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Der Traum vom grünen Fliegen – Flugverkehr in der Klimakrise

Stand
Autor/in
Jan-Uwe Stahr
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Moderne Flugzeugflügel, synthetische Treibstoffe, andere Flugrouten – Forscher wollen das Fliegen klimafreundlicher machen. Passagiere könnten auch einfach seltener fliegen.

Mal eben aus dem grauen deutschen Winter in die Tropen sausen – auch für Normalverdiener ist das längst möglich. 222 Millionen Fluggäste in Deutschland und mehr als vier Milliarden pro Jahr werden weltweit durch die Luft bewegt. Und es sollen noch mehr werden. Doch wie hoch ist der Preis, den man dafür dem Klima zumutet? Wie hoch die CO2-Belastung? Auf der Homepage der Nichtregierungsorganisation "atmosfair.de" lässt sich das mit wenigen Klicks herausfinden. Das Ergebnis: Ein Flug von Frankfurt nach Bangkok hat eine Klimawirkung von 6,2 Tonnen CO2 – pro Person.

Das Pariser Klimaabkommen fordert die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius. Für die Luftfahrt bedeutet das: Sie muss ihre klimaschädlichen Emissionen drastisch reduzieren, das Fliegen muss "grüner" werden. Eine Umstellung auf elektrische, batteriebetriebene Flugzeuge wird – zumindest für weite Distanzen – technisch nicht möglich sein. Darüber sind sich alle Fachleute einig. Was bleibt sind klimaneutrale Treibstoffe. Sie sind derzeit die größte Hoffnung der Luftfahrtbranche.

Flugbenzin aus Biomasse oder erneuerbarem Strom

Der Verbrennungstechnik-Experte Manfred Aigner und sein Team, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Stuttgart, forschen zu synthetischen Treibstoffen. Sie testen zum Beispiel Flugbenzin, das aus Biomasse oder mithilfe von erneuerbarem Strom gewonnen werden kann anstatt aus fossilem Erdöl. Dieses synthetische Kerosin sei nicht nur CO2-neutral, es sei auch leistungsfähiger und insgesamt deutlich weniger umweltschädlich, da die Feinstaubmasse deutlich geringer sei.

Ideal für die Luftfahrt ist, dass die Airlines ihre vorhandenen Flotten mit synthetischem Kerosin weiterbetreiben könnten. Denn es lässt sich mit fossilem Kerosin vermischen – eine Voraussetzung für eine schrittweise Umstellung auf den klimafreundlichen Treibstoff. Schon jetzt gibt es synthetisches Kerosin zu kaufen, hergestellt aus organischen Abfällen.

Flugzeug wird betankt
Weltweit verbraucht die Luftfahrt pro Jahr 300 Millionen Tonnenan fossilem Kerosin

Für das Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar zum Beispiel wurden Proben davon für die Jets der Wirtschafts- und Politikeliten bereitgestellt. Doch die verfügbaren Mengen dieser biogenen Treibstoffe sind sehr begrenzt und werden es bleiben. Die große Hoffnung richtet sich deshalb auf "Power-to-Liquid", kurz PtL, das heißt die Herstellung des Flugbenzins mithilfe von grünem Strom.

Flugroutenplanung: Effekte von Kondensstreifen nutzen

Doch auch das wäre nur ein Anfang, um vom fossilen Kerosin wegzukommen. Denn weltweit verbraucht die Luftfahrt schon jetzt 300 Millionen Tonnen pro Jahr. Über eines sind sich alle Fachleute einig: CO2-neutrale und schadstoffarme PtL-Treibstoffe müssten in riesigen Mengen mithilfe von billigem Fotovoltaik-Strom produziert werden, damit sie bezahlbar sind. Das geht nur in sonnenreichen Ländern mit viel freier Fläche: Zum Beispiel in Südeuropa, Nordafrika oder dem Nahen Osten.

Doch es gibt schon heute Möglichkeiten, das Fliegen weniger klimaschädlich zu gestalten: Mithilfe der Kondensstreifen, die entstehen, wenn Flugzeuge durch Gebiete fliegen, die sehr kalt und feucht sind. Aus verwehten Kondensstreifen entstehen größere Eiswolken. Diese Cirrus-Wolkengebiete haben einen Einfluss auf die Wärmestrahlungs-Bilanz in der Atmosphäre.

Welcher Effekt überwiegt – wärmend oder kühlend – hängt unter anderem von der Sonneneinstrahlung und Reflexionseigenschaft des Bodens oder der tiefer liegenden Wolkenschicht ab. Daraus ergibt sich für die Wissenschaft eine interessante Fragestellung: Wie könnte man die Flugrouten so wählen, dass sich der wärmende Effekt der Kondensstreifen vermeiden und der kühlende Effekt nutzen ließe?

Klimaeffekt lässt sich anhand von Flugroute immens reduzieren

Prof. Stefanie Meilinger untersucht am Internationalen Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg solche Effekte und ihre Nutzungsmöglichkeiten im Auftrag der Lufthansa und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Deutschen Wetterdienst und der Deutschen Flugsicherung. Das Ergebnis ihrer Flugrouten-Simulationen ist beeindruckend: Je nach Wetterlage ließe sich der Klimaeffekt bei Transatlantikflügen um 50 bis 90 Prozent reduzieren.

Kodensstreifen am Himmel
Es gibt schon heute Möglichkeiten, das Fliegen weniger klimaschädlich zu gestalten: mithilfe der Kondensstreifen und der richtigen Wahl der Flugroute

Bei innereuropäischen Flügen könnte man vereinzelt sogar zu einer insgesamt kühlenden Wirkung von Flügen kommen. Der Preis dafür: höhere Betriebskosten von zwei bis 15 Prozent durch längere Flugzeiten und etwas weitere Flugstrecken. Das heißt: In der Praxis müsste ein wirtschaftlicher Anreiz für einen kleinen, klimafreundlichen Umweg geschaffen werden, zum Beispiel im Rahmen der CO2-Bepreisung. Obwohl diese Klimaschutzmaßnahme schon jetzt umgesetzt werden könnte, ist seit Abschluss der Studie vor mehr als fünf Jahren praktisch nichts passiert.

Empfehlung: weniger fliegen

In Zukunft einfach seltener abzuheben, das empfiehlt das Umweltbundesamt für den Luftverkehr der Zukunft. Möglichst auf dem Boden bleiben bei Inlandsreisen, beim Gütertransport und im Urlaub. 2019 waren zum zweiten Mal in Folge weniger Fluggäste innerhalb Deutschlands unterwegs. Die Zahl der Passagiere sank um 1,9 Prozent. 2018 hatte es laut Flughafenverband ADV einen Rückgang um 0,8 Prozent gegeben. Noch streitet die Luftfahrt-Branche aber ab, dass die rückläufigen Flugzahlen im Deutschlandverkehr etwas mit wachsender Flugscham zu tun hätten.

Fliegen: Billiger wird's nicht

Eins ist klar: Das Fliegen wird zukünftig nicht noch billiger, sondern wieder teurer werden. Sei es durch CO2-Abgaben oder durch das teurere synthetische Flugbenzin. Außerdem könnte die Bahn nicht nur auf innerdeutschen Strecken, sondern auch innerhalb Europas den Fliegern Kunden abnehmen. Zum Beispiel, wenn es wieder attraktive und preisgünstige Nachtzugverbindungen gäbe. Und wenn die Züge zuverlässiger und schneller unterwegs wären.

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