Welche Schäden richtet ein Krieg in denen an, die ihn überleben, die keinen Einsatz an der Front mitmachen müssen, aber in einem betroffenen Land leben? Kann man den traumatischen Folgen eines Kriegs entkommen?
Der 1972 im ehemals jugoslawischen, heute serbischen Senta geborene Zoltán Danyi, der dort als Autor und Rosenzüchter lebt und der ungarischen Minderheit angehört, erzählt davon auf ganz eigene Weise.
Die namenlose Hauptfigur des „Rosenromans“ von Zoltán Danyi ist ein Besessener, ein Zwangscharakter. Alles muss er zählen: Er zählt Kruzifixe in der Gegend nahe der serbischen Stadt Szabadka, zählt Minuten, bastelt sich ein privatmythologisches System guter und schlechter Zahlen. Warum, versteht man zunächst nicht.
Und er muss erzählen. Davon, wie er mit seinem Vater bis zur Übernahme der autonomen Provinz Vojvodina durch die Serben Rosen gezüchtet und verkauft hat, bis ein Handelsembargo den Verkauf verunmöglicht hat. Von seiner Frau, die er leidenschaftlich begehrte, von der seltsamen Erkrankung seines Genitals, die etliche Operationen nötig gemacht, seine Frau verjagt hat. All dies erzählt er in Schleifen:
Kontrollrituale zur Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse
Was ist los mit diesem Erzähler, in dessen Leben Zwang und Zwangsläufigkeit so eng zusammengehören? Zoltán Danyis Hauptfigur steckt der Krieg im Körper. Seine Kontrollrituale sind eine Reaktion auf traumatische Erlebnisse durch die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Zugleich lassen sich seine Erkrankung, Beziehungsschwierigkeiten und neurotischen Verhaltensweisen aber nicht allein auf den Krieg zurückführen, wenn er sagt:
In der Atemnot verschränken sich Körper und Kriegsgeschehen. Doch der Roman verknüpft die Neurosen seines Protagonisten auch eng mit der vom Vater an ihn herangetragenen Profession des Rosenzüchtens. Das Zurichten und Beherrschen der Natur übertrug der Vater auch auf den Umgang mit seinem Sohn.
Dieser Erzähler will etwas anderes als sein Vater. Er schreibt heimlich Gedichte auf die Rückseiten der Papiere, die zum Einschlagen der Rosen dienen. Er nutzt in seinem Schreiben das literarische Potenzial der Rosen. In seinen Texten sind sie dornig, störrisch, oft dunkel, ihr Wildwuchs beträchtlich, ihre Züchtung mühevoll.
Wechsel zwischen urkomischen und tieftraurigen Momenten
Es braucht einen langen Leidensweg für den Erzähler, eine Reise bis nach Belgien und Frankreich mit urkomischen Momenten der Verirrung und tieftraurigen Momenten der Erkenntnis, bis er seine Frau als osteuropäische Prostituierte im Schaufenster eines Bordells wiederfindet. Sie bleibt, er zieht weiter.
Indem er alles aufschreibt, werden seine Zwänge weniger, legt sich der Schmerz über den Verlust seiner Frau. Mit der Zeit gewinnt der Erzähler die Einsicht, dass mit der serbischen Annexion der Vojvodina seine Heimat verloren ist, sich in der Geschichte seiner Gegend auch die Gewaltgeschichte Europas spiegelt, die eines ihrer blutigsten Kapitel im Kolonialismus niedergeschrieben hat, wie er auch durch Belgien und Frankreich praktiziert wurde. Und er erkennt:
Zoltán Danyi hat den Roman einer traurigen Emanzipation geschrieben, der die Folgen der Jugoslawienkriege mit den Ansprüchen von Eltern an ihre Kinder verquickt. Es ist die Erzählung eines gesellschaftlichen und individuellen Kolonialismus als Geschichte des Abendlands, die das Wechselspiel von Individuum und Gesellschaft in eindrücklicher Weise verbindet. Dank Terézia Moras glänzender Übersetzung können nun auch wir diesen herausfordernden, großen Rosenroman lesen.
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