Pragmatische Definition: Zeit ist, was Uhren messen
Physikalisch gesehen ist Zeit das, was Uhren messen. Das mag unbefriedigend klingen, aber diese Definition entspricht nicht nur unserem Alltagsverständnis, sondern auch Einsteins Relativitätstheorie.
Einstein hat gesagt, Zeit ist relativ. Damit meinte er, dass Uhren, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durch den Raum bewegen, unterschiedlich schnell ticken. Das hat man auch nachgewiesen: Wenn man eine hochpräzise Uhr in einem Flugzeug einmal um die Erde fliegen lässt, dann geht diese Uhr langsamer, als wenn sie an Ort und Stelle geblieben wäre. Sie geht nicht deshalb langsamer, weil sie im Flugzeug durch irgendetwas gebremst worden wäre, sondern weil die Zeit in schnell bewegten Körpern wirklich langsamer vergeht – relativ zu einem statischen Beobachtungspunkt.
Zeit ist in diesem Sinn also wirklich das, was Uhren messen. Auch die Maßeinheit der Zeit, die Sekunde, ist nur auf diese Weise definiert. Die "Uhr" ist in diesem Fall allerdings ein Cäsium-Atom: Ein Cäsium-Atom "schwingt" rund 9 Billionen Mal in der Sekunde und deshalb sagt die Physik einfach: Das ca. 9,192 Billionen-Fache dieser Schwingungsdauer definieren wir als "Sekunde".
Wie kann man das tiefere Wesen der Zeit beschreiben?
Die Frage ist: Muss man sich die Zeit als etwas vorstellen, was immer kontinuierlich "fließt"? Die Physik weiß heute: Zum einen ist die Zeit – ähnlich wie der Raum – nichts, was unabhängig von allem einfach da wäre. Wir stellen uns die Zeit oft wie ein Raster zwischen Vergangenheit und Zukunft vor, das "da ist", und dann "passiert" darin irgendetwas. Auch da hat Einstein gezeigt, dass das nicht so ist.
Sowohl Raum als auch Zeit werden durch die Materie und die Energie im Weltall erst aufgespannt. Zum mutmaßlichen Beginn des Universums, beim sogenannten Urknall, versagen diese physikalischen Gesetze und es ist völlig unklar, ob es überhaupt eine Zeit vor dem Urknall gab oder ob die Zeit als solche erst mit dem Urknall angefangen hat zu existieren.
Die Frage "Was war vorher?" ergäbe dann auch keinen Sinn mehr, denn wenn es keine Zeit gibt, gibt es auch kein "vorher" und "nachher". Ein weiteres Phänomen der Zeit ist, dass sie möglicherweise im Kleinen "gequantelt" ist. Das heißt, bildhaft gesprochen, verrinnt die Zeit nicht gleichmäßig, sondern sie tropft in winzig kleinen Zeitportiönchen, die viel kürzer sind, als wir das wahrnehmen können.
Unterschied zum Raum: Man kann sich in der Zeit nicht rückwärts bewegen
Ein weiteres Merkmal ist der sogenannte Zeitpfeil. Die Zeit kennt in unserem Empfinden nur eine Richtung. Die Zeit können wir nicht anhalten, nicht zurückdrehen, sie fließt von der Vergangenheit in die Zukunft und trennt Ursache und Wirkung. Die Vergangenheit ist das, was geschehen ist und sich nicht mehr ändern lässt, die Zukunft ist offen. Das ist erstaunlich, weil in der klassischen Physik – auch bei Einstein – die Zeit keine Richtung hat.
Die Bewegungsgesetze gelten vorwärts wie rückwärts. Wenn ich eine Billardkugel filme, wie sie auf dem Billardtisch rollt, könnte ich den Film auch rückwärts laufen lassen, ohne dass es auffallen würde. Anders ist es, wenn ich eine Glasscheibe filme, die zerbricht – hier sehe ich sofort, wenn der Film rückwärts läuft: Die Scherben setzen sich wieder zur Scheibe zusammen.
Das liegt an der sogenannten Entropie: Ereignisse entwickeln sich so, dass die Welt insgesamt tendenziell unordentlicher wird. Und wenn sie doch irgendwo ordentlicher wird – etwa, wenn wir den Abwasch machen – dann geht das nur, weil wir anderswo – in dem Fall im Abwasser – Unordnung schaffen. Diese Zunahme der Unordnung ist es, die physikalisch der Zeit eine Richtung gibt. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Energie des Universums muss am Anfang extrem "geordnet" gewesen sein – sonst gäbe es nicht die Möglichkeit, immer ungeordneter zu werden.
Wenn man das aber zu Ende denkt, ist es vorstellbar, dass das Universum in vielen Milliarden Jahren irgendwann einen maximal ungeordneten Zustand annimmt. Das wäre dann eine Art Strahlenbrei. In diesem maximal ungeordneten Zustand würde sich der Zeitpfeil sozusagen auflösen, das Universum wäre so monoton, dass sich zumindest im Kleinen die Vergangenheit nicht mehr von der Zukunft unterscheidet; es gibt keine Ursachen und keine Wirkung.
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