Diktatoren haben Angst vor Witzen, ist sich die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller sicher:
„Man weiß ja, in allen Diktaturen kommt man wegen politischen Witzen ins Gefängnis. Das liegt an der Angst vor der Entfesselung der Gefühle.“
Sie selbst könne sich Witze leider nicht so gut merken, verrät sie im Gespräch mit SWR2, aber sie bewundere Menschen, die in jeder Situation einen treffenden humoristischen Kommentar parat haben.
Über die Kraft des Humors, das Leben in einer Diktatur und die Flucht ins Exil schreibt Herta Müller in zahlreichen Texten und Reden, die anlässlich ihres 70. Geburtstages in einem Sammelband erschienen sind: „Eine Fliege kommt durch einen halben Wald“.
„Die Ukraine muss kämpfen um ihr Land“
Dass Humor eine Art Psychiater für eine ganze Gesellschaft sein kann, beobachtet sie auch gerade mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine. Dort werden seit Kriegsbeginn Videos von tanzenden ukrainischen Soldaten und panzerklauenden Bauern geteilt.
Vergangenes Jahr hatte Herta Müller zusammen mit anderen Intellektuellen in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz Waffenlieferungen für die Ukraine gefordert: „Man hat nicht das Recht, Frieden auf Kosten der Ukraine zu verlangen. Den Frieden machen könnte der, der den Krieg begonnen hat. Putin will den Krieg und die Ukraine muss kämpfen um ihr Land“, so Herta Müller. Der Krieg gegen die Ukraine würde sie entsetzen aber nicht überraschen. Schon 2014 hat Herta Müller die völkerrechtswidrige Annexion der Krim verurteilt. Den ehemaligen KGB-Mann Putin bezeichnet sie als einen „typischen Vertreter eines blutrünstigen Geheimdienstes.“
Heimat als ideologischer Kampfbegriff
Auch die aktuelle Debatte über die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl und die Vereinnahmung des Begriffs „Heimat“ durch rechte Parteien verfolge Herta Müller genau. Dass sich eine Partei wie die AfD als patriotisch bezeichne, finde sie zynisch: „Sie wollen Deutschland destabilisieren. Sie wollen diese Gesellschaft zerstören.“
Man kenne die Leute aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die Literaturnobelpreisträgerin hofft, dass die deutsche Gesellschaft wisse, dass man dieser Partei nicht vertrauen dürfe: „Dass wir wissen, was die im Sinn haben und welches Menschenbild sie haben und welches Gesellschaftsbild.“
Ein Wort wie „Heimat“ sei für sie nicht einfach zu definieren. Rumänien hat sie 1987 verlassen, dennoch habe das Land eine gewisse Nähe für sie. Heimat beschreibt Herta Müller als eine Mischung aus Tatsache und intimes Gefühl: „Das hat man, oder es kann einem auch genommen werden. Und darum ist es schlecht, wenn es einem zwanghaft enteignet wird. Denn dieses intime Gefühl braucht man für sich selbst.“
Kristine Harthauer im Gespräch mit Herta Müller.