Im Mittelmeer gibt es kaum Gezeiten. Das verführt dazu, dass bis nah ans Wasser gebaut wird. Doch Beton und Zement verhindern die natürliche Erneuerung der Strände. Mit viel Energie wird künstlich Sand aufgeschüttet. Doch das ist keine Dauerlösung.
Am Mittelmeer geht es den Stränden besonders schlecht:
- Flüsse bringen zu wenig Sediment mit, weil Staudämme im Oberlauf Sand und Steine zurückhalten.
- Hafenanlagen verändern die Strömungen und halten oft Sand zurück. Sand, der andernfalls an die Strände gespült würde.
- Außerdem stehen viele Gebäude sehr nah am Ufer, da, wo früher einmal die Dünen waren. Dünen sind für die natürliche Regenerierung der Sandstrände ebenfalls wichtig. Fehlen sie, fehlt der Sandnachschub für die Strände.
Die schwachen Gezeiten im Mittelmeer verführen dazu, nah an die Küste zu bauen. Dazu kommt der Klimawandel: Die Winterstürme werden immer heftiger und der Meeresspiegel steigt als Folge der Erderwärmung. Im Lauf des 20. Jahrhunderts ist das Wasser des Mittelmeers bereits um 20 Zentimeter gestiegen, schätzt das Spanische Ozeanographische Institut. Bis zum Jahr 2100 könnte der Meeresspiegel um einen weiteren Meter steigen, wenn die Emissionen weltweit nicht sinken.
Italien hat 40 Millionen Quadratmeter Strand an das Meer verloren
Eine Studie kam zu dem Ergebnis: In den letzten 50 Jahren hat Italien 40 Millionen Quadratmeter Strand an das Meer verloren.
Die Mittelmeerküste ist mittlerweile gesäumt von künstlichen Stränden: In Barcelona beispielsweise bringen große Schiffe seit 30 Jahren jährlich rund hunderttausend Kubikmeter Sand an den Strand. Das kostet jedes Mal rund eine Million Euro. Ohne die Eingriffe wäre der Stadtstrand längst verschwunden, die Badegäste müssten auf Felsen ihr Handtuch ausbreiten.
Strände als natürlicher und effektiver Küstenschutz
Aus geomorphologischer Sicht, also wegen ihrer Beschaffenheit und ihrer Form, sind Strände die effektivste natürliche Form des Küstenschutzes. Sie reagieren auf die Wellen, die sie erreichen und bilden Strukturen unter Wasser, die die die Wellen brechen.
Am anderen Ende des Ökosystems Strands liegt der Dünengürtel. Er dient als "Kornkammer": Die Wellen erreichen ihn nie. Der Wind lagert trockene, leichte Körner dort ab und trägt sie bei ablandiger Windrichtung wieder nach vorne.
Strände verändern also ihre Form und fangen so die Wellenenergie ab: Sie oszillieren. Von Land aus betrachtet sind sie im Winter kleiner, weil am Mittelmeer bei Winterstürmen und hohem Seegang viel Sand ins Meer gespült wird. Im Sommer, wenn der Wind und die Brandung schwächer sind, werden sie wieder größer. Auch nach intensiven wiederkehrenden Stürmen schrumpfen Strände. Deshalb sind Strände vom globalen Klimawandel besonders betroffen. Wenn die Zahl der extremen Stürme zunimmt, kommen sie nicht mehr nach mit ihrer Oszillation.
Ein Drittel der spanischen Sandstrände ist unter Beton begraben
Die Wellen bringen den Sand und sie nehmen ihn. Ein ewiges Spiel – das vom Menschen gestört wird: Wer die Dünen zubaut, kappt damit den Zugang zur Reserve. Deswegen fehlt Sand, der Strand erodiert. Und dann wird etwas ins Meer gebaut, um den Sand dort wieder zurückzuhalten. Doch dadurch wird es nur noch schlimmer. Denn Piers, künstliche Riffs, Dämme oder Wellenbrecher wirken wie "Sand-Fallen": Sie halten das wertvolle Sediment zurück, es gelangt nicht mehr ans Ufer, genauso wie bei Staudämmen in Flüssen.
In Spanien verbietet das Küstenschutzgesetz von 1988 zwar eine Bebauung der ersten hundert Meter hinter dem Strand. Doch das wurde jahrzehntelang missachtet. Tatsächlich hat sich die bebaute Fläche am Meer in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Ein Drittel der Sandstrände ist teils oder ganz unter Zement begraben. in der Mittelmeer-Region Valencia – mit fast 10 Millionen Touristen im Jahr 2019 –, sind es sogar drei Viertel, wie Greenpeace 2018 errechnet hat.
Unterwasserpflanzen können Strände retten
An Mallorcas Ostküste wird sanfter Küstenschutz versucht. 65 Kilometer von der Hauptstadt Palma entfernt liegt das Örtchen S'illot. Das Zentrum säumt ein kleiner, halbrunder Sandstrand, eingeengt von einer Promenade und einem kleinen Hafen. In der Brandung liegen dunkle Haufen aus Pflanzenresten. Am nördlichen Ende des Strandes mündet ein kanalisierter Bach ins Meer – ein Sediment-Lieferant.
Sandvorspülungen, also das künstliche Auffüllen der Strände mit Sand, gibt es auf Mallorca schon seit einigen Jahren nicht mehr. Wie also hält man den Sand an einem Stadtstrand? Mit Posidonia Oceanica. Dies ist eine Unterwasserpflanze, die im Seichten auf sandigem Boden wächst. Bei starkem Seegang spülen die Wellen ihre langen, abgestorbenen Blätter ans Ufer. Dort bilden sie dunkle, schwere Haufen auf dem Sand. Viele Badegäste finden sie nicht schön, manche ekeln sich. Deswegen wurden sie jahrzehntelang vor Saisonbeginn mit Baggern weggebracht. In S'Illot und den umliegenden Stränden bleiben sie neuerdings liegen.
Geradezu liebevoll kümmern sich manche um das Gleichgewicht ihrer Strände, ja um ihr Überleben. Andere sehen sie nach wie vor nur als Fläche, auf der man im Sommer viel Geld verdienen kann. Viele Strände am Mittelmeer sind längst tot. Ohne regelmäßige Sandvorspülungen wären sie längst verschwunden. Doch man kann sie zu neuem Leben erwecken.
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