Lukas Meyer-Blankenburg im Gespräch mit der Historikerin Hedwig Richter
Seit 1918 dürfen auch Frauen in Deutschland wählen. Im Nachkriegsdeutschland mussten sie die Gleichberechtigung im Grundgesetz oder auch die Unabhängigkeit vom Ehemann hart erkämpfen. Auch der Kampf um sexuelle Selbstbestimmung in den 1970er-Jahren – mit prägenden Frauen wie Alice Schwarzer – war maßgeblich feministisch motiviert.
Doch die Metoo-Debatte zeigt: Die Frauenbewegung hat ihre Ziele noch nicht erreicht. Auch in Leitungspositionen sind Frauen unterrepräsentiert. Eine Geschichte des Feminismus mit vielen historischen Tonaufnahmen.
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Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München, befasst sich seit Langem mit der deutschen Frauenbewegung – vom Kaiserreich bis zur Klima-Aktivistin. Ihr Sachbuch "Demokratie: Eine deutsche Affäre" wurde mehrfach ausgezeichnet. Aktuell forscht sie zur Geschichte der Hausfrau.
Emanzipation Die "Neue Frau" der 1920er – Träume vom selbstbestimmten Leben
Bubikopf, Fransenkleid und Zigarettenspitze: In Serien wie "Babylon Berlin" lebt die selbstbewusste, mondäne Frau der 1920er-Jahre wieder auf.
Hedwig Richter
Gespräch Hedwig Richter: "Diese Demokratie ist stabil"
Ihr Buch „Demokratie. Eine deutsche Affäre“ war eines der am meisten diskutierten Sachbücher des Jahres 2020. Darin verteidigt Hedwig Richter die Demokratie als gesellschaftliches Erfolgsmodell. Viel Kritik musste sie jedoch einstecken für eine ihrer Kernthesen, der zufolge sich demokratischer Wandel vor allem durch politische Reformen von oben durchsetzen ließe und weniger durch Revolutionen der Massen.
Literatur Historikerin Hedwig Richter untersucht "Demokratie. Eine deutsche Affäre"
Es gibt in der deutschen Geschichtswissenschaft einen Trend: Sich die Kipppunkte der Vergangenheit hierzulande anzuschauen. Der neueste Versuch dazu kommt von der Münchner Historikerin Hedwig Richter. In „Demokratie. Eine deutsche Affäre vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ betrachtet sie die Herkunft des Staatswesens von heute. Ihre Hauptthese: Demokratie misst sich an der körperlichen Selbstbestimmung einer Gesellschaft — und die wuchs seit dem 18.Jahrhundert auch im Deutschen Reich stetig an.
Historische Tonaufnahmen
18.12.1908 Christabel Pankhurst fordert das Frauenwahlrecht
18.12.1908 | Christabel Pankhurst war eine britische Suffragette. Mit öffentlichen Protesten, Verbalattacken auf ranghohe Politiker und Hungerstreiks setzte sie sich für Frauenrechte ein.
April 1928 Marie Juchacz: "Die Frau ist vollberechtigte Staatsbürgerin"
April 1928 | Marie Juchacz, Reichstagsabgeordnete der SPD und Sozialreformerin, war die erste Frau, die in der Weimarer Nationalversammlung eine Rede halten durfte. 1919 war das. Im selben Jahr war Marie Juchacz außerdem Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt. Die Rechte der Frauen waren ihr besonders wichtig. Schon früh erkannte sie die volkswirtschaftliche Bedeutung der Frau – als Arbeiterin, als Konsumentin und in der Sorgearbeit. In ihrer Rede vom April 1928, wenige Wochen vor der Reichstagswahl am 20. Mai, fordert sie deshalb die Männer auf, den Frauen mehr Beachtung zu schenken:
Als die Nazis an die Regierung kommen, emigriert Marie Juchacz erst ins Saargebiet, dann nach Frankreich und schließlich in die USA. Dort gründet sie die Arbeiterwohlfahrt der USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt Marie Juchacz nach Deutschland zurück. Sie stirbt am 28. Januar 1956 in Düsseldorf.
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18.1.1949 Gleichberechtigung im Grundgesetz – dank Elisabeth Selbert
18.1.1949 | "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" – Im Januar 1949 wird dieser Artikel in den Entwurf für das neue Grundgesetz der Bundesrepublik aufgenommen. Dies ist vor allem das Verdienst der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert.
November 1953 Lise Meitner: "Frauen in der Wissenschaft"
November 1953 | Die Kernphysikerin Lise Meitner (1878 - 1968) entdeckte zusammen mit Otto Hahn und Fritz Straßmann die Spaltung des Atomkerns. Mit dem Chemie-Nobelpreis hierfür wurde Hahn 1944 alleine ausgezeichnet. In einem Radiovortrag berichtet Meitner von ihren Erfahrungen als Frau im Wissenschaftsbetrieb.
November 1955 Frauen im Rundfunk der 1950er
November 1955 | Susanne Delitz-Starker war von 1950 bis 1969 Personalchefin beim Südwestfunk und engagiert dabei, den Frauenanteil zu erhöhen, der 1955 bei gerade mal 28 Prozent lag. Frauen im Programm gab es damals nur wenige, und die wurden damals, wie das Interview vom November 1955 zeigt, vor allem im Frauenfunk beschäftigt.
7.1.1966 Erste Bundesministerin Elisabeth Schwarzhaupt: "Ich wurde in die Politik gezogen"
7.1.1966 | Elisabeth Schwarzhaupt war die erste Bundesministerin der Bundesrepublik. 1961 ernannte Konrad Adenauer die CDU-Frau zum Gesundheitsminister, damals noch in der männlichen Form. Die zwölf Kanzlerjahre zuvor hatte Adenauer noch ohne Frau im Kabinett regiert. Und für Elisabeth Schwarzhaupt entschied er sich nur, weil Frauen der CDU mit einer Sitzblockade vor dem Kanzleramt für die Ministerin protestiert hatten. Elisabeth Schwarzhaupt berichtet im Interview mit dem Hessischen Rundfunk am 7. Januar 1966 von ihrem Werdegang – und betont, eher zufällig in die Politik geraten zu sein.
13.9.1968 Der SDS zerstreitet sich, die Frauen rebellieren
13.9.1968 | Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) zeigt sich auf seinem Bundeskongress extrem zerstritten. Die Frauen rebellieren und vermissen das Thema Emanzipation. Hier bahnt sich die Auflösung des SDS an, die 1970 endgültig erfolgen sollte. Gegründet worden war der Sozialistische Deutsche Studentenbund am 2. September 1946.
12.9.1969 Frauen am Steuer: "Der 7. Sinn" lehrt Frauen das Autofahren
12.9.1969 | In den späten 1960er-Jahren strahlte die damals beliebte Fernsehsendung "Der 7. Sinn" ein ganz besonderes Lehrvideo zum Thema "Frauen am Steuer" aus, in dem auf die Gefahren durch Frauen im Straßenverkehr hingewiesen wird. An sexistischen Sprüchen mangelt es nicht in diesem Beitrag.
5.5.1983 Waltraud Schoppe über Sexismus im Bundestag
5.5.1983 | Im März 1983 ziehen die Grünen erstmals in den Bundestag ein und setzen für damalige Verhältnisse völlig neue Akzente – sowohl äußerlich als auch in den Themen, die sie ansprechen. Besonders deutlich wird das am 5. Mai 1983 in der Aussprache nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl. Die niedersächsische Abgeordnete Waltraud Schoppe spricht in ihrer ersten Bundestagsrede zum Abtreibungsrecht und in dem Zusammenhang ganz allgemein über die patriarchalischen Strukturen in der deutschen Gesellschaft sowie speziell im Bundestag. Auf den Bänken der Union aber auch der FDP erntet sie dabei höhnisches Gelächter, so wie am Vortag schon ihre Parteifreundin Petra Kelly und deren Lebensgefährte Gert Bastian verspottet wurden. Darauf bezieht sich Schoppes erste Bemerkung. Ihre Rede gilt heute als wichtiger Moment innerhalb der Frauenbewegung.
21.6.1985 Petra Kelly – Aushängeschild der Grünen
21.6.1985 | Petra Kelly war die Ikone der deutschen Friedens- und Anti-Atombewegung. Eine Grüne der ersten Stunde. Gründungsmitglied der Partei, mehrere Jahre Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete bis 1990. Hier ein ausführliches Interview mit ihr aus der SDR-Sendung „Von Zehn bis Zwölf“. Petra Kelly im Gespräch mit Moderator Rüdiger Becker. – archivradio.de
1.3.2023 Annalena Baerbock stellt ihre feministische Außenpolitik vor
1.3.2023 | Die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock ist die erste Außenministerin Deutschlands. Sie hat immer wieder betont, die Perspektive von Frauen in Gesellschaft und Politik stärker zu beachten – zum Beispiel, wenn es um die Situation speziell von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten geht. Am 1. März 2023 stellt Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt ihre Leitlinien für eine feministische Außenpolitik vor. Als Vorreiterin für dieses Konzept gilt die schwedische Außenministerin Margot Wallström, sie prägte die Bezeichnung 2014. Im Wesentlichen geht es darum, Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit zu stärken und gesellschaftliche Diversität zu fördern.