichende Sehhilfen oder Augenerkrankungen verursacht werden.
Darüber sprach Martin Gramlich mit Professor Wolf Lagrèze von der Universitätsaugenklinik Freiburg. Lagrèze ist auch Präsidiumsmitglied der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft.
Computer Vision Syndrom - keine Krankheit, aber eine ernstzunehmende Befindlichkeitsstörung
Martin Gramlich, SWR: Herr Lagrèze, durch stundenlanges Bildschirm-Arbeiten, schreibt die DOG, kann sich sogar ein eigenes Krankheitsbild entwickeln, das Computer Vision Syndrom. Was hat es damit auf sich?
Wolf Lagrèze: Ja, das ist ein relativ neuer Begriff und da Sie gleich damit einsteigen, ist mir wichtig, am Anfang zu sagen: Das ist keine Krankheit. Nicht dass man sich jetzt deswegen Sorgen macht oder denkt, man hat ein ernsthaftes Gesundheitsproblem. Ich würde es eher als eine durchaus ernstzunehmende Befindlichkeitsstörung bezeichnen, die viele Menschen haben, die stundenlang bei der Arbeit am Bildschirm arbeiten oder davorsitzen müssen.
SWR: Wie äußert sich dieses Beschwerdebild?
Lagrèze: Das sind, glaube ich, zwei Sachen auf die man abheben muss: Das eine ist, wenn ich am Rechner sitze, dann blinzle ich deutlich weniger mit meinen Augenlidern. Das Blinzeln ist wichtig, um den Tränenfilm immer zu erneuern und die Augenoberfläche sozusagen auf der Hornhaut schön klar zu halten, da bin ich auch gut sehen kann.
Und im Gegensatz zum Zeitung lesen, Buch lesen oder auch einfach draußen spazieren gehen ist es so, dass ich ja beim Computer die Computermaus steuern muss. Das ist auch nicht nur eine visuelle Wahrnehmungsaufgabe, sondern auch eine motorische Aufgabe - also wir sagen ein ganz einfaches Computerspiel.
Und damit ich möglichst viele visuelle Informationen von meinem Bildschirm aufnehmen kann, reduziere ich unwillkürlich, ohne dass man sich das bewusst macht, die Blinzel-Frequenz. Und zwar um den Faktor 3.
Und dann bedeutet das, dass der Tränenfilm nicht mehr so stabil ist, schneller Mal aufreißt und dann die Augen brennen und müde werden und vielleicht auch am Ende des Tages leicht gerötet sind.
Pausen bei der Bildschirmarbeit entlasten die Augen
SWR: Was kann man dagegen tun?
Lagrèze: Ich glaube, das Wichtigste ist, sich das einfach bewusst zu machen. Das heißt, kleine Pausen in die Arbeit einpflegen. Vielleicht alle zehn Minuten mal für zehn Sekunden die Augen schließen, dass die Augenoberfläche sich beruhigen und regenerieren kann. Einfach dran denken, öfters mal zu blinzeln. Ich glaube, damit ist schon ganz viel gemacht.
Man kann das unterstützen mit künstlichen Tränen, das ist aber eine nicht ganz unproblematische Sache, weil das lästig ist. Dann muss man sich das oft einträufeln und dieser Effekt hält in den meisten Fällen auch nur wenige Minuten.
Aber ich glaube, Augen schließen oder so ein kleines Memo, was man sich irgendwo hin klebt, ist glaube ich eine ganz gute Sache.
Bildschirmarbeit mit Gleitsichbrille kann zu Verspannungen und Kopf- oder Rückenschmerzen führen
SWR: Ein weiteres Problem bei der Computer-Arbeit gibt es, das sagt die DOG auch, häufig mit Gleitsichtbrillen. Die haben ja viele Leute ab 50, ich auch, warum ist diese Kombi problematisch?
Lagrèze: Ja genau, das geht eigentlich fast jedem so, mir selber auch. Ich sitze auch gerade vor einem Computer, also ich kann es direkt nachvollziehen.
Es ist Folgendes: Eine Standard Gleitsichtbrille hat im oberen Teil eine Optik für die Ferne, im unteren Teil für die Nähe und in der Mitte ist eine Übergangszone. Und wenn ich jetzt, wenn ich älter werde immer weniger akkumulieren kann und vielleicht mit 60 Jahren auch gar nicht mehr akkumulieren kann, dann gibt es nur noch einen Durchblickpunkt durch das Brillenglas, durch den ich den Computer und den Text scharf sehe.
Das bedeutet, dass ich meinen Kopf gar nicht mehr bewegen kann, weil sonst bewegt sich die Brille und ich würde sofort unscharf sehen, das heißt, ich friere sozusagen mit meiner Körperhaltung vor dem Rechner ein.
Und wenn ich das ein paar Stunden mache, bekomme ich einen steifen Nacken, Nackenverspannungen, Schulterschmerzen, Rückenschmerzen und da gibt es in der Tat Abhilfe.
Spezielle Arbeitsplatzbrille sorgt für Entlastung bbei längerer Arbeit am Bildschirm
SWR: Die sieht wie aus?
Lagrèze: Die sieht so aus, dass man sich eine sogenannte Arbeitsplatzbrille anfertigen lässt vom Optiker. Nebenbei erwähnt, das ist auch etwas, was in vielen Betrieben finanziell mit unterstützt wird. Also da wäre der Hinweis: den Betriebsmediziner ansprechen, das wird häufig bezuschusst.
Eine solche Brille, die gibt es in zwei Varianten: Wenn ich rein am PC sitze, dann würde ich empfehlen eine sogenannte monofokale Brille herstellen zu lassen. Das ist quasi wie eine Lesebrille, aber nicht für die Zeitungen, dass sie sozusagen für 30 cm gemacht ist, sondern für 80 cm. Jeder Optiker weiß, was er da zu tun hat.
Und wenn ich eine solche Brille trage, kann ich, egal wie ich den Kopf halte, egal wo ich durch das Brillenglas gucke, den ganzen Bildschirm scharf sehen und ich habe meine Bewegungsfreiheit mehr erhalten. Und das ist sehr, sehr angenehm, das machen sehr viele Menschen.
Und wenn ich einen Büro-Job habe, wo ich - das wäre die Variante 2 - immer wechseln muss zwischen Lesetext auf dem Schreibtisch, neben der Tastatur oder dem Computerbildschirm, dann switcht man wieder zu dem Gleitsicht Konzept. Aber dann wäre der obere Teil für den PC also schon quasi mit einer Nah-Addition und der untere Teil ist dann nochmal ein bisschen mehr plus.
Dann habe ich aber nicht so einen starken Übergang von Ferne zu Nähe wie bei der Standard-Gleitsichtbrille, sodass ich dann wenigstens so ein bisschen, sag ich mal, Nacken und Kopf und Rücken Bewegungsfreiheit mehr erhalten habe.
Manche Augenerkrankungen können Kopfschmerzen auslösen
SWR: Ein weiterer Punkt ist, dass bei Kopfschmerzen mit Bezug auf Augen auch mögliche Augenkrankheiten als Auslöser infrage kommen. Was gibt es da?
Lagrèze: Ja, also das Spektrum der Ursachen für Kopfschmerzen ist vielfältig. Ich will es vielleicht mal kurz so ein bisschen einfach skizzieren:
Die meisten Menschen, die Kopfschmerzen haben, bei denen ist der Kopfschmerz die Krankheit selbst, und zwar Nummer 1 ist Spannungskopfschmerz, meistens durch chronische Verspannungen - da haben wir wieder das Thema Körperhaltung bei der Büroarbeit. Nummer 2 ist Migräne. Also allein jeder sechste Deutsche hat Migräne und die Hälfte von diesen Leuten wissen gar nicht, dass sie das haben, weil es nicht diagnostiziert ist, das ist ein richtiges Problem.
Und diese beiden Kopfschmerz-Ursachen machen zusammen 90 Prozent aller Kopfschmerz-Situationen aus. Und weniger als 10 Prozent sind tatsächlich Kopfschmerzen, wo der Kopfschmerz die Folge von einer anderen Erkrankung ist und das können in der Tat Augenerkrankung sein.
Ich kann mal ein paar auflisten: Zum Beispiel ein Glaukomanfall, sehr hoher anfallsartiger Augendruck oder eine Aderhautentzündung oder eine Verletzung der Hornhaut oder auch so Dinge wie latentes Schielen.
Also da gibt es sehr, sehr viel. Wenige davon sind gefährlich, die meisten sind harmlos. Aber wer da ein Problem hat, der sollte diesbezüglich, denke ich, einen Augenarzt aufsuchen.
Starke Kopfschmerzen mit Doppelbildern als Warnsignal für neurovaskuläre Erkrankungen
SWR: Wenn ich Kopfschmerzen habe und ich habe den Verdacht, das könnte was mit meinen Augen zu tun haben, wann ist ein Gang zum Augenarzt, zur Augenärztin sinnvoll und wann ist er unbedingt notwendig?
Lagrèze: Also es gibt ganz wenige Fälle, wo es eine Notfallsituation ist. Da wäre sofort notwendig. Nämlich vernichtend starke Kopfschmerzen mit Doppelbildern und ein hängendes Augenlid - das ist extrem selten oder akute Kopfschmerzen, hängendes Augenlid, ungleich weite Pupillen. Das können kritische neurovaskuläre Erkrankungen sein, die wirklich zeitkritisch sind.
Alle anderen Sachen sind nicht zeitkritisch, da hat man ein bisschen mehr Zeit. Aber ich würde mal sagen, immer dann, wenn es eigentlich ein Dauerzustand ist, also wenn das nicht nur mal ein paar Stunden am Tag ist oder bei bestimmten Tätigkeiten auftritt, sondern wenn jemand wirklich unerträgliche, dauernde Kopfschmerzen hat, dann ist das sicher sinnvoll.
Es gibt natürlich auch spezialisierte Kopfschmerzzentren und ich glaube, man kann ganz pauschal sagen, dass es da diesbezüglich in Deutschland sicherlich eine Unterversorgung gibt. Also wer ein Problem hat: Kopfschmerzen muss man nicht haben, sie sind erst dann erfolgreich behandelt, wenn es nicht mehr weh tut.
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