Für die Genschere CRISPR/Cas gab es 2020 den Nobelpreis, jetzt existiert auch eine Gentherapie, bei der sie benutzt wird - und zwar zur Behandlung von Bluterkrankungen.
Die europäischen Behörden haben zugestimmt: Die erste Gentherapie mit der Genschere CRISPR soll in der EU eingesetzt werden. Ein Meilenstein, sagen Experten. Das könnte erst der Anfang sein.
Das Ziel der neuartigen Therapie ist die Heilung von zwei Bluterkrankungen: Der Sichelzellanämie und der beta-Thalassämie.
Beide Erkrankungen haben gemeinsam, dass der Blutfarbstoff Hämoglobin fehlerhaft gebildet wird. Hämoglobinerkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Erbkrankheiten.
Fehlerhaftes Hämoglobin führt zu Organschäden
Dieser Blutfarbstoff ist Teil der roten Blutzellen. Er ist nicht nur für die rote Farbe des Bluts zuständig - er transportiert auch den Sauerstoff von der Lunge in den Rest des Körpers. Ist dieser Transport gestört, hat das massive Folgen:
Menschen mit einer Sichelzellanämie leiden beispielsweise immer wieder unter sogenannten Schmerzkrisen. "Die Patienten beschreiben uns das wie Zahnschmerzen am ganzen Körper", erklärt Andreas Kulozik, Direktor des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg. Er leitet auch die Abteilung für kindliche Krebserkrankungen und schwere Bluterkrankungen am Uniklinikum in Heidelberg.
Doch auch, wenn die Schmerzen nicht so stark ausfielen, habe die Erkrankung langfristige Folgen: "Die Organe werden immer wieder nur mangelhaft mit Sauerstoff versorgt. Das führt auf Dauer zu Schäden, zum Beispiel an der Niere, der Lunge, dem Herzen oder auch den Knochen." Betroffene hätten im Schnitt deshalb nur eine Lebenserwartung von knapp über 40 Jahren, sagt Kulozik.
Schwer betroffene Patientinnen und Patienten erhielten immer wieder Bluttransfusionen. Das gilt auch für Menschen mit einer beta-Thalassämie. Sie können weniger oder kein gesundes Hämoglobin bilden, sie leiden an Blutarmut, zum Überleben brauchen sie regelmäßige Bluttransfusionen.
Die neue Gentherapie erweitert die Therapie-Möglichkeiten bei beiden Erkrankungen.
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Meilenstein in der Therapie mit der Genschere CRISPR/Cas
Das Besondere: Das erste Mal wird hier die Genschere CRISPR/Cas eingesetzt. Toni Cathomen, Professor für Zell- und Gentherapie am Universitätsklinikum Freiburg ist begeistert: "Ich würde es schon als Meilenstein betrachten!"
Denn mit CRISPR sei ein ganz gezielter Eingriff ins Erbgut möglich: "Das ist mit bisherigen Gentherapien so nicht möglich. Da hingen wir immer etwas vom Zufall ab, wo das therapeutische Gen ins Erbgut eingebaut wird." Mit der Genschere CRISPR/Cas könne man hoffentlich viel gezielter eine therapeutische Wirkung erzielen.
Im Fall der Sichelzellanämie soll der Körper nach der Behandlung wieder in Lage sein, funktionsfähiges Hämoglobin herzustellen.
Dafür werden den Patienten blutbildende Stammzellen entnommen und diese im Labor mit der CRISPR-Genschere behandelt.
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Baby-Hämoglobin wird wieder aktiviert
Dabei nutzt man aus, dass der menschliche Körper nicht nur eine Art von Hämoglobin herstellen kann:
Vor der Geburt bilden Babys nämlich eine andere Version, das sogenannte fetale Hämoglobin. Dessen Gene sind nicht betroffen von den Gendefekten, die zu den schweren Erkrankungen führen. Aber sie werden nach der Geburt nach und nach ruhiggestellt, die Gene für den fetalen Blutfarbstoff werden nicht mehr abgelesen - normalerweise.
Denn bei der jetzt zugelassenen Gentherapie werden die verantwortlichen Hemmstoffe zerstört: Danach können auch Erwachsene die Gene für das Hämoglobin der Ungeborenen ablesen; sie stellen wieder funktionsfähige, rote Blutzellen her.
Allerdings müssen vorher ihre körpereigenen Blutstammzellen zerstört werden. Das geschieht durch eine Chemotherapie. Erst dann können die veränderten Zellen übertragen werden.
Genschere CRISPR/Cas: Noch viele Unsicherheiten bei der Therapie
Der Aufwand für die Patienten und Patientinnen ist hoch. Und noch ist auch nicht auszuschließen, dass die CRISPR-Genschere Nebeneffekte hat, die bisher noch unbekannt sind.
Denn in den Zulassungsstudien wurden die Probandinnen und Probanden bisher nur vier Jahre weiter beobachtet. "Das ist relativ kurz", erklärt Toni Cathomen von der Uniklinik Freiburg. "Doch in diesen vier Jahren hat man keine schweren Nebenwirkungen beobachtet. Das ist erfreulich." Wichtig sei es nun, genau zu verfolgen, welche Nebenwirkungen in den nächsten fünf bis 15 Jahren auftreten.
Bei anderen Therapien seien Fälle aufgetreten, bei denen eine Leukämie durch die genetische Behandlung ausgelöst wurde. Ob das auch bei der neuen CRISPR-Therapie auftreten kann, müsse man abwarten, sagt Toni Cathomen. Bisher gebe es keine Anzeichen dafür.
Zwei Millionen Euro pro Patient
Neben den medizinischen Fragen werden sicher auch die Kosten der Behandlung diskutiert werden. Pro Patient oder Patientin rechnen Fachleute mit zwei Millionen Euro Behandlungskosten.
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