Musikstück der Woche

Michael Sanderling dirigiert Beethoven: Musik zu Goethes „Egmont“, Ouvertüre in c-Moll op.84

Stand
Autor/in
Ida Hermes

Im Konzert steht sie meist für sich: Die Ouvertüre aus Beethovens „Musik zu Goethes Trauerspiel Egmont“ op. 84.

Als Musikstück der Woche hören Sie das Werk mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter Michael Sanderling.

Goethes Zeitmaschine

Wenn es um Freiheit geht, so scheint es, sind Worte nicht genug. „Die Musik fällt ein und schließt mit einer Siegessymphonie das Stück“, notiert Johann Wolfgang von Goethe am Schluss seines Trauerspiels „Egmont“, und gibt damit die Kontrolle über das Finale ab.

Auch ein Vorspiel, Lieder und Zwischenspiele soll es geben. Nicht etwa als illustrierende Momente, sondern der Dichtung gleichberechtigt, mit dramaturgischer Funktion. Welch ein Wagnis von einem Dichter, der stets darum bangt, Vertonungen könnten vom Inhalt seiner Texte ablenken!

„Aus Liebe zum Dichter“

In Ludwig van Beethovens Egmont-Musik jubeln Pauken und Trompetenfanfaren bereits am Ende der Ouvertüre, Streichertremoli schrauben sich in die Höhe. Er schreibt sie 1809, zwanzig Jahre nachdem Goethe die erste Fassung seines Schauspiels abgeschlossen hat. Es ist die Zeit der französischen Besatzung in Wien: Am 11. Mai 1809 bezieht Napoleon Bonaparte Quartier im Wiener Schloss Schönbrunn.

Und Joseph Hartl, der kaiserlich-königliche Hoftheaterdirektor, fasst einen Beschluss: Er plant eine Neuinszenierung des „Egmont“ am Burgtheater als einen in Schauspiel und Musik ausgetragen Freiheitskampf. Und er beauftragt den Komponisten in der Ballgasse 4, Ludwig van Beethoven, mit der Vertonung.

Der hat persönliche Gründe, den Auftrag anzunehmen: „Ich habe ihn [Egmont] bloß aus Liebe zum Dichter geschrieben und habe auch, um dieses zu zeigen, nichts dafür von der Theaterdirektion genommen“, schreibt Beethoven 1810 an seine Verleger Breitkopf & Härtel. Goethe braucht Musik, Beethoven verzichtet auf sein Gehalt.

Zurück in die Zukunft

Die Figur Egmont ist ein Widerständler. Goethe zeichnet ihn parallel zur historischen Darstellung des Grafen Lamoral von Egmond aus der Zeit des achtzigjährigen Krieges (1568-1648). Egmont ist ein ungewöhnlicher Held: Er erstreitet keinen glänzenden Sieg, sondern führt einen aussichtslosen Kampf. Er muss sterben, damit sein Volk Freiheit erlangt.

Am Ende des Stückes steht er also vor seiner Hinrichtung, der Vorhang fällt. Und dann soll die Musik als Schlusssinfonie eine Zeitmaschine in Gang setzen: Sie reist achtzig Jahre in die Zukunft und deutet an, wie die Hinrichtung des Titelhelden der Tragödie den Grundstein legt für die Befreiung der Niederländer*innen von der spanischen Inquisition.

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Autor/in
Ida Hermes