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Der Traum vom neuen Menschen – Wie Biohacker ihr Erbgut manipulieren

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Autor/in
Max Rauner
Max Rauner
Onlinefassung
Anja Braun

Biohacker inszenieren ihre Selbstexperimente gerne öffentlich

Josiah Zayner war der erste Biohacker, der sich öffentlich einen Crispr-Wirkstoff injizierte. Auf einer Biotech-Konferenz in San Francisco. Er wollte damit zeigen, wie einfach es ist, so ein Experiment durchzuführen.

Zayner begründet das so: "Ich will und kann nicht mit anderen Menschen experimentieren. Das wäre unethisch. Ich habe auch nicht das Geld, um klinische Studien durchzuführen. Die würde ohnehin niemand genehmigen. Was habe ich für eine Wahl?"

Josiah Zayner ist promovierter Molekularbiologe und hat für die NASA an Bakterien geforscht, bevor er sich selbstständig machte und die Firma The Odin gründete. Sie verschickt Crispr-Bausätze in alle Welt. Zu den Beratern seines Gentechnik-Versandshops gehört der Harvard-Professor und Crispr-Miterfinder George Church.

Biohacker wollen die Evolution selbst in die Hand nehmen

Einer der Kunden von The Odin ist Biohacker Rich Lee. Er will mithilfe von Crispr das Myostatin-Gen in seinen Muskelzellen ausschalten. Dieses Gen kontrolliert das Muskelwachstum.

Biomediziner haben etwas Ähnliches an Embryos von Tieren ausprobiert: an Mäusen, Hunden, Kaninchen, Ziegen, Schweinen und Rindern. Als die Tiere groß waren, hatten sie doppelt so viel Muskelmasse wie unbehandelte Artgenossen.

Rich Lee beteuert, es gehe ihm nicht darum, mehr Muskeln zu haben. Sein Ziel sei es, der Abnutzung seiner Muskeln vorbeugen und sie so länger am Leben erhalten.

Dazu hat er nun im Internet für 150 Dollar einen Do-it-yourself-Bausatz bestellt. Offiziell soll man damit nur Hefebakterien manipulieren. In den USA experimentieren sogar Grundschulkinder damit. Aber The Odin erklärt auf seiner Webseite, wie man auch die menschliche DNA mit Crispr gentechnisch verändern kann. Keine Ethikkommission der Welt würde solche Versuche erlauben. Deshalb experimentiert Rich Lee an sich selbst.

Rich Lee mixt die Gentechnik in seiner Garage zusammen

Von seinem Mitbewohner hat Lee eine Wärmelampe bekommen und mithilfe von Pappe über einer Petrischale platziert. Es ist eine Art Bioreaktor mit genetisch veränderten E-coli-Bakterien.

Der Versuchsaufbau erinnert an "Jugend forscht", nur dass Rich Lee die Highschool nie beendet hat und 39 Jahre alt ist. Er hat eine Glatze und streicht sich beim Reden ständig über den Kinnbart. Mit einer Zentrifuge stellt er den Crispr-Wirkstoff her. Mit ihm lassen sich dann Gene ausschalten, reparieren oder neue Gene einsetzen.

Dass Experten vor Selbstexperimenten warnen, lässt den Biohacker kalt

Dabei wird gewarnt, Crispr könnte schwerwiegende Nebenwirkungen haben, weil die Genschere die DNA womöglich auch an anderen Stellen durchtrennt. Im schlimmsten Fall könnte ein bösartiger Tumor entstehen. Trotzdem halten viele Biohacker das Risiko für vertretbar.

Viele Biohacker posten ihre Selbstversuche im Netz

Auch Rich Lee lässt sich von seinem Mitbewohner filmen, während er sich die selbst gemixte Flüssigkeit in die Arme spritzt. Es ist ungewiss, ob auf diese Weise überhaupt ein Effekt zu erwarten ist. Denn bei den Crispr-Experimenten, in denen Mäuse und Schweine zu Muskelprotzen mutierten, hatten Forscher die Embryos der Tiere im Reagenzglas gentechnisch verändert. Rich Lee jedoch ist ein erwachsener Mann, seine Muskelzellen sind voll entwickelt. Aber solche Skepsis hält ihn nicht auf.

Die Verbindung von Biohackern zu Transhumanisten

Die Transhumanisten befürworten die freiwillige Menschenverbesserung mithilfe von Psychopharmaka, Computer- und Gentechnik. Unter ihnen sind viele Autodidakten und Abenteurer, aber auch seriöse Wissenschaftler. In den USA gibt es eine transhumanistische Partei, zu deren Beraterstab auch Rich Lee gehört.

An der Oxford University in England arbeitet der Philosoph Nick Bostrom. Er gründete den Dachverband der Transhumanisten, die World Transhumanist Association. In Deutschland hat der Philosoph Stefan Sorgner gerade ein Buch über Transhumanismus veröffentlicht, es heißt "Schöner neuer Mensch". Der Titel ist ernst gemeint:

"Wir haben zum ersten Mal die Möglichkeit, auf präzise Weise unsere Gene zu einem günstigen Preis und sehr verlässlich zu verändern, sagt er. Bodyhacker, die solche Entwicklung zu Hause vorantreiben, können Forschung betreiben, die ansonsten verboten ist."

Transhumanisten befürworten Selbstexperimente mit Hilfe von Gentechnik

Der Philosoph Stefan Lorenz Sorgner von der John Cabot University, einer Privatuniversität in Rom, gilt als Bad Boy der Philosophie.

TranshumanistSorgner
Philosoph Stephan Lorenz Sorgner gilt als einer der bekanntesten Vertreter des Transhumanismus

Er befürwortet nicht nur Selbstexperimente mithilfe von Gentechnik. Sondern auch die gentechnische Veränderung von Embryos und Kindern durch ihre Eltern. Das sei doch auch nichts anderes als Erziehung oder Impfen, argumentiert Sorgner:

"Cyborg bedeutet Cybernetic organism, und das geht letzten Endes auf den Begriff des Steuermanns zurück. Also ein gesteuerter Organismus. Insofern ist Erziehung immer schon Steuerung gewesen. Und mithilfe der neuesten Techniken werden die Möglichkeiten der Steuerungsfähigkeit, noch erweitert. Und genauso wie es sogar moralisch verpflichtend ist, bestimmte Erziehungstechniken einzusetzen, könnte sogar der Rückgriff auf bestimmte neueste Techniken auch moralisch, vielleicht sogar gesetzlich verpflichtend werden."

Transhumanist Sorgner setzt darauf, Embryonen genetisch zu optimieren

Stefan Lorenz Sorgner argumentiert, das sei ja nichts Neues. Schließlich sei es in Deutschland bis 1976 gesetzlich verpflichtend gewesen, dass Kinder gegen Pocken geimpft wurden. Das sei schließlich auch eine verordnete biotechnische Verbesserung des Kindes gewesen.

Kritiker warnen vor einer neuen Kaste von Übermenschen

Der israelische Historiker Yuval Harari warnt: der Transhumanismus könnte eine neue Kaste von Übermenschen hervorbringen. Diese Übermenschen würden den Rest der Bevölkerung nicht viel besser behandeln als die Europäer des 19. Jahrhunderts die Afrikaner. Harari, Autor des Bestsellers "Homo Deus – göttlicher Mensch" sagt:

"So schnell, wie die Technik voranschreitet, sehe ich zwei Möglichkeiten für die kommenden 200 Jahre: Entweder wir werden uns selbst vernichten, durch einen Atomkrieg, einen Cyberkrieg, den Klimawandel oder eine Kombination aus alledem. Aber das ist unwahrscheinlich. Eher werden wir mit den neuen Technologien die Fähigkeit erlangen, das Leben neu zu gestalten und Körper und Bewusstsein zu schaffen. Homo sapiens wird nicht in irgendeiner hollywoodähnlichen Apokalypse verschwinden, sondern sich selbst auf eine ganz andere Stufe upgraden."

Solche Szenarien sind noch kühne Spekulation. Mithilfe von Crispr könnten zwar manche Krankheiten aus dem Genpool der Menschheit verschwinden. Aber Eigenschaften wie Intelligenz oder Kreativität werden von einer Vielzahl von Genen beeinflusst. Ihr Zusammenspiel ist erst ansatzweise verstanden.

Wie soll man mit der Do-it-yourself-Gentechnik umgehen?

In Deutschland sind Gentechnik-Experimente selbst mit Bakterien oder Pflanzen nur in Sicherheitslaboren erlaubt.

Dennoch gibt es auch hierzulande eine kleine Gemeinde an Biohackern, die sich zu sogenannten Crispr-Kitchen treffen. 2017 veranstaltete der Berliner Biohacker und Diplom-Biologe Rüdiger Trojok gemeinsam mit dem Institut für Technologiefolgenabschätzung und Systemanalyse ITAS des Karlsruher Instituts für Technologie in München ein sogenanntes Crispr-Kitchen.

In den USA dagegen dürfen Biohacker auf eigenes Risiko experimentieren.

Hier hat auch Rich Lee seinen Gentechnik-Bausatz bestellt: E-coli-Bakterien, Petrischalen, Pipetten, Kanülen, Einmalhandschuhe, Reagenzgläser, das Nährmedium Agar-Agar, das Crispr-Enzym CAS-9. Alles für 159 Dollar plus Versandkosten.

Biohacker fühlen sich ausgebremst durch enge Vorschriften und Gesetze.

Sie sind ein bunter Haufen Exoten. Doch es gibt auch schwarze Schafe. Das sind jene, die Geschäfte mit Kranken und Unwissenden machen wollen. So erklärte ein 28-jähriger auf einer Biohacking-Konferenz im Februar 2018, seine Firma habe "genetisch programmierte Nanoroboter", entwickelt, die Herpes heilen könnten. Außerdem könne die Technik 85 Prozent aller Krebsarten attackieren, und als nächstes werde seine Firma ein Aids-Medikament in Venezuela verteilen. Anteile an der Firma könnten in Bitcoin erworben werden. Die meisten Biohacker reagierten empört. Sie warfen dem Geschäftsmann Pseudowissenschaft und Abzocke vor.

Die ethische Grenze

Wo zieht man die Grenze, wenn Biohacker mit Gentechnik experimentieren? Dort, wo andere zu Schaden kommen, das ist unstrittig. Aber wenn die Technik weiter fortgeschritten ist, dürften Biohacker dann beispielsweise mit ihren eigenen, manipulierten Samenzellen ein Kind zeugen? Gut möglich, dass eines Tages Parlamente und Gerichte über solche Fragen beraten müssen.

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