An Pfingsten 1986 demonstrieren Zehntausende gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Der Rundfunkjournalist Ulrich Böken war mit dem Mikrofon vor Ort. Sein Rohmaterial zeichnet ein Stimmungsbild der Demonstranten im Taxöldener Forst.
Nach Tschernobyl-Katastrophe verstärkt sich Widerstand gegen Wackersdorf
Die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in der Oberpfalz sollte die zentrale Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe aus Kernreaktoren in Deutschland werden. Der Protest gegen den Bau der WAA formierte sich schon Ende des Jahres 1985. Nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl verstärkte sich der Widerstand.
An Pfingsten versammelten sich Zehntausende Atomkraftgegner im Taxöldener Forst bei Wackersdorf, um gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage zu demonstrieren.
Hunderte Verletzte und Sachschaden in Millionenhöhe
Wie in Brokdorf (1977) und Gorleben (1980) kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Vermummte Demonstranten versuchten, über den Eisengitterzaun auf das WAA-Gelände zu gelangen, beschossen die Polizisten mit Stahlkugeln und setzten Fahrzeuge in Brand. Die Staatsmacht ihrerseits provozierte mit tieffliegenden Hubschrauberflügen und Reizgasgranaten, die sie in die Mengen warfen.
Die Bilanz des Wochenendes: Hunderte von Verletzten auf beiden Seiten, Sachschäden in Millionenhöhe.
Rohmaterial des Journalisten Ulrich Böken
Der Hörfunkjournalist Ulrich Böken war an diesem Pfingstwochenende mit seinem Mikrofon vor Ort. Hier zu hören das von ihm aufgenommene Rohmaterial in voller Länge.
- Lied: "Bayernland"
- Hubert Weinzierl (O-Ton), Vorstand des BUND: "Es ist Zeit, über die Grenzen der Großtechnologie nachzudenken."
- Atmo: Rhythmisches Klopfen am Bauzaun, Pfiffe, Durchsagen im Hintergrund
- Demonstranten reden auf Polizisten ein: "Gewalt entsteht durch Hilflosigkeit". Im Hintergrund sind Hubschrauber zu hören.
- Demonstranten beschreiben das Vorgehen der Polizei
- Hubschrauber werfen Gasgranaten in die Menschenmenge. Demonstranten: "Schau hi, der wirft oba ... geh mer." Aufhören-Rufe. Im Hintergrund: Hubschraubergeräusche.
- Reportage von Ulrich Böken: Er beschreibt die Situation.
- Empörte Demonstranten nach dem Gaseinsatz vom Hubschrauber.
Atomkatastrophe von Tschernobyl
28.4.1986 Das Reaktorunglück in Tschernobyl wird bekannt
28.4.1986 | Am 26. April 1986 explodierte um 1.24 Uhr Ortszeit einer der vier Reaktorblöcke im Kernkraftwerk Tschernobyl nahe dem Ort Prypjat in der Ukraine. Bei der Explosion wurden radioaktive Stoffe rund 1.200 Meter hoch in die Luft geschleudert. Drei großen Wolken verteilten die radioaktiven Partikel in den darauffolgenden Tagen über Europa. Die Öffentlichkeit war bis zum Abend des 28. April 1986 ahnungslos.
29.4.1986 Erste internationale Reaktionen auf den Reaktorunfall in Tschernobyl
29.4.1986 | Nach Bekanntwerden des Reaktorunfalls in Tschernobyl war das Informationsbedürfnis der westlichen Staaten groß. Das Korrespondentennetzwerk der ARD lieferte Informationen aus allen von der Radioaktivität betroffenen Ländern.
29.4./7.5.1986 Berichterstattung über das Reaktorunglück in Tschernobyl in der DDR
29.4./7.5.1986 | Auch die Medien in der DDR berichteten über die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Zunächst die Erklärung des Sprechers des Staatlichen Amts für Atomsicherheit und Strahlenschutz in der DDR vom 29. April 1986. Es folgt ein Gespräch der DDR-Wissenschaftler Prof. Dr. Günther Flach und Prof. Dr. Karl Lagius im Radio DDR am 30. April 1986. Beide Wissenschaftler können die Kritik an der Sowjetunion nicht nachvollziehen. Sie sehen darin eine üble Hetzkampagne des Westens. Anschließend ein Kommentar vom 2. Mai 1986 von Klaus Dieter Kröber zur Berichterstattung der westlichen Medien. Und schließlich die Nachrichten des Berliner Rundfunks vom 7. Mai 1986. Es geht darin um die Absage eines Jugendaustauschs; eine Gruppe Jugendlicher aus Baden-Württemberg hatte die DDR besuchen wollen.
6.5.1986 Was darf man nach Tschernobyl noch essen? Live-Sendung aus Schifferstadt
6.5.1986 | In den zwei Wochen nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl war die Verunsicherung groß. Was kann die Giftwolke anrichten? Es wurde davor gewarnt, bei Regen rauszugehen oder Kinder im Sandkasten spielen zu lassen. Auch Salat und Blattgemüse sollten lieber nicht gegessen werden. Und dann war ja gerade Spargelzeit – darf der Spargel geerntet und verkauftet werden? Am 6. Mai 1986 brachte der Südwestfunk eine Live-Sendung aus Schifferstadt, in der Hörerinnen und Hörer ihre Fragen stellen konnten.
14.5.1986 Bundestagsdebatte zu Tschernobyl und Atomkraft
14.5.1986 | Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist am 14. Mai 1986 Thema im Bundestag. Die Debatte ist für 2 Stunden angesetzt und dauert mehr als doppelt so lang. Sie zeigt, welche Zäsur das Ereignis bedeutete. Auf der einen Seite Union und FDP, die sich durch Tschernobyl nicht davon abbringen ließen zu beteuern, dass in Deutschland die sichersten Atomkraftwerke der Welt stehen und sich auch sonst Umweltprobleme am besten mit Technik lösen lassen – Helmut Kohl spricht gar von umweltfreundlichen Autos. Er meint die mit Katalysatoren. Auf der anderen Seite die Grünen, die sich durch Tschernobyl in ihrer Anti-Atom-Haltung bestätigt sehen, und die SPD, die, wie die Rede des damals noch jungen Gerhard Schröder zeigt, nun auch auf diesen Kurs einschwenkt. | Helmut Kohl: 01:22
14.5.1986 Stellungnahme von Gorbatschow nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl
14.5.1986 | In der ersten öffentlichen Stellungnahme der Sowjetunion nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl reagierte Michail Gorbatschow auf die Kritik des Westens. Er forderte zur internationale Zusammenarbeit in Kernenergiefragen auf.
Epoche der Kernenergie in Originalaufnahmen
August 1945 "We don't mind about 100.000 Japs": Otto Hahn irritiert über Reaktion eines Engländers auf Hiroshima
August 1945 | Der Chemiker Otto Hahn erfährt vom Atombombenabwurf in Hiroshima als Gefangener in einem britischen Internierungslager. Dort saß er zusammen mit anderen hochrangigen deutschen Naturwissenschaftlern wie Carl Friedrich von Weizsäcker. Später erinnert er sich an diesen Moment im August 1945.
9.8.1945 / 1959 Atombombe auf Nagasaki – Fliegeroberst Cheshire erinnert sich
9.8.1945 / 1959 | Drei Tage nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima flogen drei US-Militärflugzeuge Richtung Nagasaki, morgens kurz nach vier Uhr. Eins der Flugzeuge trug eine weitere Bombe, die Plutoniumbombe "Fat Man". Ein zweites enthielt wissenschaftliche Instrumente. Das dritte war ein Begleitflugzeug mit weiteren Soldaten. Unter ihnen der englische Fliegeroberst Leonard Cheshire. Cheshire sprach auch Deutsch. Jahre später, 1959, erzählt er im Rahmen eines Radiofeatures mit dem Titel "Die Drohung" vom Einsatz über Nagasaki.
Die Bombe auf Nagasaki tötete 22.000 Menschen direkt, zehntausende starben innerhalb der nächsten Monate an den Folgen.
14.8.1947 Otto Hahn über die Entdeckung der Kernspaltung
14.8.1947 | Zuerst hatten die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann Zweifel an ihrer Entdeckung der Kernspaltung. Sie experimentierten 1938 mit Uran, dem schwersten in der Natur vorkommenden Element. Dass das Uran in zwei leichtere Atome zerfallen könnte, damit haben die Forscher nicht gerechnet – aber die Beobachtungen ließen keinen anderen Schluss zu. Hahn wurde für diese Entdeckung 1944 der Nobelpreis für Chemie zugesprochen – doch offiziell gab die Schwedische Akademie der Wissenschaften dies erst nach dem Krieg 1945 bekannt. Sie wollte Hahn nicht in die Verlegenheit bringen, den Preis ablehnen zu müssen, wozu er unter der Nazidiktatur gezwungen gewesen wäre. Zwei Jahre später schildert Hahn dem Journalisten Jobst Klinkmüller, wie er zusammen mit Lise Meitner der Atomspaltung auf die Spur kam. | Kernenergie