Am 11. Februar 2019 jährte sich Else Lasker-Schülers Geburtstag zum 150. Mal.
Im April 1933 wird die Schriftstellerin Else Lasker-Schüler in Berlin auf offener Straße zusammengeschlagen. Sie ist Jüdin, eine stadtbekannte Exzentrikerin und gehört zur literarischen Avantgarde – gleich drei Gründe, warum sie bei den Nationalsozialisten unerwünscht ist. Mittellos flieht sie ins Schweizer Exil, wo sie Arbeitsverbot erhält. Mehrfach reist sie nach Palästina, ihr "Hebräerland". 1939 verweigert ihr die Schweiz die Wiedereinreise.
Ihr lyrisches und dramatisches Werk zählt zur großen deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts.
Else Lasker-Schüler – Dichterin und Zeichnerin
Elisabeth Schüler wird am 11. Februar 1869 in Wuppertal-Elberfeld geboren und wächst als jüngstes von sechs Kindern einer bürgerlichen jüdischen Familie auf.
1894 heiratet sie den Arzt Bertold Lasker. Sie möchte ihren Familiennamen nicht aufgeben und nennt sich fortan Else Lasker-Schüler. Das Paar zieht nach Berlin. Doch die Rolle als gut versorgte Arztgattin passt Else nicht. Sie trennt sich von ihrem Mann (lässt sich aber erst 1903 von ihm scheiden) und wird Teil der frühexpressionistischen Berliner Literaturszene.
Die Künstlerin ist fast durchweg auf finanzielle Hilfe von Freunden und Mäzenen angewiesen. 1899 wird ihr Sohn Paul geboren; der Vater des Kindes ist unbekannt.
Traumreich "Theben"
Else Lasker-Schüler zeichnet und schreibt nun sehr viel. 1901 erscheint ihr erster, frühexpressionistischer Lyrikband "Styx". Einige Gedichte führen schon in den unverwechselbaren Kosmos, der später ihr Werk bestimmt. Er speist sich aus Bibel und Orient, Juden- und Christentum, aus ihrem mythischen Traumreich "Theben", ihrer Familie und eigenen Erfahrungen von Liebe, Trauer und Verlust.
Ihre Zeichnungen zeigen viele Selbstporträts, am liebsten im Profil mit Bubikopf; aber auch Freunde, Tiere und Bibelszenen.
1903, im Jahr ihrer Scheidung von Bertolt Lasker, heiratet die Künstlerin den Schriftsteller, Verleger und Musiker Georg Lewin. Sie nennt ihn "Herwarth Walden" – und er macht diesen Namen zu seinem Pseudonym. Zwar trennt sich das Paar 1910 (die Scheidung erfolgt 1912), doch Walden druckt ihre Texte auch weiterhin in der Zeitschrift "Der Sturm" ab, die er 1910 zusammen mit Alfred Döblin gegründet hat. Sie war eine der wichtigsten Publikationen des Expressionismus.
Bis zu ihrer Flucht publiziert Else Lasker-Schüler eine ganze Reihe von Gedichtbänden; bis heute ist sie vor allem als Lyrikerin bekannt. Doch sie schreibt auch Theaterstücke wie "Die Wupper", Essays und Prosa.
Diffamierung durch die Nationalsozialisten
Die Dichterin lebt als alleinerziehende Mutter in Berlin. Sie pflegt ein großes Freundschaftsnetz mit Schriftstellern und Künstlern, u. a. mit dem Maler Franz Marc. Sie gehört nun zur literarischen Avantgarde. Ihre Gedichte werden von Kollegen geschätzt, aber sonst wenig gelesen. Als 1927 ihr Sohn Paul stirbt, stürzt sie dies in eine tiefe Krise.
Ein Lichtblick scheint sich 1932 zu zeigen, als sie den bedeutenden Kleist-Preis für ihr Gesamtwerk erhält. In der Begründung heißt es:
Die allgemeine Anerkennung ihres künstlerischen Werks bleibt ihr allerdings versagt: Die Nationalsozialisten hetzen im "Völkischen Beobachter" gegen sie, die "Tochter eines Beduinenscheichs". Und: "Für uns ist, was immer eine Jüdin auch schreibt, vor allem keine deutsche Kunst!".
Else Lasker-Schüler berichtet Freunden, sie sei auf der Straße beschimpft und geschlagen worden. Und Joseph Goebbels habe sie diffamiert – in der Presse und im Radio.
Weil sie Jüdin ist? Als Reaktion auf den Kleist-Preis für die sogenannte "undeutsche" Autorin? Oder weil sie es wagt, "anders" zu sein, und mit bunten Gewändern und Turban durch die Straßen geht? Denn angepasst in bürgerlichem Sinn war Else Lasker-Schüler tatsächlich nicht. Sie war exzentrisch und inszenierte sich als Prinz Jussuf oder Fakir mit Pluderhosen und Dolch.
Exil in der Schweiz
Spätestens mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, also der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, ist für die Dichterin klar, dass sie in Deutschland keine Zukunft hat. Sie flieht im April 1933 in die Schweiz.
Das Leben der Künstlerin im Exil ist geprägt durch große Armut und Unsicherheit. Als Flüchtling hat sie in der Schweiz Arbeitsverbot, und die Aufenthaltsbewilligung dauert nur jeweils sechs Monate. Dann muss sie das Land wieder verlassen. Deshalb reist sie zwischendurch nach Italien und Palästina, um von dort erneut in die Schweiz einreisen und um eine neue Aufenthaltsbewilligung bitten zu können. Sie lebt in großer Armut; wieder muss sie Freunde um Geld bitten. Zweitweise lebt sie in einem Zimmer, durch dessen undichte Fenster im Winter der Schnee dringt.
Rund fünf Jahre verbringt sie in der Schweiz. 1939 reist sie abermals nach Palästina – und dann bricht der Zweite Weltkrieg aus. Die Nationalsozialisten erkennen ihr die deutsche Staatsbürgerschaft ab. Nun ist sie staatenlos und sitzt in Palästina fest.
Letzte Jahre in Palästina
Mittlerweile 70 Jahre alt, hat sich ihre Gesundheit deutlich verschlechtert. In Jerusalem lebt sie in billigen Hotels und möblierten Zimmern, die auch hier Mäzene oder Freunde bezahlen. Von den kargen Einnahmen durch Lesungen und Vorträge kann Lasker-Schüler nicht leben, wieder muss sie um Geld betteln. Zudem fühlt sie sich unsicher und isoliert, weil sie kein Hebräisch spricht. Dennoch gibt sie nicht auf, vernetzt sich mit anderen deutschsprachigen Exilanten und engagiert sich im Jerusalemer Kulturleben. Sie gründet einen Lesekreis vor allem für Flüchtlinge, den sie "Kraal" nennt.
Die Arbeit für den Lesekreis zehrt an Else Lasker-Schülers Kraft. Die Exilerfahrungen verändern auch die wenigen Gedichte, die sie noch schreibt. Sie sind oft dunkel, nicht mehr so bewegt wie früher. 1943 erscheint ihr letzter Lyrikband "Mein blaues Klavier" in Jerusalem. Er wirkt über weite Strecken wie ein Fazit ihrer Exilerfahrungen von Fremdheit, Not und Alleinsein. Zudem spricht sie übers Älterwerden und den nahenden Tod.
Die letzten Monate der Autorin sind überschattet von Einsamkeit. Else Lasker-Schüler stirbt nach einem Herzanfall am 22. Januar 1945 in Jerusalem und wird auf dem Ölberg beigesetzt.
25.3.1933 Joseph Goebbels: "Der Rundfunk gehört uns!"
25.3.1933 | Am 25. März 1933 – nur einen Tag nach dem Ermächtigungsgesetz, mit dem Adolf Hitler Deutschland faktisch zur Diktatur gemacht hat – bestellt sein junger Propagandaminister Joseph Goebbels die Intendanten der Reichsrundfunkgesellschaft ein und hält einen ausufernden Vortrag darüber, wie er den Rundfunk im Sinne der Regierung einspannen will. "Wir machen gar keinen Hehl daraus: Der Rundfunk gehört uns und niemandem sonst. Den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen!", sagt er, während er hörbar auf das Pult klopft.