Lesen ist (wieder) in – das beweisen erfolgreiche Hashtags wie #booktok, unter denen junge Leute sich im Netz über ihre Lektüre austauschen. Damit die Bücher aber nicht nur im Internet, sondern auch in kleinen Buchhandlungen gekauft werden, hat die Buchhandlung „Erlesenes und Büchergilde“ in Mainz der Zielgruppe „New Adult“ einen eigenen Bereich eingerichtet.
Im hinteren Bereich der kleinen Buchhandlung „Erlesenes und Büchergilde“ hängt eine große Tafel mit dem Schriftzug „New Adult“ an der Wand. Dort ist es besonders gemütlich: Ein Sofa aus Uromas Zeiten steht unter einem Fenster, leicht verdeckt von Pflanzen und einer Vitrine. Die Wände sind grasgrün gestrichen. In einem großen hölzernen Bücherregal stehen unter anderem englischsprachige Bücher, Science Fiction und Coming of Age Romane, erklärt die 20jährige Auszubildende Josephine Wunderberg:
„Also das ist eben gerade bei uns dieser Kernpunkt, dass wir Bücher zusammengesucht und bereitgestellt haben, weil wir wissen, dass das auch was für junge Menschen ist. Wie zum Beispiel Mariana Leky und „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon oder „22 Bahnen“ von Caroline Wahl, was jetzt gerade erst neu erschienen ist.“
Ein Rückzugsort für Jugendliche
Zu „New Adult“ zählen junge Erwachsene bis 27 Jahren. Da Josephine Wunderberg selbst zu dieser Zielgruppe gehört, war es ihrer Chefin Silke Müller wichtig, die Auszubildende eng in den Aufbau des New Adult Abteilung einzubinden. Gemeinsam waren die beiden vor wenigen Wochen bei einem bundesweiten Austausch inhabergeführter Buchhandlungen und haben sich zum Thema „New Adult“ informiert. Danach haben sie direkt den entsprechenden Bereich eingerichtet, erzählt Inhaberin Silke Müller:
„Wir haben einfach gesagt, wir wollen – nach dem, was wir bei dieser Buchhändlertagung gelernt haben - einen Ort in der Buchhandlung haben, wo die jungen Leute sich so ein bisschen zurückziehen können und wo sie es schön und gemütlich haben. Wo sie die Bücher finden, die wir für diese Altersgruppe für geeignet halten. Wir haben hier dieses gemütliche Sofa, wir haben einen Teppich, wir haben Pflanzen und wir haben dafür gesorgt, dass man, wenn man hier auch auf dem Sofa sitzt, nicht gleich von überall aus gesehen wird. So ein bisschen ein Safe Space, wo man sich zurückziehen kann.“
Diesen Safe Space zeichnet nicht nur aus, dass die jungen Kundinnen und Kunden unbeobachtet beim Lesen sein können – denn auch Bücher zu sensiblen Themen wie Transidentität stehen im New Adult Regal. Sie können sich auch viel Zeit lassen beim Schmökern, sagt Silke Müller. Niemand müsse Sorge haben, zu einem Kauf gedrängt zu werden.
„Wir Buchhändler und Buchhändlerinnen stören selten, eigentlich nie jemanden, der hier hinten sitzt. Unsere Vorgehensweise ist eigentlich mit jeder Kund*in so, dass wir beim Reingehen Kontakt, Augenkontakt herstellen, freundlich grüßen und relativ bald dann sagen: wenn irgendeine Frage ist, gerne auf uns zukommen. Und dann können die Leute so lange sie möchten hier bleiben und gucken und stöbern. Aber wir stören nicht (lacht).“
Buchclub für junge Leser*innen
Über das Schaufenster und ihre Social Media Accounts hat „Erlesenes und Büchergilde“ auf den New Adult Bereich aufmerksam gemacht, erzählen Silke Müller und Josephine Wunderberg. Und die Auszubildende hat einen Buchclub für junge Leser und Leserinnen initiiert. Schließlich kann man sich nicht nur im Netz, sondern auch im wahren Leben über gute oder auch weniger gute Bücher austauschen.
„Das sind verschiedene Leute, viele Studierende, in einem Altersbereich von ich glaub 18 bis 26 oder so. Als wir uns das erste Mal getroffen haben, haben wir gemerkt: alle Leute haben sich super gefreut, dass es diese Möglichkeit gibt, irgendwie über Bücher zu reden. Da ist für mich auch so ein Traum wahr geworden, dass ich halt mal in einem Buchclub bin und den jetzt auch selbst leite einfach. Das ist halt echt schön.“
Welche Bücher besprochen werden, entscheiden die Clubmitglieder gemeinsam, sagt Josephine Wunderberg. Und gekauft werden diese Bücher natürlich nicht im Internet, sondern bei „Erlesenes und Büchergilde“.
„Was dann auch so ein bisschen überraschend war ist, dass wir gar nicht so diese typischen New Adult Bücher oder so lesen. Sondern da halt wirklich sehr gefächert sind. Also unser erstes Buch war „Ungezähmt“ von Glennon Doyle, weil sich das erstmal spannend angehört hat. Und dann lesen wir jetzt – das heißt „Die Gabe“. Und das ist auch nicht für die Zielgruppe geschrieben, würde ich sagen.“
Bücherlesen als cooles Hobby
Offensichtlich haben die Buchhändlerinnen mit dem New Adult Buchclub einen Nerv getroffen. Denn sie wurden sofort mit Anfragen überrannt, erinnert sich Josephine Wunderberg:
„Also die ersten Anmeldungen, da war ich so: oh wow, es melden sich Leute an! Und dann waren es immer mehr. Das hat mich echt ziemlich gefreut. Mittlerweile sind 20 Leute drin und es kommen immer noch Anmeldungen.“
Der Buchclub und der New Adult Bereich sprechen sich rum unter den jungen Leuten. Silke Müller ist sich sicher, dass das Netz eine entscheidende Rolle dabei spielt, auch die Menschen fürs Lesen zu begeistern, die nicht schon in einem Haushalt voller Bücher aufgewachsen sind. Das könne die Buchhandlung um die Ecke in der Form gar nicht leisten. Ihr New Adult Bereich sorgt nun aber dafür, dass die jungen Büchermenschen nicht nur im Internet an den Lektürenachschub kommen. Denn das Konzept geht auf.
„Josephine hat letztens gesagt, früher, wenn man sagte, mein Hobby ist Lesen: aha. Ein bisschen langweilig vielleicht. Und heute – Lesen ist cool, Bücher Sammeln ist cool. Und es ist jetzt im Moment einfach eine richtig tolle Welle. Und es passiert da auch was an Gemeinschaft. Und diese Gemeinschaft erleben die auf Social Media und wollen das auch ins echte Leben übertragen. Und kommen dann auch gerne mal zusammen in die Buchhandlung. Und wenn dann der nette Ort hier hinten erstmal entdeckt ist, dann ist ja schon viel gewonnen.“