Therapie bei Sichelzellenanämie

Erste Therapie mit Genschere CRISPR/Cas soll in der EU zugelassen werden

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Veronika Simon
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Elisabeth Theodoropoulos

Für die Genschere CRISPR/Cas gab es 2020 den Nobelpreis, jetzt existiert auch eine Gentherapie, bei der sie benutzt wird - und zwar zur Behandlung von Bluterkrankungen.

Die europäischen Behörden haben zugestimmt: Die erste Gentherapie mit der Genschere CRISPR soll in der EU eingesetzt werden. Ein Meilenstein, sagen Experten. Das könnte erst der Anfang sein.

Das Ziel der neuartigen Therapie ist die Heilung von zwei Bluterkrankungen: Der Sichelzellanämie und der beta-Thalassämie.

Beide Erkrankungen haben gemeinsam, dass der Blutfarbstoff Hämoglobin fehlerhaft gebildet wird. Hämoglobinerkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Erbkrankheiten.

Hämoglobin ist unter anderem dafür verantwortlich, dass das Blut rot ist.
Hämoglobin ist unter anderem dafür verantwortlich, dass das Blut rot ist.

Fehlerhaftes Hämoglobin führt zu Organschäden

Dieser Blutfarbstoff ist Teil der roten Blutzellen. Er ist nicht nur für die rote Farbe des Bluts zuständig - er transportiert auch den Sauerstoff von der Lunge in den Rest des Körpers. Ist dieser Transport gestört, hat das massive Folgen:

Vater tröstet Kind mit Knochenschmerzen.
Die Sichelzellanämie wird oft schon bei Kleinkindern durch Schmerzen, insbesondere Knochenschmerzen, bemerkbar.


Menschen mit einer Sichelzellanämie leiden beispielsweise immer wieder unter sogenannten Schmerzkrisen. "Die Patienten beschreiben uns das wie Zahnschmerzen am ganzen Körper", erklärt Andreas Kulozik, Direktor des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg. Er leitet auch die Abteilung für kindliche Krebserkrankungen und schwere Bluterkrankungen am Uniklinikum in Heidelberg.

Diese Schmerzen werden wie Zahnschmerzen am ganzen Körper beschrieben. Typischerweise werden die Kinder im frühen Kleinkindalter mit Schmerzen, insbesondere Knochenschmerzen, symptomatisch und danach gibt es krisenhaft Verschlechterungen dieser Erkrankung.

Doch auch, wenn die Schmerzen nicht so stark ausfielen, habe die Erkrankung langfristige Folgen: "Die Organe werden immer wieder nur mangelhaft mit Sauerstoff versorgt. Das führt auf Dauer zu Schäden, zum Beispiel an der Niere, der Lunge, dem Herzen oder auch den Knochen."  Betroffene hätten im Schnitt deshalb nur eine Lebenserwartung von knapp über 40 Jahren, sagt Kulozik.

Bei der Sichelzellenanämie sind die Zellen, aufgrund einer genetischen Veränderung, sichelförmig und starr. In den kleinen Blutgefäßchen können sie daher stecken bleiben und verursachen kleine Infarkte.
Normalerweise sind diese roten Blutzellen rund und biegsam. So passen sie auch durch sehr enge Blutgefäße. Das ist bei der Sichelzellanämie anders. Aufgrund einer genetischen Veränderung sind die Zellen sichelförmig und starr. In den kleinen Blutgefäßchen können sie daher stecken bleiben und verursachen kleine Infarkte.

Schwer betroffene Patientinnen und Patienten erhielten immer wieder Bluttransfusionen. Das gilt auch für Menschen mit einer beta-Thalassämie. Sie können weniger oder kein gesundes Hämoglobin bilden, sie leiden an Blutarmut, zum Überleben brauchen sie regelmäßige Bluttransfusionen.

Die neue Gentherapie erweitert die Therapie-Möglichkeiten bei beiden Erkrankungen.



Meilenstein in der Therapie mit der Genschere CRISPR/Cas

Das Besondere: Das erste Mal wird hier die Genschere CRISPR/Cas eingesetzt. Toni Cathomen, Professor für Zell- und Gentherapie am Universitätsklinikum Freiburg ist begeistert: "Ich würde es schon als Meilenstein betrachten!"

Damit ist das nicht einfach nur irgendeine weitere Gentherapie auf dem Markt. Ich würde es schon als Meilenstein betrachten in der Gentherapie!

Denn mit CRISPR sei ein ganz gezielter Eingriff ins Erbgut möglich: "Das ist mit bisherigen Gentherapien so nicht möglich. Da hingen wir immer etwas vom Zufall ab, wo das therapeutische Gen ins Erbgut eingebaut wird." Mit der Genschere CRISPR/Cas könne man hoffentlich viel gezielter eine therapeutische Wirkung erzielen.

Im Fall der Sichelzellanämie soll der Körper nach der Behandlung wieder in Lage sein, funktionsfähiges Hämoglobin herzustellen.

Dafür werden den Patienten blutbildende Stammzellen entnommen und diese im Labor mit der CRISPR-Genschere behandelt.

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Mit CRISPR/Cas ist es möglich, die genetische Information eines Organismus zu verändern. Welche Konsequenzen das für die Therapie von bestimmten Krankheiten hat, weiß Prof. Toni Cathomen.

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Baby-Hämoglobin wird wieder aktiviert

Dabei nutzt man aus, dass der menschliche Körper nicht nur eine Art von Hämoglobin herstellen kann:

Vor der Geburt bilden Babys nämlich eine andere Version, das sogenannte fetale Hämoglobin. Dessen Gene sind nicht betroffen von den Gendefekten, die zu den schweren Erkrankungen führen. Aber sie werden nach der Geburt nach und nach ruhiggestellt, die Gene für den fetalen Blutfarbstoff werden nicht mehr abgelesen - normalerweise.

Denn bei der jetzt zugelassenen Gentherapie werden die verantwortlichen Hemmstoffe zerstört: Danach können auch Erwachsene die Gene für das Hämoglobin der Ungeborenen ablesen; sie stellen wieder funktionsfähige, rote Blutzellen her.

Allerdings müssen vorher ihre körpereigenen Blutstammzellen zerstört werden. Das geschieht durch eine Chemotherapie. Erst dann können die veränderten Zellen übertragen werden.

Die Genschere CRISPRCas kann zusammen mit einer Chemotherapie bei Sichelzellanämie als Therapie zum Einsatz kommen.
Die Genschere CRISPR/Cas kann zusammen mit einer Chemotherapie bei Sichelzellanämie als Therapie zum Einsatz kommen.

Genschere CRISPR/Cas: Noch viele Unsicherheiten bei der Therapie

Der Aufwand für die Patienten und Patientinnen ist hoch. Und noch ist auch nicht auszuschließen, dass die CRISPR-Genschere Nebeneffekte hat, die bisher noch unbekannt sind.

Denn in den Zulassungsstudien wurden die Probandinnen und Probanden bisher nur vier Jahre weiter beobachtet. "Das ist relativ kurz", erklärt Toni Cathomen von der Uniklinik Freiburg. "Doch in diesen vier Jahren hat man keine schweren Nebenwirkungen beobachtet. Das ist erfreulich." Wichtig sei es nun, genau zu verfolgen, welche Nebenwirkungen in den nächsten fünf bis 15 Jahren auftreten.

Bei anderen Therapien seien Fälle aufgetreten, bei denen eine Leukämie durch die genetische Behandlung ausgelöst wurde. Ob das auch bei der neuen CRISPR-Therapie auftreten kann, müsse man abwarten, sagt Toni Cathomen. Bisher gebe es keine Anzeichen dafür.     

Das ist relativ kurz. Was erfreulich ist, ist, dass man in diesen vier Jahren keine schweren Nebenwirkungen beobachtet hat, auch das ist ein Erfolg. Jetzt müssen wir halt schauen, was passiert in den nächsten fünf bis 15 Jahren, sage ich mal.

Zwei Millionen Euro pro Patient

Neben den medizinischen Fragen werden sicher auch die Kosten der Behandlung diskutiert werden. Pro Patient oder Patientin rechnen Fachleute mit zwei Millionen Euro Behandlungskosten.

Doch die Hoffnungen in die neue Therapie sind groß - denn die bisher veröffentlichten Daten fallen sehr positiv aus. "Ungefähr 95 Prozent der Sichelzellanämie-Patienten, die so behandelt wurden, hatten im Untersuchungszeitraum keine Schmerzkrisen mehr", erklärt Andreas Kulozik von der Uniklinik Heidelberg. "Das ist für die Patienten eine wunderbare Nachricht." Ob diese Therapie auch das Fortschreiten der chronischen Organschäden verhindern könne, müsse man abwarten.

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