Susanne Stähr, geboren 1964 in Bad Homburg, hat nach ihrem Studium der Germanistik und Musikwissenschaft als Pressesprecherin und Dramaturgin an der Hamburgischen Staatsoper, bei der Münchener Biennale und den Salzburger Festspielen gearbeitet. Heute arbeitet sie als Musikjournalistin und als Dramaturgin beim Lucerne Festival.
Wie kam die Klassik in ihr Leben?
Durchs Klavierspielen und durch den Chor der Erlöserkirche Bad Homburg, wo ich schon als Achtjährige bei Bachs Matthäus-Passion mitwirken durfte. Und noch früher: durchs familiäre Singen in meinem Elternhaus.
Was muss eine Aufnahme mitbringen, damit Sie sie auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen?
Sie muss so sein, dass ich auch bei vielfachem Hören noch neue Details entdecken und darüber nachdenken kann. Das betrifft sowohl die Werke als auch die Interpretation.
Was ist ihr hartnäckigster Ohrwurm und warum?
Da wäre etwa der finale Hirtengesang aus Beethovens „Pastorale“. Oder die Dumka aus Dvoraks Klavierquintett in A-Dur op. 81. Typische Ohrwürmer, mit einer kurzen melodischen Formel, die sich einem regelrecht ins Gehör einbrennt. Aber selbst bei guten Ohrwürmern kann das auf Dauer äußerst lästig sein. Unerträglich dagegen ist es, wenn eine banale oder nur blöde Wendung aus der Werbung partout nicht mehr aus dem Hirn weichen will …
Nach welcher Musik können Sie nicht schlafen?
Das hängt weniger vom Werk als von der Aufführung ab. Nach Konzerten, die mich atemlos werden lassen, die den Pulsschlag beschleunigen oder mich tief berühren, ist es schwierig, wieder auf Normalität zurückzuschalten. Dabei ist der Live-Charakter wichtig, auch das gemeinsame Hören mit anderen. Bei CDs kommt so etwas eher selten vor.
Mit welcher musikalischen Persönlichkeit würden sie gern mal Essen gehen?
Neugierig wäre ich auf viele. Aber manchmal denke ich, dass es besser ist, die berühmten Damen und Herren aus der Vergangenheit nicht persönlich zu kennen. Vielleicht wäre ein gemeinsames Essen mit Mozart, Beethoven, Wagner, Brahms, Strawinsky oder wem auch immer ja ernüchternd und dem Respekt für ihr Schaffen nicht zuträglich.
Was würden Sie sie fragen?
Von Wagner würde ich gerne wissen, ob er auch mal an sich gezweifelt hat. Von Telemann, ob er bei einer Blindverkostung seine Werke wiedererkennen würde. Von Brahms, wie viele Sinfonien er tatsächlich komponiert (und später verbrannt) hat. Von Schubert, ob er eigentlich weiß, was der Schubert’sche Personalrhythmus ist. Von Strawinsky, warum er ab einem gewissen Alter so große Angst vor schwelgerischen Melodien hatte. Fragen gäbe es viele …
Welches war Ihre musikalisch aufregendste Begegnung?
Was ist aufregend? Am meisten gezittert habe ich 1997 bei der Uraufführung von Helmut Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ in Hamburg. Am beglückendsten war für mich wahrscheinlich John Eliot Gardiners Zyklus mit den drei Monteverdi-Opern zum 450. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2017.
Adagio - presto - espressivo - furioso: welche musikalische Bezeichnung entspricht Ihnen am meisten?
Adagio am wenigsten. Presto oft beim Arbeiten. Espressivo, wenn ich andere für etwas gewinnen möchte. Und furioso? In rauschhafter Verfassung. Oder mit Wut im Bauch.
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