Reportage

Litradio – Ein Studierendenprojekt zum Mitmachen

Stand
Autor/in
Nina Wolf

Studierende der Universität Hildesheim nehmen für das Projekt Litradio.net podcasts in WG-Zimmern auf, stellen ihre Berichte von Literaturfestivals online und sprechen mit jungen Autorinnen und Autoren. Auf der digitalen Plattform wollen sie sich ausprobieren und im Radio-Literatur-Kosmos mitmischen.

„Heute stellt Litradio eine Online Plattform dar auf der Literatur, literarische, kulturjournalistische Inhalte im weitesten Sinne zu hören sind, abrufbar sind, also kein Radio im eigentlichen Sinne, das man linear ausstrahlt. Wir verstehen uns heute sicherlich eher als eine Podcast Plattform.“

Guido Graf, Dozent am Literaturinstitut Hildesheim, hat das Projekt Litradio.net gegründet, das Konzept entstand in einem 2009 Seminar.

Heute nehmen die elf Studentinnen und Studenten der Litradio-Redaktion Podcasts in WG-Zimmern auf, stellen ihre Berichte von Literaturfestivals und Buchmessen online oder moderieren Lesebühnen. So wollen die Hildesheimer Studierenden selbst in der Szene präsent werden – und das öffentliche Gespräch über Literatur ein wenig mitbestimmen. Thore Fahrenbach studiert „Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus“ und arbeitet seit zwei Jahren in der Redaktion von „Litradio“ mit:

„Ich glaube in den letzten Jahren ist es im Zuge der Digitalisierung immer niedrigschwelliger geworden am Diskurs über Literatur teilzunehmen, also es ist eben nicht mehr nur das FAZ Feuilleton oder das literarische Quartett, die Diskurse vorgeben, sondern es ist für alle einfacher geworden sich mitzuteilen und sich an Diskursen zu beteiligen. Und dadurch ist aber auch das Feld unübersichtlicher geworden. Es gibt zahlreiche Podcast, immer mehr Lesereihen, Lesebühnen, auch Literaturhäuser zeichnen ihre Gespräche und Lesungen auf. Und Litradio versucht eben auch für die nicht so etablierten Teilnehmer*innen an diesen Diskurs ein Sammelbecken zu sein. Also wer sagt, ich interessiere mich für das, was gerade so besprochen wird oder auch vor fünf, sechs Jahren aktuell war, der kann bei uns eine Auswahl und Sammlung auf der Website finden, die sonst schwierig zu finden wäre.“

Die meisten Litradio-Redakteure und Redakteurinnen studieren Literatur im Haupt- oder Nebenfach - und stellen sich selbst vor einige Lektüre-Herausforderungen. Im Podcast „Komm Schatz, wir lesen ein Buch“ arbeiten sie sich zum Beispiel durch David Foster Wallace Mammutroman „Infinite Jest – Unendlicher Spaß“. Und wollen die Zuhörerenden so zum Mitlesen animieren.

Max: „Wie geht’s euch nach den ersten 50 Seiten? Thore, hast du den kritischen Punkt schon überwunden? Du hast das letzte mal erzählt, du bist bis Seite 30 gekommen…“

Thore: „Bis Seite 20 sogar nur.“

Max: „Seite 20. Und jetzt bist Seite 55. Bist du gehookt? Bist du schon drin?

Thore: „Es war spannend. Ja, bis Seite 20 bin ich, im Wartezimmer der Physiotherapie gekommen. Ich glaube ich habe drei oder viermal bis Seite 20 gelesen aber war jetzt gezwungen darüber hinaus zu kommen. Die ersten zwanzig Seiten? Es hat mich nicht so gehookt.“

Eigene literarische Projekte fürs Radio umsetzen, verschiedene akustische Formen kennenlernen, über das sprechen, was sie als Literatur-Studierende selbst gerne hören würden – wer bei Litradio mitarbeitet, hat Raum zum Ausprobieren.

„Also wir begreifen uns in unserer Arbeit als Kollektiv. Wir treffen uns einmal die Woche in der Redaktionssitzung und besprechen was gerade so ansteht: Was für Formate wir gerne produzieren wollen, alle können ihre Ideen einbringen oder sich bei bestehenden Formaten unterhaken. Also es ist eine große Spielwiese, um Sachen auszuprobieren und sich auch im redaktionellen Arbeiten zu üben und erste Erfahrungen zu sammeln und sich gegenseitig Wissen zu vermitteln und Sachen beizubringen.“

In der Reihe „Debütanz“ etwa: Hier interviewen Redaktionsmitglieder Autoren und Autorinnen, die gerade ihr erstes Buch veröffentlicht haben.

Die Beiträge sind oft bunt und poppig, der Ton lässig und kumpelhaft. Trotzdem wollen die Macher und Macherinnen professionelle Ansprüche erfüllen und mit ihren Inhalten herausfordern. Das komme bei den Literaturinteressierten gleichen Alters gut an, meint Dozent Guido Graf.  Die meisten Litradio-Hörenden sind in den Zwanzigern.

„Es geht viel um Themen und Inhalte, die Menschen, die das hören, einfach interessieren. Das ist der entscheidende Faktor. Darüber hinaus wird in jeder Facette sehr schnell spürbar, dass das von Leuten gemacht wird, die genauso alt sind wie Leute, die das hören. Und das ist eine andere Kommunikationsebene, die da etabliert wird, als wenn immer ein generationelles oder hierarchisches Gefälle irgendeiner Art spürbar ist.“

Guido Graf begleitet die Redaktion jetzt seit 15 Jahren, die studentische Besetzung wechselt. Auch in Zukunft soll sich das Projekt noch weiter entwickeln:

„Ich könnte mir auch vorstellen, dass es mehr Video-Formate auf der Plattform gibt. Und dann langfristig gedacht, tatsächlich etwas wie soziale Funktionen einzubauen.“

Und was würde sich Thore Fahrenbach, als Redaktionsmitglied, für Litradio wünschen?

„Da würde ich einfach sagen, da hätte ich gerne für Litradio, dass wir tatsächlich einmal richtig Radio sein könnten und mal für ein paar Tage rund um die Uhr auf Sendung gehen, im tatsächlichen wirklichen UKW-Radio. Da hätte ich mal große Lust drauf.“

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Autor/in
Nina Wolf