Raumfahrt

Erster Start der Ariane 6 Rakete mit Problemen

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Autor/in
David Beck
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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR Kultur Impuls.
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

In Französisch-Guyana ist die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 erstmals gestartet. Allerdings verlief dabei nicht alles wie geplant.

Die neu entwickelte europäische Trägerrakete Ariane 6 ist am 9. Juli 2024 um 21 Uhr unserer Zeit vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana zu ihrem Jungfernflug gestartet. Es sah zunächst nach einem Bilderbuchstart aus. Die Verantwortlichen der Europäischen Weltraumagentur ESA und der Arianegroup hatten auch schon gejubelt und gefeiert.

Probleme der Ariane 6 Trägerrakete nach dem Bilderbuchstart

Nach dem Start war Ariane 6 mehr als eine Stunde perfekt geflogen, hatte sogar bereits mehrere Minisatelliten ausgesetzt – aber dann ging doch noch etwas schief: Eigentlich sollte Ariane 6 ihr Triebwerk nochmals zünden, um abzubremsen und so kontrolliert abzustürzen. Das funktionierte leider nicht. Der Grund: Die Hilfstriebwerke, die die Treibstoffversorgung für die wiederholten Zündungen sicherstellen, haben versagt. So kam es nie zur letzten Zündung. 

Daraus ergibt sich jedoch ein gravierendes Problem: Gerade diese Eigenschaft, das Triebwerk ihrer Oberstufe in der Umlaufbahn mehrfach erneut zünden zu können, braucht die Ariane 6 für ihren längerfristigen Erfolg.

Künftig soll sie mehrere kleine Satelliten auf einmal ins All transportieren, welche jeweils auf unterschiedliche Umlaufbahnen um die Erde einschwenken müssen. Deshalb muss die Oberstufe der Ariane 6 Rakete ihre Flugbahn immer wieder ein wenig ändern. Und das geht nur durch mehrfaches Zünden des Triebwerks. 

Auch das Aussetzen von zwei kleinen experimentellen Wiedereintritts-Nutzlastkapseln hat nicht geklappt. Jetzt umkreist die grob zwei Tonnen schwere Oberstufe in etwa 580 Kilometer Höhe als neuer großer Weltraumschrott die Erde. Insgesamt also nur ein Teilerfolg für den ersten Start der Ariane 6.

Lange Verzögerungen bis zum ersten Start der Ariane 6 Trägerrakete

Der erste Test der Ariane 6 war ursprünglich für 2020 vorgesehen, wurde aber immer wieder verschoben. Mit der Trägerrakete Ariane 6 hat die Europäische Weltraumorganisation (ESA) jetzt wieder einen "eigenen Zugang zum All" um selbst Satelliten in eine Erdumlaufbahn schicken zu können. Die sehr erfolgreiche Vorgänger-Rakete 5 hatte ihren letzten Flug im Juni 2023.

Bei ihrem ersten Testflug hatte die Ariane 6 insgesamt 17 kleinere Nutzlasten an Bord, darunter auch einige aus Deutschland. Der erste kommerzielle Start der Trägerrakete ist für Ende des Jahres geplant. Knapp 30 weitere Flüge sind bereits gebucht, darunter auch Starts für das geplante Satellitennetzwerk "Projekt Kuiper" des Amazon-Konzerns.

Wichtige Elemente der Ariane-6-Trägerrakete wurden in Baden-Württemberg überprüft und getestet

Was jetzt von Kourou ins All gestartet ist, das war schon mal hier: Bei Zeppelin in Friedrichshafen wurden und werden alle Bauteile für die Tanks der Ariane-6-Rakete geprüft, sogar zweimal. Das ist ein aufwendiger Prozess.

Eine fluoreszierende Flüssigkeit wird auf die Tanks gesprüht und anschließend wieder entfernt. Durch die Reste der Flüssigkeit werden Risse in den Tanks sichtbar, wenn es welche gibt. Die Augen der Spezialisten sind genauer als jeder Scanner - ihnen entgeht nichts.

Sicherlich haben wir eine große Tradition in der Ariane-Historie, weil wir auch schon früher für Ariane 4 selber Tanks hergestellt haben. Ich denke aber in der heutigen Zeit mit dem Portfolio, das wir machen, sind wir wirklich ein kleiner Baustein von vielen, die wichtig sind für die Ariane.

Auch die Antriebe der Ariane 6 wurden in Baden-Württemberg geprüft

Besonders wichtig für den erfolgreichen Start der Ariane 6: Die Antriebe. Auch die wurden in Baden-Württemberg getestet. In Lampoldshausen bei Heilbronn steht die wichtigste europäische Forschungs- und Testeinrichtung für Raketenantriebe. Getestet wird hier schon seit Ende der 1950er Jahre. Für die Ariane 6 hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eigens einen neuen Prüfstand gebaut - für Tests möglichst nah am echten Flugbetrieb.

In Lampoldshausen bei Heilbronn (Baden-Württemberg) wurde die Oberstufe der Trägerrakete Ariane 6 getestet und mitentwickelt.
In Lampoldshausen bei Heilbronn (Baden-Württemberg) wurde die Oberstufe der Trägerrakete Ariane 6 getestet.

Deshalb testen wir zum Beispiel auch die Oberstufentriebwerke unter Vakuumbedingungen, weil das sind ja auch die Bedingungen, die die Triebwerke später im Flug dann auch aushalten müssen.

Schon das Einhängen der fast zwölf Meter hohen Oberstufe mit über fünf Meter Durchmesser in den Teststand ist Millimeterarbeit. Die Raketen-Oberstufe bringt künftig Satelliten in ihre Umlaufbahn ab einer Höhe von 170 Kilometern. Getestet wurden aber auch alle anderen Antriebe.

Deshalb startet die Trägerrakete Ariane 6 nicht aus Deutschland

Hätte man die neue Ariane dann nicht auch gleich von Lampoldshausen aus starten können? Im Prinzip ja, doch der Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana hat einen entscheidenden Vorteil: Er liegt näher am Äquator. Dort lassen sich Raketen viel energiesparsamer starten als von unseren nördlichen Breitengraden aus.

Ist die Ariane 6 schon vor ihrem ersten Start veraltet?

Die ersten Ideen und Entwicklungen der Ariane 6 begannen Anfang der 2010er Jahre. Zum Teil wird die Kritik geäußert, dass die neue Trägerrakete schon veraltet sei, bevor sie überhaupt das erste Mal geflogen ist. Im Gegensatz zur Ariane 6 ist die Falcon-9-Rakete von Space-X zum Beispiel wiederverwendbar und günstiger.

Allerdings ist die Falcon 9 nur für private Auftraggeber günstiger. Die US-Bundesbehörde NASA zahlt pro Start einer Falcon 9 mehr als private Auftraggeber und auch mehr als ein Start mit der Ariane 6 kosten würde. Immer wieder wird diese Preispolitik als Subvention durch die Hintertür kritisiert.

Jeder Jungfernflug einer Rakete birgt Risiken

Der letzte Jungfernflug einer Ariane - der Ariane 5 - endete bereits nach etwa 40 Sekunden in einem großen Feuerball. Der Grund war ein grober Programmierfehler, wodurch der Computer abstürzte, die Rakete außer Kontrolle geriet und dann vom Boden aus das Signal zur Selbstzerstörung gesendet wurde.

Die neuen Triebwerke, Oberstufe und Startrampe der Ariane 6 wurden zwar, soweit das möglich ist, vorab getestet, doch am Ende musste sich die Rakete bei einem tatsächlichen Flug bewähren. Und da hat der Jungfernflug der Ariane 6 wieder einmalgezeigt, dass trotz jahrelanger Vorplanung auch immer wieder etwas schiefgehen kann.

Mindestens neun Flüge der Ariane 6 pro Jahr geplant

Nach derzeitigem Stand soll der erste kommerzielle Flug der Ariane 6 Ende des Jahres stattfinden. Für 2025 sind derzeit acht Starts geplant, danach soll sich die Frequenz auf mindestens neun Flüge im Jahr einpendeln.

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