Moore haben auf Schriftsteller schon immer eine besondere Faszination ausgeübt. Auch die kanadisch-amerikanische Autorin Annie Proulx ist solch eine Moorliebhaberin.
Allerdings hat sie ihre Begeisterung nicht in einen Roman verwandelt, sondern diesmal in ein ungewöhnliches Sachbuch voller wissenschaftlicher Fakten und Geschichten.
Moore haben auf Schriftstellerinnen und Schriftsteller schon immer eine besondere Anziehungskraft ausgeübt. Ihre verschwiegene, geheimnisvolle, oft nebelverhangene Welt hat viele Geschichten hervorgerufen.
Das gilt auch für die kanadisch-amerikanische Autorin Annie Proulx. Allerdings hat die 88-Jährige ihre Begeisterung für die wundersamen Welten der Moore diesmal nicht in einen Roman gepackt, wie man das bei ihr eigentlich erwartet hätte, sondern in eine Art Sachbuch. Das ist eine ungewöhnliche Wahl. Doch die lässt sich einfach erklären.
Vielfalt und Schönheit der Moorlandschaften
Seit ihrer Kindheit liebt die engagierte Umweltschützerin die unglaubliche Vielfalt der Moore und ihre Natur, die zahlreichen Pflanzen und Tieren eine Heimat bietet. Immer wieder feiert sie in ihrem Buch deren extreme Artenvielfalt.
Staunend beschreibt sie die Schönheit der Moose, malt geradezu mit Worten ihre feinen Farbnuancen. Sie freut sich an der bunten Pracht der Libellen, bewundert die lautstarken Konzerte oftmals tausender Vögel, die in den Feuchtgebieten Rast machen, wieder Kraft schöpfen. Sie lässt vor unseren Augen eine wohl vielen von uns unbekannte Welt entstehen, denn Moore sind selten geworden.
Die Schriftstellerin bringt uns aber nicht nur die außergewöhnliche Natur nahe, eindringlich weist sie auch auf deren Nützlichkeit hin. Moore sind perfekte, reichhaltige CO₂ Speicher. Ihr Abbau setzt unglaubliche Mengen an Methan und Kohlenstoff frei. Das macht Annie Proulx geradezu wütend. Dagegen plädiert sie für eine Wiedervernässung trocken gelegter Moorflächen, denn die verhindern nicht nur die Freisetzung klimaschädlicher Gase, sondern entziehen auf lange Sicht der Atmosphäre erhebliche Mengen CO₂.
Moore als Umweltschützer
Heftig attackiert Annie Proulx alle Formen der Vernichtung von Feuchtgebieten – egal wo auf der Welt. Das reicht von klassischen Mooren über Regenwälder bis zu Mangrovenwäldern. Da zeigt sie sich in ihrem ersten, eher allgemein politisch gehaltenen Kapitel als heftige Kämpferin für Natur- und Klimaschutz.
Sehr deutlich malt sie die enormen Gefahren aus, wenn durch die Erderwärmung zum Beispiel in Sibirien die Permafrostböden auftauen und riesige Mengen an Methan und Co2 freisetzen und damit den Klimawandel forcieren. Sie erinnert an die Warnungen der Wissenschaft, dass jede Vernichtung von Feuchtgebieten letztlich auch dazu führt, dass wir mit den von dort verdrängten Tieren auch deren Viren und Bakterien wie Corona oder Sars stärker ausgesetzt sind.
Deutlich arbeitet sie heraus, welche Moortypen es gibt, nämlich Niedermoore, Hochmoore und Waldmoore, und widmet ihnen jeweils ein umfangreiches Kapitel. Dabei mischt sie ihre biologisch exakten Beschreibungen mit historischen Berichten von früheren Naturforschern und verweist gleichzeitig auf die Erkenntnisse aktueller Umweltstudien. Zwischendrin kommen Poeten und Schriftstellerinnen zu Wort.
Die dunkle Seite der Moore
Sie verschweigt bei aller Begeisterung nicht die negativen Seiten der Moore, die Malaria, Sumpffieber oder extremen Gestank durch aufsteigende Faulgase beherbergen und deswegen auch immer wieder zur Forderung nach Entwässerung beitrugen. Ausführlich spekuliert sie über die oftmals gewaltsamen Tode vieler Moorleichen. Für Archäologen sind Moore perfekte Archive. Sie bewahren Jahrtausende alte Alltagsgegenstände ebenso wie Tiere und Menschen nahezu unversehrt auf und verraten uns viel über das Leben unserer Vorfahren.
Staunend folgt man Annie Proulxs historischen, geographischen, biologischen und poetischen Erkundungen der Moore. Es ist eine Hymne auf eine fremde, vielgestaltige Welt. So ein Moorbuch hat es noch nie gegeben.
Mehr aktuelle Bücher
SWR2 lesenswert Kritik Christopher Clark – Frühling der Revolution. Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt
In seinem neuen Buch widmet sich der renommierte Cambridge-Historiker Christopher Clark dem europäischen Revolutionsfrühling von 1848. Als Chronist eines großen - politischen und gesellschaftlichen - Aufbruchs zeigt er überzeugend und entgegen der weit verbreiteten Vorstellung einer gescheiterten Revolution, dass viele der emanzipatorischen Ideen von 1848 weiterlebten.
Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz, Klaus-Dieter Schmidt, Andreas Wirthensohn
DVA, 1164 Seiten, 48 Euro
ISBN 978-3-421-04829-5