Radiovortrag von Lise Meitner 1953
Die Kernphysikerin Lise Meitner entdeckte zusammen mit Otto Hahn und Fritz Straßmann die Spaltung des Atomkerns. Mit dem Chemie-Nobelpreis hierfür wurde Hahn 1944 alleine ausgezeichnet. In einem Radiovortrag für den RIAS Berlin berichtet Lise Meitner von ihren Erfahrungen als Frau im Wissenschaftsbetrieb.
"Als ich vor mehr als 50 Jahren an der Wiener Universität Mathematik und Physik zu studieren begann, war ich sehr stark beeindruckt von der neuen Gedankenwelt, die mir eröffnet wurde. (…). Infolgedessen habe ich auch sehr wenig über die Entwicklung der Frauenbewegung gewusst. Vor allem war mir nicht klar geworden, was sie für die verschiedenartigsten Probleme bedeutet, die das individuelle Leben und das Gemeinschaftsleben in der menschlichen Gesellschaft in sich schließen. Natürlich hatte ich das eine oder andere über die Frauenfrage gelesen. Aber ich glaubte nicht, dass etwa ein Buch wie "Der physiologische Schwachsinn des Weibes" von Möbius, obwohl es von 1900 bis 1922 in 12 Auflagen herauskam, oder das 1910 erschienene Buch von Max Funke "Sind Weiber Menschen?" mit dem Untertitel "Mulieres homines non sunt" ernst genommen und widerlegt werden musste. Später habe ich begriffen, wie irrtümlich diese meine Auffassung war und welchen Dank jede speziell in einem geistigen Beruf tätige Frau den Frauen schuldig ist, die um die Gleichberechtigung gekämpft haben."
Lise Meitner beschreibt die Einstellung zum Frauenstudium in Deutschland im endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert als sehr ablehnend – nicht nur von Seiten der Universitätslehrer, sondern auch von Seiten der bürgerlichen Eltern.
Trotzdem seien in Deutschland und Österreich nach dem Ersten Weltkrieg Frauen als Dozentinnen und Assistenten in den verschiedensten Fachbereichen an Universitäten tätig gewesen. Meitner schaut in andere Länder, nach Schweden und in die USA. Auch dort war es nicht leicht für Frauen, eine "höhere" Stelle zu erhalten. Wissenschaftlerinnen wie der theoretischen Physikerin Maria Mayer-Goeppert (Anmerk. der Redaktion: Maria Goeppert-Mayer) oder den Anthropologinnen Margaret Mead und Ruth Benedict sei es dennoch gelungen, zu Weltruhm zu kommen.
Lise Meitner ist sich sicher, dass die Entwicklung hin zur Gleichstellung der Frau weitergeht. "Dass dabei einige besondere Probleme ihre Lösung finden müssen, wird wohl niemand übersehen."
14.8.1947 Otto Hahn über die Entdeckung der Kernspaltung
14.8.1947 | Zuerst hatten die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann Zweifel an ihrer Entdeckung der Kernspaltung. Sie experimentierten 1938 mit Uran, dem schwersten in der Natur vorkommenden Element. Dass das Uran in zwei leichtere Atome zerfallen könnte, damit haben die Forscher nicht gerechnet – aber die Beobachtungen ließen keinen anderen Schluss zu. Hahn wurde für diese Entdeckung 1944 der Nobelpreis für Chemie zugesprochen – doch offiziell gab die Schwedische Akademie der Wissenschaften dies erst nach dem Krieg 1945 bekannt. Sie wollte Hahn nicht in die Verlegenheit bringen, den Preis ablehnen zu müssen, wozu er unter der Nazidiktatur gezwungen gewesen wäre. Zwei Jahre später schildert Hahn dem Journalisten Jobst Klinkmüller, wie er zusammen mit Lise Meitner der Atomspaltung auf die Spur kam. | Kernenergie
7.10.1962 Otto Hahn spricht über sein Leben – Erinnerungen eines Radiochemikers
7.10.1962 | Otto Hahn (1879 - 1968) war einer der bedeutendsten deutschen Chemiker des 20. Jahrhunderts. Sein Name ist, im Positiven wie im Negativen, eng verbunden mit den zerstörerischsten Kriegstechnologien. Im Ersten Weltkrieg arbeitete er an der Entwicklung von Giftgas mit, das dann auch eingesetzt wurde. Zwischen den Weltkriegen setzte er seine Forscherkarriere fort und erbrachte den ersten direkten Nachweis der Kernspaltung. Dafür bekam er 1945 den Nobelpreis.