Kaum ein Waffensystem hat eine derartige Revolution ausgelöst wie die Panzer. Heute sind es Hochleistungsmaschinen, wesentlich schneller als ihre Vorgänger vor 100 Jahren. Der Beitrag von Michael Reitz aus dem Jahr 2016 ist unerwartet wieder aktuell geworden.
Im September 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, setzte die britische Armee zum ersten Mal so genannte Tanks ein, die Prototypen heutiger Panzer. Bis zu elf Soldaten drängten sich damals in einen nach Pulvergasen und Benzin stinkenden Innenraum, in dem sie brachial durchgerüttelt wurden und bereits nach kurzer Fahrt kaum noch atmen konnten.
Wie gigantische prähistorische Echsen sehen die gepanzerten Kolosse aus. Nur mit dem Unterschied, dass sie auf Ketten fahren und aus mehreren Rohren feuern. Diese Rammböcke abzuwehren scheint den deutschen Verteidigern unmöglich, selbst Maschinengewehrsalven prallen an ihrer bis zu zehn Millimeter starken Panzerung ab.
Trotzdem endet der erste Einsatz britischer Tanks in einem Desaster. Denn nach dem ersten, heftigen Schock stellen die deutschen Soldaten fest, dass Handgranatenwürfe die Kolosse rasch außer Gefecht setzen. Hinzu kommt, dass diese neue Waffe noch viele Konstruktionsfehler hat und gerne mal in einem der vielen Gräben liegen bleibt.
Jede Fahrt eine Tortur
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hatte es erste Planspiele gegeben, schwer bewaffnete, gepanzerte Fahrzeuge zu entwickeln. Der erste Entwurf mit Kettenantrieb und drehbarem Geschützturm stammt von Gunther Burstyn, einem Oberleutnant und begeisterten Tüftler der österreichisch-ungarischen Armee.
Das Projekt wird jedoch von der Heeresleitung abgelehnt. Sie ist sicher, dass solche Fahrzeuge unnötig viel Geld verschlängen – und dass sie strategisch wertlos wären. Nicht so bei den Briten. Ausgerechnet der Marineminister des Vereinigten Königreichs, der spätere Premierminister Winston Churchill, forciert seit 1915 die Entwicklung sogenannter "Landschiffe".
Diese Ungetüme werden im Englischen Tanks genannt, eine Bezeichnung, die sich bis heute hält. Für die achtköpfigen Besatzungen ist jede Fahrt eine Tortur. Die 27 Tonnen schwere Panzer wird von einem rund 100 PS-starken Motor bewegt, der so unerträglichen Krach macht, dass er selbst Brüllen übertönt.
Bedrohung im Panzer
Im Innern eines fahrenden Tanks herrscht eine Temperatur von bis zu 80 Grad Celsius. Wenn der Tank feuert, verpesten Pulvergase die Luft, oft müssen die Soldaten aussteigen, um nicht zu ersticken – dann werden sie Opfer feindlicher Maschinengewehrschützen.
Während die Briten ein Jahr nach der Schlacht an der Somme die erste reine Panzeroperation der Militärgeschichte mit mehr als 400 Tanks durchführen, werden deutsche Panzer erst 1918 eingesetzt. Im deutschen Panzermuseum im niedersächsischen Munster sind 130 historische Panzerfahrzeuge in drei großen Hallen ausgestellt.
Im Deutschen Reich sind, wegen des Krieges, Rohstoffe knapp. Dementsprechend katastrophal verlaufen Produktion und Einsatz des ersten deutschen Panzers mit der Typenbezeichnung A7V, im Armeejargon "Wotan" genannt. Im Munsteraner Museum steht eine Replik dieses Ungetüms, das in seiner Form an einen zu groß geratenen Schuhkarton erinnert.
Der französische Spinner
1934 veröffentlicht ein Absolvent der renommierten französischen Militärakademie Saint Cyr eine Art Geburtsurkunde der modernen Panzerstrategie. Er vertritt die Auffassung, dass ein künftiger Krieg nur mit schnellen Panzerverbänden gewonnen werden kann, die vollkommen selbständig operieren und Gegner überrennen.
Der Autor ist Charles de Gaulle, der spätere Präsident Frankreichs. Doch seine französischen Offizierskollegen halten de Gaulle für einen gefährlichen Spinner und lehnen sein Konzept rundweg ab. Es wird ausgerechnet von deutschen Panzergenerälen umgesetzt. Das ist der Beginn des so genannten Blitzkrieges.
Der Überfall auf Polen im September 1939, mit dem der Zweite Weltkrieg beginnt, endet nach nur vier Wochen. Kaum länger dauert der Krieg gegen Frankreich ab Mai 1940. Generalleutnant Erich von Manstein und General Heinz Guderian hatten die Taktik eines permanenten Bewegungskrieges erdacht. Hochriskant für Angreifer, aber unkalkulierbar für ihre Gegner.
Panzer über Gebirge
Deutsche Truppen wollen die Befestigungsanlagen der Maginot-Linie umgehen – durch ein irrwitziges Unternehmen. Panzer sollen über die unwegsame Eifel in die Ardennen vorstoßen und so schnell wie möglich die französische Atlantikküste erreichen.
Einer der Kommandeure ist Erwin Rommel, dessen Panzerverband bald den Namen "Gespensterdivision" bekommt, da niemand genau weiß, wo er sich gerade aufhält. Von Mansteins Plan gelingt, am 22. Juni 1940 muss Frankreich kapitulieren.
Als die Sowjetunion am 22. Juni 1941 von Wehrmacht und SS überfallen wird, sieht es lange Zeit aus, als wäre der deutsche Angriff wiederum ein Spaziergang. Die schnellen Panzerverbände umschließen in großen Kesselschlachten Hunderttausende Soldaten der Roten Armee, deren Verluste gewaltig sind.
Fronten der Panzerarten
Doch mit den sowjetischen Panzerdivisionen hat die Wehrmacht es zum ersten Mal mit gleichrangigen Gegnern zu tun. Die Sowjetunion wird zum Terrain großer Panzerschlachten während des Zweiten Weltkriegs. Die Soldaten der Roten Armee kämpfen in einem der bemerkenswertesten Panzer der Militärgeschichte, ausgestellt im Panzermuseum Munster.
Obwohl die Feuerkraft seiner Kanone mit dem Kaliber 7,6 cm relativ gering ist, wird der Tank 34 bald zum Rückgrat der Roten Armee. Einer der Gründe ist die abgeschrägte Frontpartie des Panzers. Seine Ausrichtung auf Masse statt Qualität hat verheerende Folgen für die Besatzungen: Die Schweißnähte des T-34 sind oft so schlampig verarbeitet, dass Granaten leichter durchschlagen.
Der Tank wird zu einem stählernen Sarg, denn sein Innenraum steht im Nu in Flammen. Die Geschwindigkeit des Panzers ist mit über 50 Stundenkilometern zwar sehr hoch, dadurch wird die Mannschaft jedoch rabiat durchgeschüttelt.
Kein Schutz der Soldaten
Der weitere Preis für die Massenproduktion im Hauruck-Verfahren ist hoch: von insgesamt 400.000 sowjetischen Panzersoldaten leben am Ende des Krieges nur noch 100.000. Weder der sowjetischen noch der nationalsozialistischen Führung war es wichtig, ihre Soldaten zu schützen, sondern in möglichst kurzer Zeit Kampfverbände auf die Schlachtfelder zu werfen.
Die fingierten Erfolgsmeldungen der nationalsozialistischen Wochenschau können über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen: Spätestens im Jahr 1943 ist klar, dass der Wehrmacht keine schnellen Panzervorstöße mehr möglich sind. Zwar gelingt es ihr – vor allem mit dem äußerst wendigen Modell "Panther" – viele T-34 abzuschießen. Doch die sowjetischen Fabriken, die außerhalb der Reichweite deutscher Bomberflotten liegen, produzieren den Panzer in Massen nach, insgesamt werden während des Krieges rund 50.000 Stück gebaut.
Panzer auch heute im Einsatz
Der Westen setzt mittlerweile in der Entwicklung neuer Panzer auf Hightech. Und in der Tat sind die Fortschritte in der Waffentechnik enorm. 1979 wird die erste Version des Leopard Zwei-Panzers bei der Bundeswehr eingeführt. Lediglich vier Mann Besatzung sind nötig, die vor einem Motor von 1.500 PS und 48 Litern Hubraum sitzen.
Neben einem Laser-Entfernungsmesser, Wärmebildgerät und einem weitgehend minensicheren Wannenboden verfügt er über die Fähigkeit, während der Fahrt auf bewegliche Ziele zu feuern. Mit einer Treffgenauigkeit von über 90 Prozent, auf Distanzen von mehr als vier Kilometern.
Die letzte große Panzerschlacht fand während des zweiten Irak-Krieges 2003 statt – allerdings, von einer Partei, zum größten Teil aus der Luft. US-amerikanische Jagdbomber setzten fast die gesamte irakische Panzerarmee außer Gefecht. Heutige Einsatzgebiete von NATO-Truppen wie Afghanistan oder Mali machen diese Kolosse des Schreckens weitgehend überflüssig.
Denn die asymmetrische Kriegsführung von Terroristen erfordert andere Strategien als den Aufmarsch großer Panzerverbände. Trotzdem geht die Produktion des Leopard Zwei weiter. Er wird, zu einem Stückpreis von 10 Millionen Euro, unter anderem in Länder exportiert, in denen autoritäre Regime herrschen. Beispielsweise Katar oder Indonesien – Staaten, wo, so vermuten Kritiker, für den Häuserkrieg umgerüstete Panzer zur Bekämpfung von möglichen Aufständischen eingesetzt werden sollen.
SWR 2016
Leopard 2
Militär Der Leopard 2 und die Geschichte der Panzer
Es sind Kolosse des Schreckens. Kaum ein Waffensystem hat eine derartige Revolution ausgelöst wie die Panzer. Heute sind es Hochleistungsmaschinen, wesentlich schneller als ihre Vorgänger vor 100 Jahren. Der Beitrag von Michael Reitz aus dem Jahr 2016 ist unerwartet wieder aktuell geworden. | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/panzer | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns auf Mastodon: @swr2wissen@social.tchncs.de
Zweiter Weltkrieg
Porträt Winston Churchill – Staatsmann der Widersprüche
Winston Churchill gilt als einer der größten und umstrittensten Politiker des 20. Jahrhunderts. Als er 1940 Premierminister wurde, motivierte er die Briten zum entschlossenen Kampf gegen Hitler.
18.10.1944 Verlogene Trauerrede auf Erwin Rommel
18.10.1944 | Generalfeldmarschall Erwin Rommel (15. November 1891 bis 14. Oktober 1944), der "Wüstenfuchs", ist tot. Offiziell gestorben bei einem Autounfall in der Folge einer Embolie. In Wahrheit hatte sich Rommel das Leben genommen, unter Druck gesetzt von Hitlers General Ernst Maisel. Rommel war in Ungnade gefallen, nicht nur, weil er als verantwortlicher General die Invasion der Alliierten in der Normandie nicht verhindern konnte, sondern vor allem, weil es Material gab, das ihn in Verbindung brachte mit den Hitlern-Attentätern vom 20. Juli. Rommel wurde vor die Wahl gestellt: Volksgerichtshof – oder Suizid. Rommel nahm die Zyankalikapseln. Weil er aber in der Bevölkerung so beliebt war, wurde darüber nicht gesprochen, vielmehr schlachtet das NS-Regime Rommels Tod noch einmal propagandistisch aus. So auch beim Staatsakt im Rathaus von Ulm, wo Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt am 18. Oktober die Trauerrede hält.
Panzer zur Abschreckung
17.6.1953 Der RIAS über den Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953
17.6.1953 | Am 17. Juni 1953 gehen in der ganzen DDR Millionen Menschen auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren und für die deutsche Einheit. Das Radio spielt für die Berichterstattung über den Volksaufstand die zentrale Rolle. Wo es geht, sind Reporterinnen und -reporter des RIAS im Einsatz, des Rundfunks im Amerikanischen Sektor, und berichten live von den Ereignissen.
31.10.1956 Reportage vom Aufstand in Ungarn
31.10.1956 | Im Herbst 1956 kommt es zu einem Volksaufstand in Ungarn. Menschen aus allen sozialen Schichten, Landwirte, Arbeiterinnen, Intellektuelle, selbst Vertreter von Kirche und Militär gehen auf die Straße. Sie fordern den Sturz der stalinistischen Regierung und wollen die sowjetischen Besatzer dazu bringen, das Land zu verlassen. Doch die Regierung in Moskau schickt Panzer und Truppen nach Budapest. Bis zum 4. November 1956 dauern die Proteste an, ehe sie vom sowjetischen Militär brutal niedergeschlagen werden. Am 31.10.1956 berichtet zum ersten Mal ein deutscher Reporter von den Aufständen in der ungarischen Hauptstadt.
21.8.1968 Warschauer Pakt beendet "Prager Frühling"
21.8.1968 | Die Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 bedeutet das Ende des Prager Frühlings. Die politischen Reformen in der Tschechoslowakei, der von Parteichef Alexander Dubcek propagierte "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", gehen Moskau und den anderen osteuropäischen Nachbarn zu weit. Und so macht der Warschauer Pakt seine Drohung war. Panzer rollen nach Prag und mit ihnen besetzen fast eine halbe Millionen sowjetische, ungarische, polnische und bulgarische Soldaten das Land. Schon in den frühen Morgenstunden berichtet Radio Prag.
19. bis 25.8.1991 Putsch gegen Gorbatschow – Sowjetunion in Auflösung
19. bis 25.8.1991 | Mit seinen demokratischen und marktwirtschaftlichen Reformen in der Sowjetunion macht sich Präsident Michail Gorbatschow viele Gegner auch in der eigenen Kommunistischen Partei, der KPdSU. Gorbatschow will die Sowjetunion zusammenhalten, aber den nicht-russischen Republiken dabei mehr Eigenständigkeit erlauben. Dies soll in einem Vertrag am 20. August 1991 besiegelt werden. Doch dazu kommt es nicht. Gorbatschow, der in den Tagen zuvor Urlaub auf der Krim macht, wird am 19. August festgehalten, ein selbsternanntes Staatskomitee erklärt in Moskau den Ausnahmezustand. Bei den Putschisten handelt es sich um hochrangige Parteimitglieder, unter ihnen Gorbatschows Vize Gennadi Janajew. Es ist der Beginn einer turbulenten Woche, an deren Ende der Putsch zwar beendet ist und Gorbatschow wieder im Amt, doch das Machtzentrum wird sich zum russischen Präsidenten Boris Jelzin verlagern und die baltischen Staaten sowie die Ukraine werden ihre Unabhängigkeit erklären. | http://swr.li/putsch-gegen-gorbatschow