Chronistin jüdischen Lebens in Deutschland

Fünf gute Gründe, die Bücher von Barbara Honigmann zu lesen

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Autor/in
David Kirchgeßner
David Kirchgeßner ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz.

Die Liste von Auszeichnungen für Barbara Honigmann wird mit dem Friedrich-Schiller-Preis um einen Eintrag länger. Argumente für die Lektüre einer der bedeutendsten aktuellen deutsch-jüdischen Stimmen.

  1. Authentische Einblicke in jüdisches Leben
  2. Ganz nebenbei vermittelt sie Zeitgeschichte
  3. Ihre Sprache
  4. Sie kommt auf den Punkt
  5. Ausgezeichnete Literatur

Wer ist Barbara Honigmann?

Schriftstellerin Barbara Honigmann erhält am 22. September den Friedrich-Schiller-Preis des Landes Baden-Württemberg – als Ehrung für ihr bisheriges Schaffen als bedeutende Chronistin ihrer Zeit. Die feierliche Übergabe findet im Deutschen Literaturarchiv in Marbach statt.

Dem hat sie schon vor bald zwei Jahren den Großteil ihres literarischen Werks und private Briefwechsel als sogenannten Vorlass übergeben. Doch auch mit 75 Jahren arbeitet Honigmann an neuer Literatur.

Barbara Honigmann gehört zur sogenannten "zweiten Generation" jüdischer Familien, die den Holocaust überlebt haben. Ihre Eltern waren jüdische Kommunisten, die im Exil in England überlebt hatten und 1947 in die sowjetische Besatzungszone zurückkehrten, um den Aufbau eines "neuen Deutschlands" zu unterstützen.

1949 in Berlin (Ost) geboren, studierte Honigmann Theaterwissenschaft, wurde Dramaturgin und Regisseurin, bevor sie ab 1975 als freischaffende Schriftstellerin und Malerin arbeitete. Wegen ihrer kritischen Haltung zur SED geriet sie in der DDR unter Druck.

1. Authentische Einblicke in jüdisches Leben in Deutschland und Straßburg

Als junge Frau beginnt Barbara Honigmann, sich intensiv mit der jüdischen Identität zu beschäftigen. 1984 verlässt sie die DDR und emigriert nach Straßburg, wo sie mit ihrer Familie bis heute lebt. In Straßburg schließt sie sich auch der jüdisch-orthodoxen Gemeinde an.

„Mein Weg als Jüdin ist geprägt von Exil-Erzählungen und Überlebensgeschichten – und von dem tief in mich eingepflanzten und stets anwesenden Gefühl von einem 'Wir', die Juden, und 'die', die Deutschen, unter denen wir lebten“, erklärte Honigmann in ihrer Dankesrede für den Frankfurter Goethepreis.

So sind auch ihre Romane, Erzählungen und Essays angelehnt an die Geschichte der eigenen Familie. Deren Lebenserfahrungen verdichtet sie zu Literatur, erzählt von jüdischen Schicksalen sowie den enttäuschten Hoffnungen an eine bessere und gerechtere Welt nach dem Krieg.

„Bei mir kreist alles um die Herkunftsgeschichte, eben das, was man heute Autofiktion nennt“, sagt Barbara Honigmann selbst in einem Interview.

Zum Beispiel in ihrem Buch "Unverschämt jüdisch" (2021) reflektiert sie über Literatur, das Leben und jüdische Identität. Auch wenn Barbara Honigmann mit Judentum, DDR und Emigration immer wieder ähnliche Themen aufgreift, kommen auch die kleinen Geschichten des Alltags in ihren Texten vor.

2. Ganz nebenbei vermittelt sie Zeitgeschichte

Barbara Honigmann erzählt so poetisch wie präzise und humorvoll die große Geschichte des 20. Jahrhunderts in der kleinen. In „Ein Kapitel aus meinem Leben“ (2004) erzählt sie nüchtern, poetisch und komisch die Geschichte ihrer eigenen Mutter: Das unglaubliche Leben von Lizzy, einer Frau im Europa der Kriege und Diktaturen. Bevor sie Barbaras Vater Georg Honigmann kennenlernte, war sie mit dem britischen Doppelagenten Kim Philby verheiratet: sowjetischer Agent und gleichzeitig Mitarbeiter des Secret Service.

Im Roman „Georg“ (2019) nähert die Schriftstellerin sich warmherzig dem widersprüchlichen Lebensweg ihres Vaters Georg Honigmann: Ein deutsch-jüdischer Weltbürger, Glücksritter und Frauenheld.

Ohne Englischkenntnisse hatte der es geschafft, als junger Journalist Korrespondent in London zu werden. Dort überlebte er Weltkrieg und Shoah – und lernte Lizzy kennen. Später geriet der überzeugte Kommunist in der DDR selbst in Opposition zur Kulturbürokratie, scheiterte in seinen Ehen und an seinen Affären.

3. Ihre Sprache

1986 debütierte Barbara Honigmann mit der Erzählung „Roman von einem Kind“ – hochgelobt von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Der schwärmt vom „Zauber dieser verblüffend einfachen Prosa“. Honigmann schreibt in klarer und kunstvoll einfacher Sprache Sätze wie:

Manchmal habe ich einen Traum im Wachen, dass ein Weg zu mir kommt und sich vor mich hinlegt und mit mir spricht und sagt: Komm, folge mir einfach, ich werde dich führen.

Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann fasst das in seiner Laudatio zum Frankfurter Goethepreis (2023) so zusammen: "Prall gefüllte Sprachlosigkeiten. Wortfetzen. Ein fast expressionistischer Ton. Das ist der Honigmann-Sound."

4. Barbara Honigmann kommt auf den Punkt

Ihre Erzählungen sind nie mehr als zweihundert Seiten lang.

Der Literaturwissenschaftler Thomas Sparr schreibt: „Barbara Honigmann beherrscht in all ihren Erzählungen, ihren Romanen wie ihren Essays eine Kürze, die das Komplizierte nicht vereinfacht, aber transparent werden lässt – und sei es nur für einen Moment. Nichts im Leben ist so kompliziert, dass Barbara Honigmann es nicht erzählen könnte."

Die Schriftstellerin Barbara Honigmann steht in ihrer Wohnung vor einem Bücherregal
Barbara Honigmann in ihrer Wohnung in Straßburg

5. Hoch geehrte und ausgezeichnete Literatur

Falls das Lob von „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki und Positionen auf der SWR Bestenliste – zum Beispiel mit ihrem Buch "Georg" – nicht genügen: Honigmanns Werk wurde schon mit zahlreichen bedeutenden Preisen ausgezeichnet:

Und sollte das noch nicht reichen oder im Gegenteil sogar für Skepsis sorgen, wäre das erst recht ein Argument, ihre Bücher zu lesen und sich eine eigene Meinung zu bilden.

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