Porträt

„Bach-bekloppt“: Der Bach-Forscher und Bach-Vermittler Michael Maul

Stand
Autor/in
Claus Fischer
Onlinefassung
Dominic Konrad

Michael Maul bezeichnet sich selbst als „Bach-bekloppt“. Und er ist tatsächlich einer der prominentesten Experten, was Leben und Werk von Johann Sebastian Bach betrifft. Im Rampenlicht steht er als Musikwissenschaftler, Buchautor und vor allem als medienwirksamer Intendant des Bachfestes Leipzig.

„Mein ganzer Alltag besteht eigentlich aus Bach“

Als ich Michael Maul vor fünf Jahren getroffen habe, damals hatte er gerade die Intendanz des Leipziger Bachfestes übernommen, nannte er mir sein persönliches Lebensmotto: „Alles mit Bach und nichts ohn' ihn“. Gilt dieser Leitspruch für ihn auch heute noch?

„Ich hatte manchmal in meinem Leben schon so ein bisschen die Sorge – weil ich das so intensiv mit dem Bach betreibe – dass vielleicht irgendwie mal dieses Feuer ausgeht“, verrät Michael Maul im Gespräch. „Und meine Erfahrung ist aber jetzt doch: Meine Begeisterung ist noch größer geworden. Und dieses ‚Alles mit Bach und nichts ohn' ihn‘ gilt wahrscheinlich heute mehr denn je.“

Michael Maul beantwortet Hörer-Fragen zu Johann Sebastian Bach

Angelehnt ist dieser Spruch an den Titel einer Arie, die der junge Bach in Weimar komponiert hat: „Alles mit Gott und nichts ohn' ihn“. Die schlummerte rund 300 Jahre lang im Archiv der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Bis Michael Maul sie 2005, damals gerade am Anfang seiner Karriere als Musikwissenschaftler, entdeckt und eindeutig als Werk Bachs identifiziert hat.

Alles mit Gott und nichts ohn' ihn, BWV 1127

Imaginärer Dialog mit Bach in Buchform

27 Jahre war Michael Maul alt, als er die vergessene Bach-Arie entdeckt hat. Damit wurde er schlagartig bekannt, nicht nur in der Szene der Bachforschung, sondern auch unter Bachfans in aller Welt. In der Folge veröffentlichte er die erste umfangreiche Monografie über die Geschichte der Thomasschule und des Thomanerchors und weitere spannende wissenschaftliche Bände.

Sein jüngstes Buch ist im Herbst vergangenen Jahres erschienen, im Rahmen der bekannten Insel-Bücherei. Es heißt „Wie wunderbar sind deine Werke“ und richtet sich bewusst an Bach-Liebhaber und solche, die es werden wollen. Der literarische Kniff dabei: Michael Maul tritt mit dem Komponisten in einen imaginären Dialog.

„Dass ich da so absatzweise den Bach direkt anspreche, ihm meine Fragen stelle“, lacht Maul, „natürlich leider keine Antworten bekomme. Das hat mir aber total Spaß gemacht und das ist so im Augenblick das Statement, wie ich zu meinem Bach stehe.“

Podcast mit dem „Bach-Erklärbär“

Und dieser Beziehung kann man auch hörend nachspüren, denn gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Bernhard Schrammek hat Michael Maul beim Mitteldeutschen Rundfunk in den letzten drei Jahren einen wöchentlichen Bach-Kantaten-Podcast gestaltet.

Der hat längst Kultstatus. Nicht zuletzt deshalb, weil Michael Maul die gehobene Variante des Leipziger Dialekts spricht, auch „Gewandhaus-Sächsisch“ genannt. Das passt einfach perfekt zu seinem Dasein als „Bach-Erklärbär“, meint er augenzwinkernd: „Dass ich so schön helfen darf, ihn mit zu verbreiten, ist ein ganz großes Geschenk.“

Die Pandemie bereitete dem Bachfest-Intendanten Kopfzerbrechen

Die Hauptaufgabe von Michael Maul ist, trotz seiner vielfältigen Aktivitäten, die Intendanz des Bachfestes Leipzig. Diese Aufgabe hat ihm den letzten Jahren bisweilen tüchtig Kopfzerbrechen bereitet. Die Pandemie hatte zwei lang geplante Festivalprogramme zerschossen. Diese Probleme sind zum Glück überwunden, die Saison 2024 ist planerisch unter Dach und Fach.

Häufig gefragt wird Michael Maul nach seiner Lieblingskomposition von Bach. Da, gibt er zu, muss er erstmal überlegen: „Ich würde mal sagen: Du kommst einfach der Matthäuspassion nicht vorbei, du kommst an der h-Moll-Messe nicht vorbei.“

 

Schließlich kommt Michael Maul aber doch ein Stück Bach in den Sinn, das ihn nicht loslässt. Es sei ein Anker für ihn, der ihn wieder aufrichte, wenn es ihm nicht so gut gehe: „Die Arie „Bleibt ihr Engel, bleibt bei mir“ aus der Kantate BWV 19, wo Bach praktisch den Schutzengel anfleht, ihn im Leben immer zu begleiten, aber auch auf der letzten Reise. Es nimmt einen in Noten in den Arm.“

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Miriam Feuersinger, Sopran (Zion)
Jana Pieters, Sopran (Maria)
William Shelton, Alt (Seele)
Daniel Johannsen, Tenor (Evangelist)
Jonathan Sells, Bass (Petrus)
Tiemo Wang, Bass (Jesus)
Barockensemble Il Gardellino
Leitung: Alexander Grychtolik
Johann Sebastian Bach:
Passionsoratorium BWV Anh. 169, als Fragment rekonstruiert und vervollständigt von Alexander Grychtolik
(Konzert vom 5. August 2023 in der Augustinuskirche Schwäbisch Gmünd)

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Claus Fischer
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