Botox wird meist für kosmetische Zwecke eingesetzt: Das Nervengift lähmt die Muskeln und unerwünschte Falten verschwinden. Ist das Stirnrunzeln weg, kann sich das aber auch positiv auf die Psyche auswirken. Das konnten Forschende aus Hannover erstmals per Hirnscan an einer kleinen Probandengruppe nachweisen.
Ein Forschungsteam aus Psychiatern und Psychiaterinnen hat nun per MRT festgestellt, dass die Lähmung der Stirnmuskeln durch Botox negative Gefühle bei Depressionen vermindern kann – und dass das sogar bei der Behandlung des Borderline-Syndrom helfen kann. Allerdings war die Studie recht klein, 24 Patient:innen erhielten Botox-Injektionen in die Stirn, 21 weitere in der Placebogruppe Akupunktur.
Botox kann Rückkopplung negativer Emotionen drosseln
Die Behandlung funktioniert, weil die menschliche Mimik eng mit der Psyche verknüpft ist: Erhält das Gehirn die Information, dass die Stirn gerunzelt wird, kann dies negative Emotionen verstärken. Wird diese Rückkopplung durch Botox blockiert, dann scheint es das Gefühlszentrum zu beruhigen. Genau das wirkt auch auf die typischen Symptome des Borderline-Syndroms.
Botox drosselt laut dieser Studie das emotionale Dauerfeuer im Mandelkern. Die Aktivität des Hirnareals, das vor allem für Ängste und andere negativen Gefühle zuständig ist, wird gedämpft.
Zusammenhang zwischen Mimik und Psyche muss noch weiter untersucht werden
Die Forschenden stützten sich bei der vorliegenden Botox-Studie auf die Facial-Feedback-Hypothese. Sie geht davon aus, dass unsere Mimik eng mit unserem Gefühlleben verknüpft ist. Emotionen wie Ärger, Angst oder Traurigkeit, die häufig bei Depressionen auftreten, führen zur Aktivierung von Muskeln im Bereich der unteren mittleren Stirn, der sogenannten Glabellaregion. Das Team der Medizinischen Hochschule Hannover setzt voraus, dass diese Mimik die negativen Emotionen aufrechterhält oder sogar verstärkt. Die Injektion von Botox unterbricht offenbar die Wechselwirkung zwischen Mimik und Stimmung. Die genauen Mechanismen sollen nun in Folgestudien aufgeklärt werden.
Da die Studien zur Wirkung auf Depressionen bisher doch sehr klein waren, bedarf es vor allem größerer Studien, um die Wirkung des Nervengiftes besser zu untersuchen. Auch die Bedingungen, unter denen Botulinumtoxin eine Depression lindern kann, müssten noch genauer untersucht werden.
Zukunft der Botox-Behandlung gegen Depressionen
Das Fazit der Forschenden: Botox kann helfen depressive Symptome zu verringern. Aber Achtung: Es kann nur unterstützend eingesetzt werden, nie als alleinige Therapie. Doch da die Depression sich längst zu einer Volkskrankheit ausgewachsen hat und konventionelle Therapien mit herkömmlichen Antidepressiva nicht bei allen Betroffenen greifen, wird dringend nach alternativen Therapiemöglichkeiten gesucht. Noch ist die Botox-Behandlung bei psychischen Erkrankungen experimentell und wird auch nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Botox-Einsatz in der Neurologie
Neben der aktuellen Forschung zum Einsatz von Botox gegen Depressionen wird es vor allem in der Neurologie eingesetzt. Dabei werden zum Beispiel Bewegungsstörungen, bei denen unwillkürliche und abnormale Muskelbewegungen auftreten, durch lokale Botox-Injektionen gelindert. Außerdem wird Botox auch gegen Lidkrampf, Schiefhals und übermäßiges Schwitzen injiziert.
Botox soll auch bei Migräne helfen
In ganz bestimmten Fällen wird es auch zur Migränevorbeugung genutzt. Seit 2011 ist Botox in Deutschland zur Migränebehandlung zugelassen – aber nur, wenn die Patienten unter chronischer Migräne leiden und auf andere Medikamente nicht ansprechen oder diese nicht vertragen. Ob Botox auch gegen Spannungskopfschmerzen oder andere Arten von Kopfschmerzen wirken könnte, ist mehrfach untersucht worden, aber diese Hoffnung hat sich bisher nicht bestätigt.
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