„Louis van Beethoven Claviersonaten, eine vortrefliche Composition eines jungen Genius von 11 Jahren“. Mit diesen großen Worten warb das „Magazin der Musik“ im Oktober 1783 für Beethovens sehr frühen Sonaten (WoO 47). Tatsächlich sind diese sogenannten Kurfürstensonaten alles andere als kindlich: Sie atmen durchaus schon Beethoven’schen Geist und sind pianistisch – besonders wegen ihrer differenzierten Artikulation – eine Herausforderung.
Der 13-Jährige Louis
Beethoven stand im Herbst 1783 kurz vor seinem 13. Geburtstag. Dass er von seinem Lehrer im Vorwort der Sonaten als 11-jähriger angekündigt wurde, ist wohl als PR-Gag zu werten, allerdings herrschte auch in Beethovens Bonner Musiker-Familie einige Unklarheit über das wirkliche Geburtsdatum des jungen Komponisten.
Jedenfalls steht dort – sicher nicht von Beethoven selbst geschrieben – zu lesen: „Ich habe nun schon mein eilftes Jahr erreicht; und seitdem flüsterte mir oft meine Muse in den Stunden der Weihe zu: ,Versuch’s und schreib einmal deiner Seele Harmonien nieder!‘ … Und darf ich’s nun Erlauchter! wohl wagen, die Erstlinge meiner jugendlichen Arbeiten zu Deines Thrones Stufen zu legen?“.
Ein noch ungeschliffener Diamant
Die Jugendwerke Beethovens aus dieser Zeit tragen noch keine Opuszahl und tauchen daher nicht im Kanon der 32 späteren berühmten Klaviersonaten auf. Dennoch sind diese anspruchsvollen Stücke nicht zu unterschätzen.
Während der Einfluss von Mozart auf Beethovens Kammermusikwerke der Bonner Jahre deutlich zu erkennen ist, fällt es schwerer, Vorbilder für diese erste Gruppe von Klaviersonaten auszumachen. Besonders auffallend ist ihr Überfluss an dynamischen Angaben und ausgefeilten Artikulationen.
Jedoch lassen sich ähnliche Angaben, wenn auch weniger großzügig verwendet, bei seinem damaligen Lehrer in Bonn, Christian Gottlob Neefe, finden. Neefe erkannte zudem das Genie Beethoven schon früh und prophezeite ihm eine Karriere als "zweyter Mozart".
Ein Hauch von Genialität in der f-Moll-Sonate
Stilistisch sind die Kurfürstensonaten noch von dem beeinflusst, was Beethoven in der Bonner Hofkapelle (und zu Hause bei Vater und Großvater) hörte: Werke der sogenannten „Mannheimer Schule“ und der „Sturm-und-Drang“-Stilistik, wie sie auch Carl Philipp Emanuel Bach in seinen Clavierwerken ausgiebig anwendete.
Einen sicheren Instinkt für dramatische Gestaltung weist innerhalb der Dreiergruppe vor allem die zweite Sonate in f-Moll von 1782 auf, die schon durch ihre unübliche Tonartenwahl hervorsticht. Dreiklangsketten, Tonleitern, Albertibässe und Quintfallsequenzen, verpackt in einen eher kleingliedrigen periodischen Aufbau mit einfacher Harmonik, entsprechen zwar der damals üblichen verbindlichen Musiksprache.
Doch erhöhen häufige Abweichungen paralleler Stellen den Reiz dieses an sich einfachen Stücks. Kompositorisch weist die f-Moll-Sonate weit voraus in die Wiener Zeit. Und im Hauptthema des 1. Satzes lässt sich bereits das Allegro-Thema der Grande Sonate pathétique erahnen.
Exklusiv beim SWR aufgenommen – fürs Radio und Internet
#Zusammenspielen heißt die Aufnahme-Reihe, für die SWR2 im Corona-Jahr 2020 freiberufliche Musiker*innen in die Studios eingeladen hat. Über 60 Musiker*innen und Ensembles unterschiedlicher Couleur waren dafür bei uns – mit Lieblingsstücken und Repertoire, das wir im Radio senden und im Netz anbieten wollen. Im Musik-Podcast #Zusammenspielen auf SWR2.de gibt’s die Aufnahmen kombiniert mit Musiker-Gesprächen; ausgewählte Stücke – wie dieses – bieten wir auch als Musikstück der Woche an.