Lukas Meyer-Blankenburg im Gespräch mit dem Historiker Stefan Wolle
Am 17. Juni 1953 gehen in Ost-Berlin und an vielen Orten in der DDR mehr als eine Million Menschen auf die Straße, um gegen das SED-Regime zu protestieren.
Live-Reportagen im RIAS spielen bei der Vermittlung der Ereignisse an dem Tag eine wichtige Rolle, sagt Dr. Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin. Das SED-Regime ist von den Demonstrationen überrascht und behauptet, sie seien mithilfe des "West-Radios" organisiert worden.
Die friedlichen Proteste werden von sowjetischen Panzern gewaltsam beendet. Es gibt Todesopfer. Rund 15.000 Menschen werden in der Folge verhaftet und verurteilt.
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Historische Tondokumente zum 17. Juni
17.6.1953 DDR-Volksaufstand: "Wir lassen uns nicht zurückhalten!"
17.6.1953 | Am 15. und 16. Juni 1953 treten in der ganzen DDR Arbeiter und Arbeiterinnen in den Streik und legen Baustellen und Betriebe lahm. Auslöser für ihren Protest ist die geplante Erhöhung der Arbeitsnorm durch die SED-Regierung. Kurz gesagt: Sie sollen mehr arbeiten, kriegen aber nicht mehr Lohn. Immer mehr Menschen solidarisieren sich mit den Streikenden. Am 17. Juni 1953 erreicht der Protest seinen Höhepunkt, Millionen Menschen sind landesweit auf den Straßen. Der Streik wird zum Volksaufstand. Die Volkspolizisten sind überfordert, Moskau schickt Soldaten. Am Mittag des 17. Juni 1953 ist die Lage unübersichtlich. Reporterin Dagmar Späth versucht, sich in Berlin einen Überblick zu verschaffen.
17.6.1953 Der RIAS über den Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953
17.6.1953 | Am 17. Juni 1953 gehen in der ganzen DDR Millionen Menschen auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren und für die deutsche Einheit. Das Radio spielt für die Berichterstattung über den Volksaufstand die zentrale Rolle. Wo es geht, sind Reporterinnen und -reporter des RIAS im Einsatz, des Rundfunks im Amerikanischen Sektor, und berichten live von den Ereignissen.
17.6.1953 Stellvertretender DDR-Ministerpräsident Otto Nuschke: "Ich wurde geraubt!"
17.6.1953 | Am 17. Juni 1953 protestieren Millionen Menschen in der ganzen DDR unter anderem für die deutsche Einheit. Die führenden Vertreter der SED-Regierung sind von dem Volksaufstand offensichtlich überrascht und tauchen unter. Otto Nuschke allerdings, stellvertretender DDR-Ministerpräsident und Mitglied der Ost-CDU, wird in seinem Auto von Demonstrierenden abgefangen und bedrängt. West-Berliner Polizisten nehmen den Politiker in Gewahrsam, wo er sogleich hörbar überrumpelt vor Reportern des RIAS Stellung beziehen muss.
17.6.1953 Bundeskanzler Konrad Adenauer: Regierungserklärung zum DDR-Volksaufstand
17.6.1953 | Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 überrascht nicht nur die politischen Führungen der DDR und der Sowjetunion. Auch im Westen weiß man zunächst nicht, wie man reagieren soll, als Millionen Menschen in der ganzen DDR für bessere Arbeitsbedingungen und für die deutsche Einheit demonstrieren. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) signalisiert im Bundestag in Bonn am 17. Juni symbolische Unterstützung für die Anliegen der Demonstrierenden. Mehr aber auch nicht. Der Westen will vermeiden, in den Verdacht zu geraten, einen Regimesturz im Osten zu provozieren.
18.6.1953 Karl-Eduard von Schnitzler: "Die Provokation ist zusammengebrochen"
18.6.1953 | Karl-Eduard von Schnitzler gilt als einer der streitbarsten Journalisten der deutschen Nachkriegszeit. Vom Westen in die DDR übergesiedelt, wird von Schnitzler schnell zum Chef-Propagandisten des SED-Regimes. In seinem Radio-Kommentar vom 18. Juni 1953 erklärt er den Hörerinnen und Hörern des Ost-Berliner Rundfunks, der Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni sei ein Putschversuch westlicher Agenten gewesen. Von Schnitzler wird diese Deutung viele Jahre lang beibehalten und verbreiten. Er bleibt über die Wiedervereinigung hinaus ein glühender Verfechter der DDR.
20.6.1953 Heidelberger Solidaritätskundgebung für die Menschen in der DDR
20.6.1953 | Die westlichen Regierungen reagieren zögerlich auf den Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953. Die Bundesrepublik, aber allen voran die USA, wollen vermeiden, Moskau zu provozieren. Große Teile der Zivilgesellschaft jedoch solidarisieren sich mit den Protesten in der DDR – so wie hier, am 20. Juni 1953, die Rednerinnen und Redner auf einer Solidaritätskundgebung in Heidelberg. Es geht um den Wunsch nach der deutschen Einheit, aber auch darum, dass die Deutschen gegen den Nationalsozialismus nicht auf die Straße gegangen seien, wohingegen jetzt in der DDR die Menschen für ihre Freiheit protestierten.
23.6.1953 Walter Ulbricht: "Die Arbeiterschaft steht hinter der DDR"
23.6.1953 | Soldaten der Sowjetunion beenden mit Panzern den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953. Um die hundert Menschen sterben, wie viele genau ist bis heute nicht geklärt, Tausende werden verhaftet. Mit dem Einschreiten Moskaus sitzt die SED-Regierung wieder fest im Sattel. Wenige Tage später, am 23. Juni, versucht Walter Ulbricht die Arbeiterschaft auf Parteilinie zu bringen. Ulbricht ist zu dem Zeitpunkt Erster stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats in der DDR.
Gründung der DDR
7.10.1949 Gründung der DDR
7.10.1949 | Am 7. Oktober 1949 wird aus der sowjetischen Besatzungszone die DDR. Dazu wird in der Ost-Berliner Wilhelmstraße die provisorische Volkskammer ins Leben gerufen, provisorisch, weil die Wahlen erst im Folgejahr stattfinden sollten. Wichtigster Redner an diesem Gründungstag der DDR ist Wilhelm Pieck. Er ist zusammen mit Otto Grotewohl Vorsitzender der SED und Präsident der Volkskammer. Vier Tage später wird er zum Präsidenten der DDR gewählt.
7.10.1949 Die DDR bekommt eine Verfassung
7.10.1949 | Als die provisorische Volkskammer der DDR am 7. Oktober 1949 ins Leben gerunfen wird, wird Johannes Dieckmann ihr Präsident. Seine wichtigste Aufgabe an diesem Tag ist es, die Abgeordneten über die neue Verfassung der DDR abstimmen zu lassen.
7.10.1949 Gründung der DDR: Karl-Eduard von Schnitzler kommentiert
7.10.1949 | Am 7. Oktober 1949 wird aus der sowjetischen Besatzungszone die DDR. Die provisorische Volkskammer wird ins Leben gerufen, freie Wahlen für das folgende Frühjahr angekündigt. Die neue DDR-Regierung nimmt für sich in Anspruch, das gesamte deutsche Volk zu vertreten. Das ist auch der Tenor des Kommentars von Karl-Eduard von Schnitzler im Berliner Rundfunk – dem Rundfunk der sowjetischen Besatzungszone. Schnitzler sieht einen Friedensvertrag und ein vereinigtes Deutschland am Horizont, dank der Unterstützung der Sowjetunion. Karl-Eduard von Schnitzler zeigt sich hier bereits als linientreuer agitatorischer Journalist – eine Rolle, die er später weiter verfolgt als Moderator der Propaganda-Fernsehsendung des DDR-Rundfunks "Der Schwarze Kanal". In diesem Kommentar erklärt er: Durch die Gründung der DDR sei der deutsche Staat wiedererstanden. Dass sich fünf Monate zuvor bereits die Bundesrepublik als Staat gebildet hat, verschweigt er.
8.10.1949 Berliner protestieren gegen Gründung der DDR
8.10.1949 | Am Tag nach der Gründung der DDR kommt es vor dem Schöneberger Rathaus zu einer großen Kundgebung. Den West-Berlinern steckt noch die überstandene Berlin-Blockade in den Knochen, die Gründung der DDR zementiert die deutsche Teilung aufs Neue.
Der Vorsteher der Berliner Stadtverordnetenversammlung, der Sozialdemokrat Otto Suhr, bringt seine Perspektive auf den Punkt: Zwei deutsche Staaten haben sich gegründet, die Berliner gehören keinem von ihnen an. Er meint die Bewohner im Westen der Stadt. Aber das Wort West-Berlin nimmt damals offiziell so noch niemand in den Mund.
Die Reportage lief am 8. Oktober 1949 ab 16 Uhr in RIAS Berlin.
11.10.1949 Großer Fackelzug zur Wahl von DDR-Präsident Wilhelm Pieck in Berlin
11.10.1949 | In ihren Anfängen hatte die DDR einen offiziellen Präsidenten, das war Wilhelm Pieck (1876 - 1960). Ins Amt gewählt wurde er am 11. Oktober 1949, vier Tage nach Staatsgründung. Zu diesem Anlass veranstaltete die Freie Deutsche Jugend FDJ einen großen Fackelzug. FDJ-Vorsitzender war der spätere Staatsratsvorsitzende Erich Honecker.
Mehrere zehntausend FDJ-Mitglieder (die FDJ selbst sprach von 200.000, aber die Zahl ist nicht belegt) marschierten an der Ehrentribüne vor der Berliner Humboldt-Universität vorbei.
Sowohl in der Reportage von der Wahl als auch in der Übertragung des Fackelzugs ist Margot Feist zu hören – besser bekannt unter ihrem späteren ehelichen Namen Margot Honecker. Sie gratuliert Pieck öffentlich im Namen der Pionierorganisation Ernst Thälmann zu seiner Wahl und überreicht ihm einen Blumenstrauß. Am Ende der Aufnahme vom Fackelzug äußert sie sich noch einmal.
In Moskau, wo die Staatsgründung der DDR eigentlich orchestriert wurde, stieß der Fackelzug auf Skepsis. Denn 1933 gab es schon einmal einen Fackelzug der NSDAP unter den Linden. Jetzt wieder einer – wie soll das zum Bild eines antifaschistischen Staates passen? Doch Walter Ulbricht und Erich Honecker argumentierten, Fackelzüge seien nun mal deutsche Tradition – so ließ Moskau sie gewähren. Und so wurde das Ereignis im DDR-Rundfunk übertragen.
Erich Honecker und Margot Feist kannten sich zu dem Zeitpunkt noch nicht näher. Sie lernten sich erst zwei Monate später kennen, als beide als Mitglieder einer DDR-Delegation zu den Feierlichkeiten von Stalins 70. Geburtstag nach Moskau reisten.
Mehr zur DDR im SWR2 Archivradio
Archivradio-Gespräch Der Mauerbau 1961 – Eskalation im Kalten Krieg
Um Mitternacht wird die Sektorengrenze abgeriegelt. Reporter berichten schon in den frühen Morgenstunden von den Bauarbeiten. Zu hören: Aufnahmen aus Ost und West – eingeordnet vom Historiker Dr. Stefan Wolle.