SWR2 Wissen

Brille, Laser und OP – Warum wir schlechter sehen und was dagegen hilft

Stand
Autor/in
Peggy Fuhrmann
Onlinefassung
Justina Bretzel
Candy Sauer

Myopie, Netzhautablösung, Grauer Star – Augenkrankheiten nehmen weltweit zu. Nicht nur im Alter. Hohe Kurzsichtigkeit gilt als größter Risikofaktor für schwere Augenleiden. Prävention ist aber möglich.

Fast die Hälfte der 25-jährigen Deutschen ist kurzsichtig

Immer mehr Menschen leiden an Sehstörungen. Insbesondere die sogenannte Kurzsichtigkeit, oder Myopie, nimmt zu. Wer kurzsichtig ist, sieht in der Nähe gut, aber weiter entfernte Objekte nur unscharf. Diese Sehstörung beginnt meist im Grundschulalter. Insbesondere um das 10. Lebensjahr lässt sich die stärkste Zunahme von Kurzsichtigkeit beobachten.

Kurzsichtigkeit entsteht dadurch, dass der Augapfel übermäßig in die Länge wächst. Gefördert wird das unnormale Wachstum des Augapfels durch häufiges Sehen auf kurze Distanzen. Das weiß Professor Wolf Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. Ob man allerdings ein Buch liest oder auf einen Bildschirm starrt – das ist egal. Viel entscheidender, so Lagrèze, seien Abstand und Dauer.

Je mehr ein Mensch im Nahbereich schaut und zum Beispiel lernt, studiert, seine Hausaufgaben macht, die Schulbank drückt, desto höher sein Risiko für Kurzsichtigkeit.

Junge Frau probiert beim Optiker eine Brille: Trägt jemand Brille oder Kontaktlinsen, so fällt das kaum weiter auf. Zwei Drittel aller Deutschen benötigen bereits eine Sehhilfe.
Trägt jemand Brille oder Kontaktlinsen, so fällt das kaum weiter auf. Zwei Drittel aller Deutschen benötigen bereits eine Sehhilfe.

Kurzsichtigkeit vorbeugen: Ausgleich für die Augen schaffen, Bewegung im Freien

Speziell geschliffene Brillengläser oder Kontaktlinsen ermöglichen Menschen mit Myopie ein normales Sehvermögen. Teilweise verhindern sie sogar, dass die Kurzsichtigkeit weiter zunimmt. Das ist auch wichtig. Denn sonst steigt das Risiko, im späteren Leben eine schwere Augenkrankheit zu bekommen. Warum, erklärt Prof. Lagrèze:

Es ist so, dass das kurzsichtige Auge ja länger ist, d.h. der hintere Augenpol, der dehnt sich auf, und die Netzhaut kommt unter Spannung. Und die Schichten, die die Netzhaut ernähren, die werden auch gedehnt und dann kann es da zu diesen Veränderungen kommen im Bereich der Netzhautmitte, aber auch im Bereich der äußeren Netzhautzonen.

Es gibt simple Vorbeugungsmaßnahmen gegen hohe Kurzsichtigkeit: Ausreichend Leseabstand zu Büchern und Bildschirmen halten - mindestens 30 Zentimeter. Auch regelmäßige Pausen sind wichtig. Am besten draußen, an der frischen Luft. Studien in den USA und Asien haben gezeigt: Wenn Kinder täglich zwei Stunden draußen spielen oder Sport treiben, halbiert sich ihr Risiko, kurzsichtig zu werden. Und wenn sie bereits kurzsichtig sind, verlangsamt sich das Fortschreiten der Myopie.

Auge, in dem sich ein Computerbildschirm spiegelt
Bildschirmarbeit kann die Augen überanstrengen. Umso wichtiger: Regelmäßige Pausen und genug Distanz zum Display!

In Zeiten von Bildschirmarbeit und Homeschooling sind diese Empfehlungen gar nicht so leicht umsetzbar. Forschungsdaten aus China belegen, dass insbesondere die Augen der jüngeren Altersgruppen durch Pandemie und Lockdown gelitten haben. Ein Grund zur Sorge, auch für die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Netzhautkrankheiten führen zu starkem Sehverlust – schlimmstenfalls zur Erblindung

Neben starker Kurzsichtigkeit begünstigen noch andere Risikofaktoren Netzhauterkrankungen. Dazu gehören bestimmte Allgemeinerkrankungen, genetische Faktoren und das Alter. Die schwerwiegendste dieser Krankheiten ist eine Netzhautablösung, die unmittelbar zur Erblindung führen kann.

Sichtbild eines Makulapatienten
Verzerrte Linien und unscharfe Punkte in der Mitte des Sehfeldes können Anzeichen für eine Makuladegeneration sein.

Die häufigste Netzhauterkrankung ist die altersbedingte Makuladegeneration, kurz AMD. In Deutschland leiden knapp 6 Millionen Menschen an diesem chronischen Leiden. Die AMD betrifft den Bereich des zentralen Sehens, die Makula. Als Folge geht die Fähigkeit, scharf zu sehen zunehmend verloren. Buchstaben, Gesichter, Autos – alles, was fokussiert wird, wird nur noch verschwommen wahrgenommen.

Es gibt zwei Formen altersbedingter Makuladegeneration: die trockene und die feuchte. Die trockene AMD verläuft recht langsam. Die seltenere feuchte AMD setzt hingegen sehr rasch ein. Hierbei verwachsen Blutgefäße mit der Netzhaut und schädigen diese. Die Folge: starker Sehverlust.

Zwar ist eine medikamentöse Therapie möglich, ein bereits vorhandener Sehverlust lässt sich aber nicht mehr rückgängig machen. Deshalb ist Früherkennung sehr wichtig. Um eine Makuladegeneration rechtzeitig zu diagnostizieren, sollten alle über 50-jährigen ihre Augen regelmäßig untersuchen lassen.

Neben genetischen Faktoren verstärken erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck, Diabetes, Arteriosklerose und ganz besonders das Rauchen das Risiko, eine AMD zu bekommen. Ausgewogene Ernährung und Bewegung können dieses Risiko senken.

Grüner Star: Glaukom betrifft Menschen ab 40

Eine weitere altersbedingte Augenkrankheit ist das Glaukom, besser bekannt als „Grüner Star“. Knapp drei Prozent der Menschen ab dem 40. Lebensjahr sind betroffen. Jenseits des 75. Lebensjahres leidet fast jeder Zehnte an einem Glaukom.

Der Begriff Glaukom fasst verschiedene Augenkrankheiten zusammen, bei denen der Sehnerv immer weiter geschädigt wird. Die Folge: Das Gesichtsfeld wird immer kleiner – also der Bereich, in dem man sehen kann, ohne seinen Kopf zu drehen. Auch hier gehört neben Alter und einer genetischen Anlage die Kurzsichtigkeit zu den größten Risikofaktoren.

Und dann hat die Augenärztin damals gleich gesagt: "Oh ja, das sieht nicht gut aus." Sie sagte „Glaukom verdächtige Gesichtsfeld-Ausfälle und Sehnerv-Ausfälle, auf einem Auge nur zehn Prozent Sehnerv.

Häufig wird das Glaukom sehr spät entdeckt, da die Gesichtsfeldeinschränkungen zunächst unbemerkt bleiben. Warum das so ist, beschreibt Professor Carl Erb. Er leitet die Sektion Glaukom in der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Wenn ein Glaukom erstmals diagnostiziert wird, seien häufig bereits schwere Gesichtsfeldschäden an mindestens einem Auge feststellbar. Manchmal sogar bis zum Spätstadium gehend, weil das zweite Auge den Schaden lange kompensiere.

Neuroprotektive Medikamente sollen den Abbau des Sehnervs verhindern

Grüner Star ist nicht heilbar. Er lässt sich höchstens verlangsamen, indem der zu hohe Augeninnendruck gesenkt wird. Das verhindert die weitere Schädigung der Sehnerven. Weil entsprechende Medikamente nicht immer gut vertragen werden, stellt eine Operation eine weitere Behandlungsmöglichkeit dar.

Die Medizin betrachtet das Glaukom heute nicht mehr isoliert als reine Augenerkrankung, sondern als Symptom eines generellen Nervenabbaus. Dass Nerven besonders im Alter abbauen, zeigen andere neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Beim Glaukom sind eben die Nervenfasern des Sehnervs betroffen.

Vielleicht bietet dieses veränderte Verständnis der Krankheit „Glaukom“ auch die Möglichkeit, effektivere Therapien dafür zu entwickeln. Bereits heute werden sogenannte neuroprotektive Medikamente dafür eingesetzt, dem Abbau des Sehnervs entgegenzuwirken.

Wie bei der Makuladegeneration ist auch bei einem Glaukom ein gesunder Lebensstil entscheidend. Dass bereits viel Bewegung das Fortschreiten des Glaukoms eindämmen kann, zeigt eine US-amerikanische Studie.

Grauer Star: Augenlinse trübt über Jahre ein

Beim Grauen Star handelt es sich um eine zunehmende Linseneintrübung. Diese zeigt sich zunächst durch eine erhöhte Blend-Empfindlichkeit. Zum Beispiel in der Dämmerung oder bei Gegenlicht. Später verschwimmen Kontraste, was beim Lesen stört. Farben wirken weniger brillant. Langsam verschwindet die Welt hinter einem grauen Schleier. Am Ende nehmen die Erkrankten nur noch hell und dunkel wahr.

Entgegenkommende Autoscheinwerfer blenden
Starke bis schmerzhafte Lichtempfindlichkeit kann Anzeichen für Grauen Star sein. Autofahren in der Dämmerung oder Nacht wird für Betroffene nahezu unmöglich.

Anja Liekfeld ist Leiterin der Potsdamer Augenklinik Ernst von Bergmann. Sie kennt die Ursachen für den Grauen Star: Neben dem Alter wird dieser begünstigt durch allgemeine Erkrankungen wie Diabetes und die Einnahme bestimmter Medikamente, z.B. von Kortison.

Grauer Star lässt sich dank minimalinvasiver Eingriffe gut operativ behandeln. Hierbei wird die eingetrübte Linse durch eine Kunstlinse ersetzt. Allerdings haben diese Linsen auch Nachteile: Kontraste sind nicht ganz so gut, außerdem ist eine leichte Blend-Empfindlichkeit möglich.

Ab dem 40. Lebensjahr: regelmäßig zur augenärztlichen Kontrolle

Ein durchschlagender Erfolg wie bei der Behandlung des Grauen Stars fehlt bisher bei anderen schweren Augenleiden. Aber die Medizin setzt alles daran, effektivere Therapien zu entwickeln. Bis dahin lautet die Devise: Früherkennung. Noch besser ist es aber, bereits Kinder vor einer hohen Kurzsichtigkeit zu schützen.

Untersuchung beim Augenarzt
Regelmäßige augenärztliche Kontrollen können irreparable Schäden an unserem wichtigsten Sinnesorgan rechtzeitig verhindern.

SWR 2022

Villingen-Schwenningen

Schwierige Suche nach Fachärzten und dem Rezept Wie viel zahlt die Krankenkasse? Wenn die neue Brille zur Belastung wird

Birgit Reuner aus Villingen-Schwenningen braucht eine neue Brille. Die Krankenkasse verlangt für die Kostenübernahme ein Rezept. Sie sucht lange, bis sie einen Arzt findet.

Landesschau Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Augen

Augen Gleichen sich Kurz- und Weitsichtigkeit im Alter aus?

Bei Kurzsichtigkeit hat man im Alter den Vorteil, dass man Dinge in der Nähe noch sehen kann. Aber es gleicht sich leider nicht mit der Alterssichtigkeit aus. Von Norbert Pfeiffer | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Sehkraft Wie kann man den Augen etwas Gutes tun?

Es gab immer wieder Hinweise, dass es möglich sein könnte, die Sehschärfe durch spezielle Augenübungen zu verbessern. Ist da wirklich was dran? Von Norbert Pfeiffer | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Medizin Ist Augenlasern inzwischen Routine?

Ja. Es ist eine Routineoperation, die es seit etwa 30 Jahren gibt. Sie ist immer besser und immer sicherer geworden. Aber es ist eine Operation an einem eigentlich gesunden Organ. Man muss sich überlegen, ob man das will. Von Norbert Pfeiffer

SWR2 Impuls SWR2

Gesundheit Welche Rolle spielt die Ernährung für die Augen?

Vitamin-A-Mangel kann schwere Störungen am Auge hervorrufen. Deshalb muss man genügend von diesen Vitaminen zu sich nehmen. Andersherum: Mehr Vitamine machen das Sehen nicht besser. Von Norbert Pfeiffer | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Medizin Bei welchen Krankheiten muss ich auf die Augen achten?

Viele Erkrankungen kann man dem Auge ansehen oder sie wirken sich im Auge aus. Zwei wichtige Krankheiten sind hier Diabetes und Bluthochdruck. Von Norbert Pfeiffer | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Neurologische Erkrankungen

Die Rolle der Propionsäure Darmtherapie bei neurologischen Krankheiten

Parkinson, Alzheimer, Multiple Sklerose... Wird es in Zukunft möglich sein, neurologische Krankheiten über den Darm zu erkennen und zu heilen?

Gesundheit Hoffnung für Parkinson-Patienten? – Neue Therapien gegen das Zittern

Mit immer neuen Therapien können die Folgen der Parkinson-Erkrankung verlangsamt und die Symptome gelindert werden. Auch die tiefe Hirnstimulation hilft.

SWR2 Wissen SWR2

Gesundheit Therapie bei Demenz – Alternativen zum Ruhigstellen

Zu viele Beruhigungsmittel, zu wenige Medikamente: Demenzkranke werden oft falsch behandelt, auch weil Angehörige überlastet sind. Zu einer guten Therapie gehören Zeit und Geduld.

SWR2 Wissen SWR2

Medizin und Gesundheit: aktuelle Beiträge

Medizin Antibiotika-Krise: Resistente Keime und was dagegen noch hilft

Viele krankmachende Bakterien sind inzwischen resistent
gegen eine wachsende Zahl Antibiotika. Eine Herausforderung für die Behandlung von Krankheiten. Es wird an Alternativen zu Antibiotika geforscht, zum Beispiel an Phagen. Wie weit sind wir und wo liegen Hindernisse?
Jochen Steiner im Gespräch mit Lena Ganschow, SWR-Wissenschaftsredaktion

Impuls SWR Kultur

Medizin Lecanemab: Alzheimer-Medikament vor Zulassung in der EU

Etwa eine Million Menschen leiden in Deutschland an Alzheimer. Eine Therapie mit dem Antikörper Lecanemab könnte den Krankheitsverlauf verlangsamen. Die Europäische Arzneimittelagentur spricht sich jetzt für eine Zulassung aus. Was kann das Medikament bewirken?
Stefan Troendle im Gespräch mit David Beck, SWR-Wissenschaft

Impuls SWR Kultur

Stand
Autor/in
Peggy Fuhrmann
Onlinefassung
Justina Bretzel
Candy Sauer